Josefine Paul: „Frauen sind doch nicht die Schwächsten der Gesellschaft!“

Gesetzentwurf der Landesregierung: Landeshaushalt 2018 - Einzelplan Gleichstellung

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Troles, ich war gerade ein bisschen hin und her gerissen zwischen „Thema verfehlt“ und „Was erzählen Sie uns denn da?“. Frauen sind doch nicht die Schwächsten der Gesellschaft! Frauen sind im Übrigen die Mehrheit der Gesellschaft, weil sie über 50 % der Bevölkerung ausmachen.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Roger Beckamp [AfD] – Daniel Sieveke [CDU]: Das hat sie gar nicht gesagt!)
Vor diesem Hintergrund verstehe ich Ihre Einlassungen zum Haushalt nicht.
Aber – da kann ich mich durchaus Frau Butschkau anschließen – die gute Nachricht für die Frauen in Nordrhein-Westfalen zu diesem Haushalt ist: Grundsätzlich verändert sich nichts.
–   Im Bereich „Frauen und Gleichstellung“ wird im Wesentlichen übernommen, was die rot- grüne Landesregierung in den letzten sieben Jahren aufgebaut hat. Mittlerweile – und darüber bin ich sehr froh – sind wir uns offensichtlich auch einig, dass wir beim Thema „Gewaltschutz“ alle an einem Strang ziehen müssen.
Ich erinnere Sie, Frau Ministerin, dass noch bei den Haushaltsberatungen 2005/2006 die vierte Frauenhausstelle von Ihnen nicht nur zur Disposition gestellt, sondern sogar gestrichen worden ist. Diese ist von der rot-grünen Landesregierung dann wieder eingeführt worden. Mittlerweile scheint hier im Hause Einigkeit darüber zu herrschen, dass man bei Frauenhäusern nicht kürzen darf.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich, dass Sie auch noch Geld draufgepackt haben. Wir werden uns noch im Detail darüber unterhalten müssen, wie es mit der Frauenhausinfrastruktur weitergehen soll.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dies gilt auch für die Arbeit der Kompetenzzentren Frau und Beruf, die sehr in der Kritik gestanden hat. Es ist begrüßenswert, dass es zumindest bei der FDP-Fraktion eine Art von politischem Gedächtnisverlust gibt; denn auf einmal ist keine Rede mehr davon, die Kompetenzzentren zu streichen, und davon, sie würden unnötige Doppelstrukturen darstellen.
(Heiterkeit von Annette Watermann-Krass [SPD])
Vielmehr lobt die Ministerin in höchsten Tönen, welch guten Beitrag die Kompetenzzentren leisten und wie gut die Zusammenarbeit mit den Kammern und mit den kleinen und mittelständischen Unternehmen ist. Das ist sehr gut.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Susanne Schneider [FDP])
Weiterhin macht die Ministerin noch deutlich – wofür ich ihr sehr dankbar bin –, dass die Förderzusage im Grunde genommen auch für die nächste Periode schon gegeben ist. Das ist ebenfalls ein gutes Zeichen für die Frauen in Nordrhein-Westfalen. Es wurde zwar vorher zur Disposition gestellt, aber was interessiert mich mein Gewäsch von vor der Wahl? Wir machen einfach so weiter. – Dann kann es unter Rot-Grün ja nicht so schlecht gewesen sein.
(Beifall von den GRÜNEN und Annette Watermann-Krass [SPD])
Die schlechte Nachricht ist, dass Maßnahmen nachhaltiger gesellschaftlicher Veränderung von dieser Landesregierung konsequent abgewickelt werden – zuallererst die Quote. Die ist Ihnen schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Dementsprechend haben Sie gesagt: Wir haben zwar keine Idee, wie wir es besser machen können, aber wir drehen auf jeden Fall zurück. – Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. Möglicherweise werden uns irgendwann noch mal Vorschläge zur Verbesserung der Situation von Frauen im öffentlichen Dienst vorgelegt.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU]) Wir sind darauf sehr gespannt
Auch im Hinblick auf das Tariftreue- und Vergabegesetz wurde schnell behauptet, soziale Standards seien zu bürokratisch. Frauenförderung, Familienförderung – wen interessiert es? Hauptsache die Wirtschaft kann durchregieren!
