Josefine Paul: „Gewaltschutz muss wirksam durchgesetzt werden“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass nicht alle das so wichtige Thema „Umsetzung der Istanbul-Konvention und konsequentes Eintreten gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ zum Anlass genommen hätten, zum vielleicht auch wohlverdienten Mittagessen zu gehen. Dass sich aber bei CDU und FDP die Reihen so sehr lichten, finde ich schon sehr schade. Das nur als Vorbemerkung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe und Lachen von der CDU)
– Ich gehöre ja nicht der SPD-Fraktion an. Auch finde ich es schade, dass Sie darüber so höhnisch lachen. Es geht hier um ein sehr ernstes Thema, um Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Sie wollen sich offensichtlich nur darüber lustig machen, anstatt ernsthaft darüber zu diskutieren. Das finde ich schade.
Nun komme ich zu dem, was ich eigentlich sagen wollte. Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Leider erleben Frauen und Mädchen geschlechtsbezogene Gewalt nach wie vor als ein leider alltägliches Phänomen. Gewalt – das muss man so deutlich sagen – schränkt Frauen und Mädchen nicht nur in ihrem Recht auf Gleichberechtigung und freie Entfaltung ein, laut WHO ist Gewalt eines der größten Gesundheitsrisiken von Frauen weltweit.
Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hat in einer europa-weiten Erhebung aus dem Jahre 2014 ermittelt, dass jede dritte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt geworden ist. Dazu kommen noch die Erfahrungen alltäglichen Sexismus und sexueller Belästigung in unterschiedlichen Formen, von denen eine große Mehrheit der Frauen leider zu berichten weiß.
Ausweislich der polizeilichen Kriminalstatistik wurden 2016 sogar 165 Frauen von ehemaligen oder derzeitigen Beziehungspartnern getötet. Hinzu kommen 208 Fälle von versuchtem Mord oder Totschlag. Geschlechtsspezifische Gewalt ist allerdings ein Deliktfeld, welches sich häufig im sogenannten Dunkelfeld bewegt. Das heißt, viele Taten kommen überhaupt nicht zur Anzeige. Das betrifft auf der einen Seite die gerade erwähnte Partnerschaftsgewalt, aber auch ganz generell geschlechtsspezifische Gewaltdelikte.
Laut einer Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes Niedersachsen für das Jahr 2017 lag die Anzeigequote im Bereich der Sexualdelikte bei gerade einmal 6,2 %. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie liegen aber leider nicht zuletzt in der nicht ganz unbegründeten Angst vieler Opfer, von Strafverfolgungsbehörden vielleicht nicht ernst genommen zu werden. Denn leider sind Vergewaltigungsmythen und auch „victim blaming“ noch immer Realität, was deutlich aufzeigt, dass weitere Fortbildung und Sensibilisierung für Strafverfolgungsbehörden bzw. Justiz dringend geboten sind. Darüber hinaus sollte auch NRW endlich eine Dunkelfeldstudie mit dem Schwerpunkt „Sexualdelikt“ erstellen.
Opfer sexualisierter Gewalt sind schwer traumatisiert. Sie brauchen Unterstützung. Diese brauchen sie in Form von Beratungsangeboten. Sie brauchen aber auch die Möglichkeit, Spuren anonym sichern zu lassen, um noch eine spätere Anzeige ermöglichen zu können.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine gesamtgesellschaftliche und gesamtpolitische Verantwortung. Daher verabschiedete der Europarat im Mai 2011 das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Es wurde wegen des Verabschiedungsortes kurz „Istanbul-Konvention“ genannt.
Diese Istanbul-Konvention fordert die Unterzeichnerstaaten auf, umfassende Konzepte vorzulegen. In NRW haben wir bereits eine gute Grundlage für ein solch umfassendes Konzept, und zwar den Landesaktionsplan „NRW schützt Frauen und Mädchen vor Gewalt“, initiiert durch das frühere Emanzipationsministeriums.
Darüber hinaus hat NRW bereits eine breit und professionell aufgestellte Frauenhilfeinfrastruktur. Und trotzdem zeigen sich auch heute noch eindeutige Handlungsbedarfe, an denen wir konsequent gemeinsam weiterarbeiten müssen.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Bund, Länder und Kommunen sind gemeinsam in der Pflicht, einer auskömmliche Finanzierung der Frauenhäuser sicherzustellen. Das jahrzehntelange Finanzierungshickhack zwischen Bund, Ländern und Kommunen über die auskömmliche Finanzierung und über den auskömmlichen Ausbau von Plätzen darf nicht länger auf dem Rücken der betroffenen Frauen und ihrer Kinder ausgetragen werden.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Zuständigkeit der Frauenhilfeinfrastruktur für alle Frauen. Das heißt, die Finanzierungssystematik der Frauenhilfeinfrastruktur darf nicht länger Gruppen ausschließen, sondern muss allen Frauen einen kostenfreien Zugang ermöglichen. Darüber hinaus muss die Frauenhilfeinfrastruktur, um diesen Anspruch, allen Frauen einen Zugang zu ermöglichen, einlösen zu können, barrierefrei ausgebaut werden. Insbesondere Frauen in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Frauen in Landesunterkünften müssen in den Blick genommen werden. Sie sind besonders vulnerable Gruppen. Gewaltschutz muss auch hier wirksam durchgesetzt und ihnen niedrigschwellig zugänglich gemacht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Istanbul-Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zu umfassenden Koordinierungs- und Monitoringprozessen. Neben der Erhebung von Daten geht es auch um die Evaluation bestehender Maßnahmen. Ziel ist eine fortlaufende Überprüfung und Weiterentwicklung dieser Maßnahmen. Deshalb halte ich es für geboten, auch in Nordrhein-Westfalen eine solche Monitoringstelle, wie sie die Istanbul-Konvention vorschreibt und wie es auch möglich ist, einzurichten. In diesem Sinne fordere ich CDU und FDP auf, die vereinbarte Koordinierungsstelle – Sie haben ja in Ihrem Koalitionsvertrag die Einrichtung einer Koordinierungsstelle vereinbart – zu einer solchen Monitoringstelle weiter- zuentwickeln und die gemeinsamen Anstrengungen zu verstärken, Frauen und Mädchen konsequent vor Gewalt zu schützen und so die Istanbul-Konvention umzusetzen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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