Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach einer Umfrage des forsa-Instituts im Auftrag der Landesanstalt für Medien haben 94 % der Befragten zwischen 14 und 24 Jahren angegeben, Hassrede bereits persönlich im Netz wahrgenommen zu haben. Das bedeutet nicht automatisch, dass sie auch Opfer geworden sind, aber es zeigt, glaube ich, sehr eindrücklich, welches Ausmaß Hass und Hetzte mittlerweile im Netz, in den sozialen Medien, auf unterschiedlichen Onlineplattformen angenommen haben.
Uns allen muss klar sein: Hass und Hetze im Netz sind keine Bagatelle. Sie sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, denn sie sollen ein Klima von Angst, von Unterdrückung bestimmter Meinungen, von Rausdrängen bestimmter Gruppen erzeugen. Das können und das dürfen wir so nicht zulassen.
Denn – das ist wichtig – ein mittlerweile nicht unerheblicher Teil des Diskurses und von Debatten findet heute in sozialen Netzwerken statt, über Blogs, über die unterschiedlichsten Medien, die natürlich – und das ist ein wichtiger Punkt – auch von Frauen und Mädchen genutzt werden. Das ist übrigens unter Umständen ein Bereich, in dem Mädchen oder Frauen einen eigenen Raum für eigene Debattenbeiträge kreieren können – allerdings nur, wenn sie sich sicher sein können, dass wir eine inklusive und demokratisch funktionierende, gut aufgestellte Debattenkultur auch im Netz haben.
Das Internet ist ganz sicher kein rechtsfreier Raum. Aber es ist leider auch kein gewaltfreier Raum. Wir müssen dafür sorgen, dass es kein schutzloser Raum ist. Gerade Frauen sehen sich im Netz vielfach Gewalt ausgesetzt. Frauenfeindlichkeit findet in vielen Foren und sozialen Netzwerken leider einen sehr fruchtbaren Nährboden. Viele von uns können da sicherlich aus eigenen Erfahrungen berichten.
Persönliche Angriffe auch und gerade im Netz sind dabei eine sehr bewusst eingesetzte Strategie, um Frauen einzuschüchtern, zu versuchen, sie politisch mit dem, was sie sagen, mundtot zu machen, und die Arbeit von Frauenverbänden systematisch zu diskreditieren.
Eine Studie der Amadeu Antonio Stiftung im Auftrag des Deutschen Frauenrats hat das noch einmal deutlich aufgearbeitet und festgestellt, dass mit Angriffen auf die Gleichstellungspolitik und dabei engagierten Verbänden die Grenzen des Sagbaren verschoben werden sollen. Das ist eine völlig unakzeptable Alltäglichkeit, die dort leider zutage tritt. Ich glaube, es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Zivilgesellschaft hier einen Raum für eine offene Debattenkultur findet.
Antifeminismus, online und offline, ist eine reale Gefahr für unsere Demokratie. Hate Speech, Gewalt, Vergewaltigungsandrohungen und all das, was noch an Hass, an Häme, an Androhungen usw. im Netz über Frauen ausgeschüttet wird, ist auch eine reale Gefahr für Frauen.
Frauen und Mädchen sehen sich im Netz geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Kollegin Butschkau hat die einzelnen Phänomene schon ausgeführt, die sexuelle Belästigung, Bodyshaming, Sexting, Cybergrooming und diverse andere Beispiele, die es leider in der traurigen Alltäglichkeit des Netzes gibt.
Wir brauchen mehr Sensibilisierung für Cybergewalt als geschlechtsspezifische Gewalt, aber auch als Thema des Kinderschutzes. Kollegin Schneider hat gerade schon ein paar Punkte angerissen, was bei schulischer Medienbildung etc. zu tun ist. Ich glaube, dass da noch Luft nach oben ist.
Wir müssen schauen, dass die Konzepte, die bestehen, die auch erarbeitet und weiterentwickelt werden sollen, genau diese Bereiche noch mehr in den Blick nehmen, noch sensibler den Blick darauf richten, dass geschlechtsspezifische Gewalt, aber auch die Frage des Kinderschutzes in den Onlinemedien noch mehr Gewicht bekommen müssen.
(Beifall von Anja Butschkau [SPD])
Gewaltschutz muss auch im digitalen Raum funktionieren. Gewaltschutz muss auch im digitalen Raum konsequent umgesetzt werden. Das gilt im Übrigen genauso für die Gamesbranche. Wenn man sich mal anschaut, welche Erfahrungen Frauen da machen, wird einem auch ganz anders.
Hier gilt es, das Dunkelfeld aufzuhellen und die Anzeigebereitschaft zu erhöhen, damit klar ist: Nein, es gibt keinen Freiraum für Hass und Hetze, für Sexismus, für Gewaltandrohungen. Wir stärken Frauen und Mädchen den Rücken und sorgen dafür, dass ihre Rechte online wie offline geschützt sind.
(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])
Das bedeutet, dass digitale Gewalt noch mehr Aufnahme in Präventionskonzepte, auch in Unterstützungsmaßnahmen finden muss, dass dem noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, zum Beispiel in der Weiterentwicklung des LAP, aber auch in den zu erarbeitenden Konzepten des Kinderschutzes. Darüber werden wir uns sicherlich weiter intensiv austauschen. Das finde ich sehr wichtig.
Ich bin den Kolleginnen der SPD-Fraktion dankbar, dass sie darauf noch einmal ein Spotlight gerichtet haben, und freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)