Fazit: Bei der Erreichung tatsächlicher gesellschaftlicher Gleichstellung gehen die Bemühungen von CDU und FDP offensichtlich kaum über die Stärkung von Girls’Day und Boys’Day hinaus.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ein Gesetz ohne Wirkung haben Sie verantwortet!)
Nun habe ich nichts gegen den Girls’Day oder den Boys’Day, aber wenn es darum geht, dass Frauen und Männer in dieser Gesellschaft auch tatsächlich gleichgestellt werden sollen, dann muss doch ein bisschen mehr Fleisch an den Knochen, als nur an einem Tag Männer in Frauenberufe und Frauen in Männerberufe bringen zu wollen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das scheint mir alles nach dem Motto zu laufen: Hauptsache keinem wehtun. Wenn wir Glück haben, merken es die Frauen in Nordrhein-Westfalen nicht. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die Frauen in Nordrhein-Westfalen werden merken, dass von Ihrer Regierung keine gesellschaftlichen Impulse ausgehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Schutz und Unterstützung der von Gewalt betroffenen Frauen und ihrer Kinder ist eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Wir begrüßen vor diesem Hintergrund – ich habe es gerade schon gesagt – die Fortsetzung des kontinuierlichen Mittelaufwuchses in diesem Bereich. Die Landesregierung stellt zusätzlich Mittel in Höhe von 500.000 € für die Frauenhäuser bereit. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenngleich er noch nicht ausreicht. Die Frauenhilfeinfrastruktur steht vor großen Herausforderungen.
Eine große Herausforderung stellt beispielsweise der hohe Sanierungsbedarf in den Häusern dar. In den 62 landesgeförderten Frauenhäusern gibt es auch keine wirkliche Barrierefreiheit. Ich würde Ihnen raten, Frau Ministerin: Wenn Sie schon …
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
–  Bitte?
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
–  Aber es gibt seit Mai etwas Neues, und das liegt in der Zuständigkeit der Ministerin für Bauen und für Gleichstellung. Da würde ich doch sagen: Nutzen Sie Ihre doppelte Kompetenz, und legen Sie ein Sanierungsprogramm auf, um unsere Frauenhäuser zukunftsfest und vor allem barrierefrei zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Frau Ministerin, auch das kann ich Ihnen nicht ersparen: Obwohl die LAG der autonomen Frauenhäuser und diverse Frauenhäuser selbst ihre Bemühungen um mehr Mittel gelobt haben, weisen sie auch – zu Recht – darauf hin, dass die Tragfähigkeit der Finanzierungsstruktur sehr genau unter die Lupe genommen werden muss.
Wenn ich dann in der „WAZ“ vom 4. Dezember 2016 lese, dass Sie die berechtigte Kritik der LAG, dass die zusätzliche Finanzierung zwar schön, aber bei Weitem nicht ausreichend sei, so kommentieren: „Nach den bisherigen konstruktiven Treffen empfinde ich diese Haltung als eher belastend für weitere Gespräche“, muss ich sagen: Frau Ministerin, Dünnhäutigkeit ist an dieser Stelle völlig unangebracht. Wir brauchen hier gemeinsame Diskussionen im Interesse der gewaltbetroffenen Frauen und ihrer Kinder. Wir brauchen den Dialog und keine Befindlichkeiten.
Um am Schluss noch eine Sache aufzugreifen, auf die auch Frau Butschkau schon hingewiesen hat: Die Arbeit der erfolgreich arbeitenden Fachstellen „Trauma und Leben im Alter“ soll nun mir nichts, dir nichts eingestellt werden. Im Ausschuss wussten Sie noch nicht einmal, warum. Ich finde, das ist ein ganz schlechtes gesellschaftspolitisches Signal. Sie handeln einmal mehr nach dem Motto: Wegmachen, vielleicht fällt uns anschließend noch ein besseres Konzept ein. – Das ist gesellschaftspolitisch fahrlässig, Frau Ministerin.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)