Josefine Paul: „Genau dort, wo sie sich sicher fühlen, lauern auch Gefahren“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu sexualisierter Gewalt im Sport

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kinderschutz ist richtigerweise zu einem sehr zentralen Thema in diesem Haus geworden. Wir haben erst heute miteinander den Zwischenbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses IV beraten und debattiert. Die rund 4.000 Seiten machen deutlich, wie intensiv in diesem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss untersucht wurde, und es gibt die Verabredung über seine Fortsetzung.

Darüber hinaus hat auch die Kinderschutzkommission ihren Jahresbericht mit zahlreichen Handlungsempfehlungen nach ebenso intensiven Beratungen und intensiven Anhörungsprozessen vorgelegt, im Übrigen auch unter Beteiligung des Landessportbundes.

Nicht zuletzt sind wir im Moment noch in den Beratungen zu einem Landeskinderschutzgesetz, das – und auch darüber sind wir uns hier im Haus einig – ein erster Schritt sein soll, um den Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen weiter zu verbessern und vor allem auch zu verlässlichen Standards und verlässlichen Netzwerkstrukturen zu kommen.

Richtigerweise wird in diesem Antrag bemerkt, dass Kinder und Jugendliche zumeist in ihrem sozialen Nahfeld Opfer von Gewalt, von sexualisierter Gewalt und von Grenzverletzungen werden. Genau dort, wo sie sich also sicher fühlen und sich sicher fühlen können müssen, lauern aber eben auch Gefahren.

Die Kollegen haben schon darauf hingewiesen: Leider haben Sie es aber vorgezogen, diesen Antrag inhaltlich überhaupt nicht mit uns in den zuständigen Ausschüssen zu beraten, sondern nur hier eine im Grunde genommen sehr plakative Veranstaltung daraus zu machen. Das wird der Wichtigkeit dieses Themas an der Stelle nicht gerecht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Andreas Keith [AfD]: Das ist Quatsch!)

Es wurde schon auf die Zwischenergebnisse von Studien wie „SicherImSport“ hingewiesen. Im Sportausschuss wurde uns das auch bereits zu Gewalt, Grenzüberschreitungserfahrungen und Erfahrungen sexualisierter Gewalt im Breitensport als Ergänzungsstudie zu der Studie „Safe Sport“ vorgestellt, die sich mit dem Bereich der Kaderathletinnen und -athleten befasst hat. Dabei wurde sehr deutlich, dass ein Viertel der Befragten mindestens einmal sexualisierte Grenzverletzungen und 19 % gar Belästigungen mit Körperkontakt erlebt hat. 64 % antworteten sogar, emotionale Verletzungen oder Gewalt erfahren zu haben.

Ich finde, dass Ihr Antrag an dieser Stelle leider zu kurz greift. Einerseits ist es natürlich ein ganz wichtiges und zentrales Thema. Andererseits geht aber eben darum, die Frage des Kinderschutzes und der Kindergerechte ganzheitlich zu betrachten.

Ehrlich gesagt ist mir in Ihrem Antrag als sehr schlecht aufgefallen, dass darin von Kinderrechten und davon, wie man Schutz und Schutzkonzepte gemeinsam mit Kindern – denn nur so geht es ja – entwickeln kann, überhaupt nichts zu lesen ist. Aus meiner Sicht ist die Frage der Erarbeitung von Schutzkonzepten jedoch nur unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sinnvoll möglich, damit wir überhaupt verstehen können, an welchen Stellen es zu Grenzverletzungen kommt und welche Notwendigkeiten es aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen gibt, um so noch einmal einen Scheinwerfer auch auf dieses Dunkelfeld zu richten. Davon steht aber nichts in Ihrem Antrag.

Was Sie in Ihrem Antrag beschreiben, ist auch schon längst auf einem Weg. In der letzten Sportausschusssitzung haben wir darüber gesprochen, dass es die erste Anlaufstelle bereits gibt. Aus den Erkenntnissen dieser Anlaufstelle und den Erkenntnissen des verabredeten Zentrums für Safe Sport sowie aus den Abschlussergebnissen der Studie und der Erfahrungen aus dem Projekt des LSB „Schweigen schützt die Falschen“ werden wir wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung im Land Nordrhein-Westfalen ableiten können. Das zusammen wird zu einem ganzheitlichen und nachhaltigen Konzept, und dafür hätte es diesen Antrag nicht gebraucht.

Die Diskussion um die Frage des Kinderschutzes wird in diesem Parlament immer wieder geführt, und diese Diskussion wird in den Gremien und völlig unabhängig von diesem Antrag weitergehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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