Josefine Paul: „Geben Sie endlich Ihre Blockadehaltung auf, und lassen Sie junge Menschen mitbestimmen“

Antrag der SPD-Fraktion Zum "Wahlalter 16"

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat diskutieren wir die Frage des Wahlalters in diesem Haus fast in regelmäßigen Abständen. Wir haben das in der letzten Legislaturperiode im Rahmen der Verfassungskommission getan, wir haben das Anfang dieses Jahres bei der Vorlage des Gesetzentwurfs durch die SPD getan, und wir tun das heute erneut, weil das Thema wieder einen gewissen öffentlichen Drive bekommen hat, nicht zuletzt wegen des Parteitagsbeschlusses der FDP, aber eben auch aufgrund anderer gesellschaftlicher Debatten.
Ganz ehrlich, Herr Schick, wenn sich die CDU ein bisschen mehr mit den Inhalten auseinandersetzen würde und Sie sich in Ihrem Diskussionsbeitrag gerade ein bisschen mehr mit den Inhalten auseinandergesetzt hätten und sich weniger an der SPD abgearbeitet hätten,
(Sven Wolf [SPD]: Oder an Energydrinks!)
dann wäre auch irgendwie etwas für die Debatte gewonnen gewesen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vor 50 Jahren – und das ist auch eins der Kernargumente: was bei den Vorschlägen zum Wahlalter 16 immer alles auseinanderfällt – trat die letzte Wahlalterabsenkung im Grundgesetz in Kraft, und auch damals fielen Wahlalter und Volljährigkeit für eine bestimmte Zeit tatsächlich auseinander. Im Übrigen fielen da auch das aktive und das passive Wahlrecht auseinander. Das zeigt so ein bisschen, dass diese Argumente nicht so richtig Hand und Fuß haben. Wir haben ja mittlerweile landesrechtliche Regelungen der unterschiedlichen Bundesländer, die auch auseinanderfallen. Ich würde jetzt einmal ganz mutig die These in den Raum stellen, das die „Reife“ von Jugendlichen in Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein nicht größer ist als in Nordrhein-Westfalen, nur dass die Jugendlichen da bereits wählen dürfen und hier nicht.
Schaut man sich einmal die Erfahrungen dieser Länder an, so wird deutlich, dass die Wahlbeteiligung beispielsweise bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen in dieser Altersgruppe durchaus über dem Durchschnitt liegt.
Das zeigt für mich zweierlei Dinge: zum einen ihr hohes Interesse gerade an landespolitischen Themen, weil diese Themen sie originär betreffen – beispielsweise Schulpolitik und Jugendpolitik, aber auch Politikfelder wie Verkehrs- und Mobilitätspolitik etc., also all die Dinge, an denen Jugendliche ein sehr originäres Interesse haben –, und zum anderen, dass sie ein hohes Verantwortungsgefühl für dieses elementare demokratische Grundrecht haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Freimuth hat gerade auf die Ausschlüsse und die Frage von Mündigkeit etc. hingewiesen. Ich habe das in der letzten Debatte schon gesagt; aber offensichtlich muss man es immer wieder sagen: Im Wahlrecht müssen die Wahlrechtsausschlüsse begründet werden – und nicht andersherum.
(Beifall von den GRÜNEN und Prof. Dr. Rainer Bovermann [SPD])
Sie müssen begründen, warum manche Menschen nicht wählen dürfen – und nicht andersherum. Das ist auch in der Anhörung zum Gesetzentwurf deutlich geworden.
Dementsprechend ist es ein hanebüchenes Argument – das ist auch schon vielfach zurückgewiesen worden –, dass junge Menschen ihre Mündigkeit und dergleichen begründen müssten. Das ist im Wahlrecht nicht vorgesehen.
Sie müssen das Wahlalter erreicht haben, sie müssen die Staatsangehörigkeit haben, und sie müssen hier leben. Das sind die einzigen drei Bedingungen. Es gibt keine Gesinnungstests, es gibt keine Intelligenztests, und es gibt keine Wissensprüfung. Das ist auch genau richtig so.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Sehr geehrte Damen und Herren, die Argumente sind hinlänglich ausgetauscht. Allerdings müssen wir feststellen, dass wir trotzdem immer noch nicht auf einen grünen Zweig oder auf einen gemeinsamen Nenner gekommen sind, was ich sehr schade finde.
Denn im Grunde genommen geht es doch um die Frage von Generationengerechtigkeit, um die Stärkung unserer Demokratie und um die Umsetzung tatsächlicher politischer Teilhabe.
Wenn Sie mich fragen: Ich sehe bei den Argumenten, die eigentlich nur noch die CDU im demokratischen Spektrum vorträgt, kein Argument, das ernsthaft gegen eine Absenkung des Wahlalters sprechen würde.
(Beifall von den GRÜNEN)
Weil die CDU trotzdem weiterhin dagegenspricht, wird es allerdings recht einsam um sie. Das hat Gründe.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Offensichtlich ist Ihr politisches Gesellschaftsbild, das Sie weiterhin verfolgen und an dem Sie festhalten, eines, das nicht mehr ganz der Realität entspricht. Das können Sie jeden Freitag auf den Straßen und den Plätzen überall in Deutschland und auf der Welt sehen. Junge Menschen fühlen sich in ihren Interessen nicht gesehen. Sie fühlen sich nicht wahrgenommen. Sie fühlen sich nicht ernst genommen. Und was machen sie dann? Sie gehen auf die Straße, um laut und deutlich zu sagen, was ihre Interessen sind.
Das ist übrigens in einer Demokratie ein hohes Gut. Es ist ihr gutes Recht, dass sie das tun. Das sollen sie auch weiterhin tun, auch wenn sie endlich das Wahlrecht bekommen.
Aber es zeigt doch, dass unser politisches System an diesen Stellen angepasst werden muss. Wir müssen es weiterentwickeln, weil es eben nicht mehr den derzeitigen Realitäten und dem gesellschaftlichen Bedarf und Bedürfnis nach Partizipation gerecht wird.
Ich will noch kurz aus dem FDP-Parteitagsbeschluss zitieren, weil ich ihn, was das angeht, wirklich gut finde. Darin steht nämlich:
„Die Ausweitung des Wahlrechts war stets Zeichen des gesellschaftlichen Fortschritts. Dafür stehen die Durchsetzung des Frauenwahlrechts, die Beseitigung von rassistischer Diskriminierung etwa im Wahlrecht der USA sowie in jüngster Zeit die vom Bundesverfassungsgericht verfügte Aufhebung des pauschalen Ausschlusses behinderter Menschen, die in allen Angelegenheiten unter Betreuung stehen.“
Wenn wir uns das einmal zum Vorbild nehmen, dann würde ich im Anschluss daran sagen: Lassen Sie uns doch gemeinsam diesen gesellschaftlichen Fortschritt weiter vorantreiben. Geben Sie endlich Ihre Blockadehaltung auf, und lassen Sie junge Menschen mitbestimmen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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