Josefine Paul: „Ihre Politik ist nicht dazu angetan, die strukturelle Benachteiligung von Frauen auszugleichen“

Antrag von CDU und FDP zum Landesbeamtengesetz

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anhörung, die wir in der letzten Woche hatten, war erfrischend sachlich. Die Debatten, die wir dazu in diesem Haus geführt haben, haben dieser Sachlichkeit nicht immer Rechnung getragen. Aber diese Debatte hat noch einmal sehr deutlich gemacht, weil auch alle Stellungnahmen in diese Richtung gegangen sind, wie wichtig Frauenförderung ist. Allein: Das scheint nicht bei den regierungstragenden Fraktionen angekommen zu sein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Vierte Bericht zur Umsetzung des LGG und die Stellungnahmen der Sachverständigen zeigen: Die Instrumente, die wir bisher hatten, haben nicht dazu beigetragen, dass wir wirklich den Anteil von Frauen in Führungspositionen auch und gerade im öffentlichen Dienst erhöhen konnten.
Vor diesem Hintergrund hat die alte Landesregierung die im Moment noch gültige Quotenregelung eingeführt. Einen Hauptstreitpunkt dabei hat Herr Witzel jetzt wieder aufgegriffen, weil er irgendwie nicht darüber hinwegkommt.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Ein Hauptstreitpunkt ist nämlich die Formulierung „im Wesentlichen gleiche Eignung“ gewesen. Die Ableitung der CDU-Fraktion und vor allem der FDP-Fraktion und des Kollegen Witzel ist ja, dass schlechtere Frauen besseren Männern vorgezogen werden.
(Ralf Witzel [FDP]: Das ist gar nicht richtig!)
Diese Meinung haben Sie offensichtlich relativ exklusiv. Danach gehen Sie ja davon aus – und das ist doch absurd –, dass …
(Zurufe von Ralf Witzel [FDP])
– Herr Witzel, hören Sie jetzt bitte auch einmal zu. Es zeigt sich doch, dass Sie offensichtlich nicht ganz so viele sachliche Argumente vortragen konnten. Dann hätten Sie sie hier vorne ja schon vortragen können und begründen können, warum Sie der Auffassung sind, dass Frauen im öffentlichen Dienst durchschnittlich schlechter sind als Männer.
(Ralf Witzel [FDP]: Unsinn!)
Denn wenn Frauen aus Ihrer Sicht genauso qualifiziert wären, hätten wir das Problem ja gar nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ihre Politik ist nicht dazu angetan, die strukturelle Benachteiligung von Frauen auszugleichen.
Der Deutsche Juristinnenbund hat in seiner Stellungnahme in Bezug auf die Frage von „im Wesentlichen gleicher Eignung“ noch einmal sehr eindrücklich darauf hingewiesen, dass Beurteilungen ja gar nichts anderes ausdrücken können als eine im Wesentlichen gleiche Eignung; denn es sind nun einmal Beurteilungen. Das ist auch richtig so. Es geht nicht um eine Mathematisierbarkeit von Vorgängen, die man irgendwie abgearbeitet und aufgestapelt hat, sondern um die Bewertung von Leistung; und Leistung kann nie komplett gleich sein, sondern immer nur im Wesentlichen gleich.
Herr Prof. Papier hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass es eben diese Ausschärfung ist – diese Pseudo-Mathematisierbarkeit, also der Versuch, etwas bis auf die letzte Nachkommastelle mathematisierbar zu machen, was eigentlich nicht mathematisierbar ist –, die die jetzt wieder angestrebte Quotenregelung unterläuft.
Deswegen – und das haben die Berichte alle dargelegt – hat die vorherige Quotenregelung eben nicht gegriffen. Genauso wird es auch bei der von Ihnen jetzt wieder angestrebten Quotenregelung sein. Das heißt: Das, was Sie hier machen wollen, ist schlicht und ergreifend das Schleifen der Frauenförderung – und nichts anderes.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber wir haben diese Argumente ja schon vielfach ausgetauscht und werden da jetzt auch nicht mehr zusammenkommen.
Eine Sache ärgert mich allerdings besonders – das haben Sie hier auch wieder gebetsmühlenartig vorgetragen, obwohl es nicht richtiger wird, wenn man es gebetsmühlenartig vorträgt –: Sie von FDP und CDU begründen auch Ihren Gesetzentwurf mit einer von Ihnen angenommenen Verfassungswidrigkeit. Daraus leiten Sie dann noch eine zwingende Erforderlichkeit ab.
(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])
– Herr Lürbke, hören Sie zu; dann können Sie noch etwas zum Thema „Verfassungsrecht“ lernen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von Marc Lürbke [FDP] und Ralf Witzel [FDP])
