Josefine Paul: „Ich glaube, Frauen haben ein Recht auf Selbstbestimmung und ein Recht auf Information.“

Antrag der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN zum Paragraf 219a: Ärzt*innen entkriminalisieren

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Fall der Ärztin Kristina Hänel ging durch alle Medien. Eine Petition hatte innerhalb weniger Tage über 100.000 Unterschriften gesammelt. Landauf und landab befassten sich Landtage mit einem Thema, das jetzt auch hier auf der Tagesordnung steht.
Worum geht es? –Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nach der sogenannten Fristenlösung in den ersten zwölf Wochen straffrei. Das gilt natürlich auch für die Ärztinnen und Ärzte, die einen solchen Eingriff vornehmen. Darüber hinaus sind die Länder nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz verpflichtet, nicht nur ausreichend Beratungsstellen für die Schwangerschaftskonfliktberatung vorzuhalten, sondern gemäß § 13 Abs. 2 auch zur Vorhaltung eines ausreichenden Angebotes ambulanter und stationärer Einrichtungen, die eben solche Abtreibungen vornehmen.
Allerdings ist die Information darüber, welche Ärztinnen und Ärzte einen solchen Eingriff vor-nehmen, nach § 219a des Strafgesetzbuches leider als „Werbung“ verboten. Dabei geht es nicht um Werbung –das ist immer wieder auch von Ärztinnen und Ärzten betont worden –, es geht nicht ums Anpreisen einer Dienstleistung, quasi mit Rabattkärtchen, sondern es geht um elementare Informationsrechte und um Selbstbestimmung. Dieser Paragraf beschneidet das Recht auf freie Arztwahl, und er kriminalisiert diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die Frauen in einer Notlage helfen und unterstützen. Das ist unzeitgemäß. Da ist dringend Handlungsbedarf geboten.
Was für ein Frauenbild steht denn eigentlich hinter diesem sogenannten Werbeverbot? Glaubt denn jemand ernsthaft, dass Frauen einen derartigen, oftmals auch belastenden Eingriff ein-ach aus Spaß vornehmen lassen?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Und glaubt irgendjemand ernsthaft, dass Frauen mit einer solchen Information vielleicht nicht umgehen, nicht eine selbstbestimmte Entscheidung treffen können und dementsprechend vom Staat vor sogenannter Werbung geschützt werden müssen?
Ich glaube das nicht. Ich glaube, Frauen haben ein Recht auf Selbstbestimmung und ein Recht auf Information.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
§ 219a Strafgesetzbuch ist unzeitgemäß und unverhältnismäßig; denn bereits die Standesordnung der Ärztinnen und Ärzte verbietet das Anpreisen von Dienstleistungen. Es geht hier nicht um das Anpreisen, es geht eindeutig um Information. Dementsprechend ist es unverhältnismäßig, dass der Staat das scharfe Schwert des Strafgesetzbuches zieht, um Ärztinnen und Ärzte zu kriminalisieren.
Es widerspricht im Grunde genommen auch dem Gedanken des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Denn es macht doch keinen Sinn, die Länder zu verpflichten, ambulante und stationäre Möglichkeiten für einen Abbruch und eine Beratungslandschaft vorzuhalten, aber die Information darüber unter Strafe zu stellen. Das ist widersinnig, und das gehört geändert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das sieht im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht so. 2006 hat es konsequenter-weise geurteilt, es müsse Ärztinnen und Ärzten ohne negative Folgen möglich sein, auf diese Dienstleistung hinzuweisen. Das heißt, der Gesetzgeber ist nun endlich gefordert, diesem Urteil, diesem rechtlich ausgeurteilten Tatbestand Folge zu leisten, dass Frauen ein Recht darauf haben, informiert zu werden.
Auch der Präsident der Bundesärztekammer Montgomery erklärte, dass Frauen nicht nur ein Recht darauf haben, in Notlagen zu erfahren, welche Ärztinnen und Ärzte ihnen helfen kön-nen, sondern dass vor allem Ärztinnen und Ärzte für die Information auch nicht rechtlich be-langt werden dürfen.

Es gilt also, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zu stärken, und es gilt, Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen. Schließen wir uns doch den Ländern Berlin, Brandenburg, Hamburg, Bremen und Thüringen an, die einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eing-bracht haben, und machen wir Schluss mit diesem Relikt aus dunklen Zeiten.
Denn das gehört auch dazu: Dieses Gesetz ist zuallererst 1933 im Reichsstrafgesetzbuch eingeführt worden.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Es ist Zeit, damit aufzuräumen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Runde 2:
Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es im Interesse von Frauen, die oftmals in höchster Not sind, sehr bedauerlich, dass mir und meiner Fraktionhier in mehrfacher Weise unterstellt worden ist, wir würden andere Ziele verfolgen, ohne dass diese Ziele konkreter genannt worden wären.
Worum es doch geht, ist, dass Frauen in einer solchen Notsituation, in einer solchen auch emotionalen Notlage Unterstützung und Information finden. Diese werden natürlich von den Konfliktberatungsstellen vermittelt, die wir in diesem Land haben.
Es sind aber auch die Ärz-tinnen und Ärzte, an die sich Frauen vertrauensvoll wenden können müssen. Das ist bislang in dieser Art und Weise nicht möglich.Ich finde es sehr bedauerlich, dass diese Debatte in diesem Hohen Haus so entgleist ist. Denn im
Sinne der betroffenen Frauen ist das wirklich keine gute Nachricht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Minister Biesenbach, die von Ihnen angesprochene Rechtsunsicherheit besteht doch. Ich habe doch das Zitat aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebracht.
Ich habe doch darauf hingewiesen, dass sich auch der Präsident der Bundesärztekammer, Herr Montgomery, wünscht, dass diese Rechtsunsicherheit für die Ärztinnen und Ärzte ein Ende hat, und dass die Frauen ein Recht haben, in einer Notlage qualifizierte Hilfe und Beratung zu bekommen. Schade, dass diese Diskussion hier nicht im Sinne der Frauen geführtwerden konnte!
(Beifall von den GRÜNEN –Vereinzelt Beifall von der SPD)