Josefine Paul: „Mir fehlt eine Linie, wohin Sie mit der Leistungssportförderung im Nachwuchsbereich eigentlich wollen“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Nachwuchsleistungssport zum Verbot von "Kinderkopftüchern"

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Bischoff hat gerade etwas angesprochen, auf das ich auch schon mehrfach hingewiesen habe. Es gibt eine gewisse Diskrepanz zwischen der Eigenzuschreibung, dass Sport in dieser Landesregierung Chefsache sei, und der Tatsache, dass der Chef, dessen Sache es eigentlich ist, hier mehrheitlich nicht dazu redet, sondern immer jemand anders aus der Regierungskoalition. Allerdings – das will ich zugestehen – hat er auch schon selber zum Sport geredet. Die Landesregierung entscheidet aber natürlich selbst, wie sie das zuteilt und ressortiert.
Angesichts des großen Selbstlobs, dass Sport Chefsache ist, ist es aber schon ein bisschen schade, dass der Chef nie da ist, um zur Sache zu sprechen. Aber wir wissen bei Ihnen, Frau Milz, den Sport trotzdem in sehr guten Händen, auch wenn Sie hier nicht reden dürfen.
Zum Antrag, zu den NRW-Sportschulen: Ja, es ist richtig; die 18 NRW-Sportschulen, die Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Schwarz-Gelb fördern und, glaube ich, ab 2022 auch weiterhin gefördert werden, leisten einen wichtigen Beitrag zur Talentförderung und zur Leistungssportförderung in Nordrhein-Westfalen.
Dies zu evaluieren, ist auch richtig. Ich kann mich allerdings Herrn Kollegen Bischoff anschließen. Wenn man die Evaluation noch nicht abgeschlossen hat, ist es ein bisschen eigenwillig, zu sagen: Dann nehmen wir schon einmal Teilerkenntnisse und fangen schon einmal an. – Möglicherweise sind die Erkenntnisse im Rest des Berichts aber andere. Aber sei es drum!
Herr Kollege Terhaag, Sie haben gerade gesagt – das ist auch im Koalitionsvertrag niedergelegt; ich habe es noch einmal nachgelesen –, dass es eine qualitative Weiterentwicklung der NRW-Sportschulen und der Leistungssportförderung im Nachwuchsbereich geben soll. Dagegen ist nichts einzuwenden. Da haben Sie uns grundsätzlich an Ihrer Seite.
Das, was in Ihrem Antrag steht, wird diesem Anspruch jedoch nicht ganz gerecht. Denn was fällt Ihnen – auch darauf hat Herr Kollege Bischoff hingewiesen – da zum Beispiel ein? Zu prüfen, ob aus bereiten Mitteln jährlich die beste NRW-Sportschule geehrt werden kann!
Wir hatten gerade im Sportausschuss die Haushaltseinbringung. Neben anderen Dingen, die durchaus positiv zu bewerten sind, fällt mir auf, dass die Landesregierung mit Preisen schier um sich wirft. Es gibt im Haushaltsbereich einen großen Aufwuchs wegen Preisverleihungen. Es ist auch richtig, dass verdiente Sportlerinnen und Sportler geehrt werden sollen und auch diejenigen, die ehrenamtlich den Sport tragen, geehrt werden sollen. Dagegen habe ich überhaupt nichts.
Ich glaube allerdings, dass eine Ehrung der besten NRW-Sportschule ein Preis ist, den wir nicht brauchen. Ich persönlich wünsche mir, dass alle 18 NRW-Sportschulen exzellente Arbeit leisten, und zwar im Bereich der Bildung und im Bereich der Leistungssportförderung.
(Beifall von der SPD)
Ich brauche aber keinen Preis, um das festzustellen. (Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ein weiterer Punkt: NRW-Sportschulen sollen verstärkt mit den umliegenden Grundschulen kooperieren. Das wiederum habe ich gerne gelesen. Denn damit wäre – korrigieren Sie mich, wenn ich das fehlinterpretiert habe; ich hoffe aber, dass das nicht der Fall ist – der Unsinn, den Sie mit den NRW-Sportgrundschulen in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, endlich vom Tisch, und Sie hätten eingesehen, dass wir keine Kaderschmieden von Sechsjährigen brauchen, sondern vernünftige Bewegungsangebote, gerne vernetzt mit den NRW-Sportschulen, gerne vernetzt mit den Vereinen. Es geht da noch nicht wirklich um Leistungs- sportförderung, sondern um Bewegungsförderung. Ich hoffe, dass ich das richtig interpretiert habe und Sie sich damit von einer nicht wirklich zielführenden Idee verabschiedet haben.
Ferner sollen Sportschulen zu mehr Kooperationen mit Hochschuleinrichtungen ermuntert werden. Ich finde es schön, dass Sie ermuntern wollen. Viel Konkretes, was Sie wirklich um- setzen und machen wollen, steht dort aber nicht drin.
Das ist allerdings auch nur die Hälfte. Mir fehlt eine Linie, wohin Sie mit der Leistungssport- förderung im Nachwuchsbereich in diesem Land eigentlich wollen. Sie wollen Preise vergeben; schön. Sie wollen dieses und jenes prüfen und zu etwas ermuntern; schön. Mir fehlt jedoch eine sehr deutliche Stärkung der dualen Karriere. Mir fehlt auch eine deutliche Stär- kung der schulischen Ausbildung. Denn – Herr Kollege Terhaag, Sie haben darauf hingewiesen – nicht alle Talente kommen tatsächlich im Spitzensport an. Wir müssen aber sicherstellen, dass sie trotzdem im schulischen System integriert bleiben, dass sie dort integriert gefördert werden und dass nicht, wenn ihnen die eine Lebenswelt Sport wegbricht, dadurch auch die anderen Lebenswelten negativ beeinflusst werden. Auch dazu gibt es keinen Hinweis in diesem Antrag. Das ist mir zu kurz gesprungen.
Eine weitere Frage ist, was mit den Athletinnen und Athleten ist, die nicht zur Universität gehen. Beispielsweise in Baden-Württemberg gibt es die Initiative „Partnerbetrieb des Spitzensports“. Ich glaube, wir täten gut daran, uns auch hier einmal intensiver damit auseinanderzusetzen, wie Betriebe den Spitzensport unterstützen und fördern können und wie Athletinnen und Athleten eine duale Karriere aufbauen können, möglicherweise nach einer Ausbildung, aber auch im Bereich der Ausbildung.
Es gibt also einige Punkte, bei denen ich mir wünsche, dass, wenn man schon qualitativ weiterentwickeln will, wirklich qualitativ diskutiert wird. Ein paar Punkte habe ich angesprochen. Vielleicht kommen ja einige davon in der Evaluation, wenn sie komplett ist, auch noch vor. Dann können wir weiter darüber diskutieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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