Josefine Paul: „Leider haben Sie es so vermurkst, dass die Träger es nicht vernünftig abrufen konnten“

Zum Antrag der SPD zur Personalsituation in der frühkindlichen Bildung

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorgestern wurde ein Beitrag im Kölner Stadt-Anzeiger veröffentlicht, der mit der Überschrift betitelt war: Kitas leiden unter Mehrarbeit und Personalmangel.

Wenn ich Herrn Hafke und Herrn Kamieth so höre, kann das nur ein Einzelfall gewesen sein, ein herausgegriffenes Beispiel, das irgendwo in Nordrhein-Westfalen spielt.

Dem ist natürlich leider nicht so, denn in der aktuellen Kitaleitungsbefragung geben 60 % an, dass mehr als 20 % der Zeit so ausgestaltet werden müssen, dass die Aufsichtspflichten eigentlich kaum gewährleistet werden könnten.

82 % geben an, sie fühlten sich psychisch belastet, und nur 20 % – so viel übrigens zu Ihrer Regierungsbilanz – fühlen sich von Landes- und Bundespolitik wertgeschätzt. Also all die Wohltaten, die Sie hier rübergebracht, wiederholt haben, müssen irgendwie an der Kitalandschaft, zumindest an den Leitungen, vorbeigegangen sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Coronasituation hat das Brennglas auf die ohnehin belastete Situation, die wir haben, draufgehalten – der Ausfall von Beschäftigten, die hohe Arbeitsbelastung, die immer wieder wechselnden Situationen, auf die sich die Einrichtungen einstellen mussten; das alles hat einfach den Fachkräftemangel nur noch einmal deutlicher zutage treten lassen. Es hat auch gezeigt, das System läuft auf der Rille. Das ist doch die ehrliche Bilanz, die Schwarz-Gelb zu verantworten hat,

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

auch wenn Sie seit fünf Jahren nichts anderes tun, als immer und ständig in den Rückspiegel zu schauen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Hätten Sie mal nach vorne geschaut, wäre das für die Kitalandschaft in diesem Land etwas Gutes gewesen.

Dabei sind Kitas eigentlich ein attraktiver Arbeitsplatz. Nur hat es diese Landesregierung offensichtlich nicht geschafft, das den jungen Menschen auch glaubhaft zu vermitteln. Das ist schade. Denn 24 % der Befragten eines Forschungsberichtes vom Bundesfamilienministerium vom November 2020 haben gesagt, sie könnten sich gut oder sehr gut vorstellen, in der Kindertagesbetreuung zu arbeiten.

Diese Berufe werden von jungen Menschen durchaus als anspruchsvoll und als abwechslungsreich betrachtet. Problematisch wird es nur, wenn sie genauer hinschauen, wie die Arbeitsbedingungen sind. Denn dann fällt ihnen nämlich auf, dass die Entwicklungsmöglichkeiten leider nicht so gegeben sind, wie sich junge Menschen das vorstellen. Der Verdienst ist nicht so, wie junge Menschen sich das vorstellen, und die Arbeitsbedingungen, die Belastungen, mit denen das einhergeht, sind auch nicht so, dass man junge Menschen wirklich ernsthaft dazu bringen kann, diesen Beruf, obwohl sie es gerne tun würden, auch wirklich zu ergreifen.

Das ist schade, und daran hat die Politik dieser Landesregierung auch nicht substanziell etwas daran geändert, auch wenn Sie hier immer wieder mantraartig vortragen: Es waren fünf gelungene Jahre. – Die Zahlen sprechen eine deutlich andere Sprache.

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: 1,3 Milliarden Euro!)

– Ja, 1,3 Milliarden, Herr Minister, auch da bleibe ich dabei: Sie haben 1,3 Milliarden mehr, was übrigens gar nicht alles Landesgeld war, sondern kommunale Mittel, Landesmittel und Bundesmittel. Sie haben die oben ins System reingekippt in der vagen Hoffnung, unten möge Qualität rauskommen.

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Es waren zwei Jahre Pandemie! Dafür kann ich nichts!)

Die schlechte Nachricht ist: Nein, es ist nicht gelungen. Es ist keine Qualität rausgekommen, und schon gar nicht für die Beschäftigten, Herr Minister.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Das ist unverschämt!)

– Jetzt sagen Sie auch noch, es waren zwei Jahre Pandemie, und dafür konnten Sie nichts. Da können wir doch einmal genauer hingucken, was im Zuge der Pandemie auch Gutes durch die Landesregierung auf den Weg gebracht wurde. Zum einen …

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

– Freuen Sie sich nicht zu früh; das war leider wieder nur auf halber Strecke und nicht zu Ende gedacht. – Es war gut, dass die Mittel so den Einrichtungen weiter kontinuierlich zugutegekommen sind. Es war auch richtig, dass Sie das Alltagshelfer*innen-Programm auf den Weg gebracht haben, weil die Einrichtungen Unterstützung brauchten.

Aber was ist dann passiert? Sie haben mal wieder die Pandemie für beendet erklärt, damit auch gleich das Alltagshelfer*innen-Programm. Dann standen die ohnehin belasteten Einrichtungen, die immer noch vor den gleichen Herausforderungen standen, mit nichts da.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Dann haben wir Sie zum Jagen getragen, dann haben die Verbände Sie zum Jagen getragen. Sie haben das Programm wieder aufgelegt. Aber leider haben Sie es so vermurkst, dass die Träger es nicht vernünftig abrufen konnten. Das ist leider auch die Bilanz Ihrer Politik.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Auch die Personal- und Qualifizierungsoffensive – gute Idee. Ich hoffe, dass sie sich im Verlauf, in diesem Jahr und im nächsten Jahr, wirklich auch als das herausstellt, als was Sie sie geplant haben. Denn im letzten Jahr war es leider ein Rohrkrepierer, weil die Bedingungen so waren, dass diejenigen, die einmünden wollten, die Schulplätze und die Rahmenbedingungen nicht zusammengepasst haben, sodass dieser gute Ansatz leider auch ein Stück weit im Raum verpufft ist.

Was braucht es denn jetzt eigentlich? Wenn man auf den SPD-Antrag schaut, da gibt es viele Punkte, die dringend notwendig sind: die Verstetigung des Alltagshelfer*innen-Programms, aber auch endlich die Entlastung durch Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte, damit diejenigen, die sich um unsere Kleinsten kümmern, sich tatsächlich auf die pädagogischen Tätigkeiten fokussieren können und nicht den Alltag zu bewältigen haben, den die Kollegin so eindrucksvoll beschrieben hat.

Ja, wir müssen auch zur praxisintegrierten Ausbildung – übrigens, ich finde es ausdrücklich gut, dass dieser Zweig gestärkt worden ist – darüber sprechen, wie wir da die Ressourcen verbessern, damit die Einrichtungen das auch tatsächlich bewältigen können.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um einen großen Dank auszusprechen an all die Fachkräfte in den Kitas, an die Kindertagespflegepersonen für diese verantwortungsvolle Arbeit, auch unter schwersten und herausforderndsten Rahmenbedingungen. Das ist ein wichtiger Baustein für unsere Kleinsten, für gelingende Zukunft. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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