Denn die einzigen Instanzen, die eine Verfassungswidrigkeit feststellen können, sind weder Herr Witzel noch Sie noch die CDU-Fraktion noch das OVG Münster, sondern nur der Verfassungsgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht. Die Möglichkeit, dass diese Instanzen entscheiden können, haben Sie ihnen jetzt aber leider verbaut, weil Sie die Klage zurückgezogen haben – ich glaube, weil Sie Angst vor der Entscheidung haben.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Sie können doch politisch anderer Meinung sein als ich. Sie können doch politisch der Meinung sein, dass Frauenförderung in dieser Form nicht richtig ist. Aber dann schreiben Sie das auch hinein. Seien Sie so ehrlich und sagen: Frauenförderung ist uns nicht so wichtig. – Tun Sie nicht so, als wäre diese Verfassungswidrigkeit mehr als von Ihnen relativ behauptet.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU: Sie haben es vergeigt!)
Dann sagen Sie im Gesetzentwurf und im Entschließungsantrag noch ein paar wolkige Worte dazu, dass Sie auch irgendetwas zur Frauenförderung machen wollen. Man hat Ihnen jetzt schon attestiert, dass dieser Gesetzentwurf leider in keiner Art und Weise dazu beiträgt, Frauen zu fördern. Denn Sie legen ja gar nichts vor. Sie sagen nur, dass Sie zu einer alten Regelung zurückkehren wollen,
(Ralf Witzel [FDP]: Die der Verfassung entspricht!)
der attestiert ist, dass sie unwirksam ist. Dann können Sie doch nicht in Ihren Schaufensterreden sagen, dass Frauenförderung Ihnen in irgendeiner Art und Weise wichtig sei. Bekennen Sie sich dazu, dass Sie keine Frauenförderung in diesem Land haben wollen.
Wir wollen Ihnen aber natürlich die Chance geben und sind sehr gespannt darauf, welche Maßnahmen Sie nun wirklich einführen wollen und wie wirksam diese Instrumente dann sind. Wir werden Sie daran messen.
(Ralf Witzel [FDP]: Das ist absurd!)
– Absurd ist das, was Sie hier in Teilen wieder vorgetragen haben, Herr Kollege. Wie gesagt, werden wir an dieser Stelle aber mit Sicherheit nicht mehr zusammenkommen.
Präsident André Kuper: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Optendrenk?
Josefine Paul (GRÜNE): Ja, natürlich.
Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Frau Kollegin, da Sie das in ähnlicher Form auch schon vor der Sommerpause und in der Anhörung vorgetragen haben, wüsste ich gerne, ob Sie zwischenzeitlich die Gelegenheit hatten, unseren Entschließungsantrag zur Kenntnis zu nehmen, in dem die aus Ihrer Sicht noch offene Frage beantwortet worden ist, wie es denn weitergehen soll. Es soll mitnichten dabei bleiben, dass wir einfach nur den alten Status quo wiederherstellen. Vielmehr erwarten wir genau das, was ich eben schon angekündigt habe, zeitnah von der Landesregierung: dass sie im Dialog eine rechtskräftige und bestandskräftige Zukunftslösung findet. Vielleicht können Sie darauf noch kurz eingehen.
Josefine Paul (GRÜNE): Gerne. Sie schreiben in Ihrem Entschließungsantrag, dass Sie ein „rechtssicheres, umfassendes und ausgereiftes Konzept für eine moderne, sachgerechte Frauen- und Familienförderung“ erstellen wollen. Aus meiner Sicht ist das eine wolkige Ankündigung, aber kein Beitrag zur Frauenförderung.
Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass dieser Gesetzentwurf mit heißer Nadel gestrickt ist. Das zeigt sich auch in Ihrem niedlichen kleinen Änderungsantrag, den Sie gezwungen waren einzureichen. Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, diese Konzepte schon einmal weiter zu erdenken. Vielmehr sagen Sie: Irgendwer wird irgendwann irgendwie schon irgendwelche Konzepte auf den Tisch legen.
Denn in Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf gibt es ja einen Copy-and-paste-Fehler. Dort ist noch von BAT die Rede, obwohl wir schon längst TVöD und TV-L haben. Mit Ihrem Änderungsantrag zum Gesetzentwurf korrigieren Sie das jetzt. Wir werden uns dazu enthalten, weil es schlicht ein Copy-and-paste-Fehler ist. Aber das zeigt doch, dass Sie mit der heißen Nadel unterwegs gewesen sind. Sie haben Ihrer männlichen Klientel ein Wahlversprechen gemacht und gesagt: Wir schleifen die Frauenförderung.
(Zurufe von der CDU: Ah!)
Das lösen Sie jetzt ein.
Wir sind gespannt, ob noch mehr kommen wird. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

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