Josefine Paul: „Es sehen sich viele Hebammen gezwungen, aus der Begleitung von Geburten auszusteigen oder ihren Beruf ganz aufzugeben.“

Antrag der GRÜNEN zur Hebammen

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie ruhig da, das ist jetzt ein wichtiges Thema. – Schwangerschaft, Geburt und die Gründung einer Familie sind eines der schönsten Abenteuer des Lebens. Mutter und Kind brauchen vor, während und nach der Geburt besondere Unterstützung, aber auch für Partnerinnen und Partner und Geschwisterkinder sind Schwangerschaft und Geburt eine neue Herausforderung und eine besondere Erfahrung.
Hebammen und Entbindungspfleger leisten einen wichtigen Beitrag bei der Begleitung von Mutter und Kind, aber auch bei der Begleitung von Partnerinnen und Partnern und eventuellen Geschwisterkindern. Werdende Eltern haben ein Recht auf die freie und informierte Wahl des Geburtsortes, doch die reale Situation in NRW sieht oftmals leider anders aus.
Für viele Schwangere ist es heute schwierig, eine Hebamme zu finden. Dabei sind Hebammen sowohl bei den Geburten in Kliniken als auch den Geburten in Geburtshäusern oder den ambulanten Geburten zu Hause sowie bei der Vor- und Nachsorge unerlässlich. Wir schließen jedoch Geburtsstationen, und vor allem haben wir ein Problem im ländlichen Raum. Überfüllte Kreißsäle und Mütter, die keine Hebamme finden –die freie Wahl des Geburtsortes nach dem SGB V droht unterlaufen zu werden.
In der vergangenen Legislaturperiode hat sich der runde Tisch Geburtshilfe, der von der früheren Gesundheitsministerin Barbara Steffens einberufen wurde, intensiv mit der Situation der Geburtshilfe in NRW befasst. Die Frage der steigenden Haftpflichtprämien, aber auch eine konstant hohe Kaiserschnittrate standen dabei im Zentrum der Beratungen. Insbesondere die steigenden Haftpflichtprämien haben die Rahmenbedingungen für Hebammen, aber auch für die Geburtshilfe allgemein massiv verschlechtert.
In den letzten 15 Jahren haben sich die Prämien verzehnfacht. Der Deutsche HebammenVerband konnte zwar die Vereinbarung über die Gruppenhaftpflicht für freiberufliche Hebammen bis 2021 verlängern und damit überhaupt noch einen Versicherungsschutz für freiberufliche Hebammen sicherstellen, doch an dem Problem der jährlich steigenden Prämien ändert das nichts. Es ändert auch nichts daran, dass sich viele Hebammen gezwungen sehen, aus der Begleitung von Geburten auszusteigen oder ihren Beruf ganz aufzugeben. Das ist eine Situation, die wir uns in Nordrhein-Westfalen nicht leisten können und auch nicht leisten wollen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der runde Tisch empfiehlt der Bundesregierung daher, eine langfristig tragbare Lösung für die Haftpflichtproblematik der Hebammen und Entbindungspfleger zu finden. Auch die Landesregierung muss sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass tragfähige Lösungen gefunden werden, die die Haftpflichtprämien senken und damit die Geburtshilfe in Nordrhein-Westfalen nachhaltig sichern.
Neben der Haftpflichtproblematik stellt auch die Bezahlung ein Problem dar. Wie in anderen Gesundheitsberufen auch, werden die vornehmlich Frauen – es ist sozusagen wieder mal ein Equal-Pay-Problem – nicht entsprechend ihrer hohen fachlichen Kompetenz und ihrer gesellschaftlich verantwortlichen Tätigkeit entlohnt. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf bei einem so wichtigen Beruf wie dem der Hebammen und Entbindungspfleger.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der runde Tisch hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Datengrundlage zur Versorgung mit Hebammenhilfe in NRW nicht ausreichend ist. Das daraus resultierende Forschungsprojekt „Geburtshilfliche Versorgung durch Hebammen in Nordrhein-Westfalen“, auf das auch der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen hinweist, ist daher notwendig und wichtig. Eine Pilotstudie zur Hebammenversorgung in NRW wurde bereits während des runden Tisches in Auftrag gegeben.
Sie sehen, erste Schritte sind durch den runden Tisch initiiert worden, sind auf dem Weg. Das sind wichtige Schritte zur Verbesserung und zur nachhaltigen Sicherung der Geburtshilfe in Nordrhein-Westfalen, die durch Rot-Grün noch angestoßen worden sind. Unbestritten ist jedoch, dass es noch weiterer Schritte bedarf, dass noch weitere Schritte folgen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der neue Gesundheitsminister hat unseren Antrag in den „Westfälischen Nachrichten“ als „Das ist Heldenmut nach Ladenschluss“ abkanzelt. Mich wundert das ehrlich gesagt schon; denn die vorliegenden Anträge zeigen, mit welcher Ernsthaftigkeit sich die Fraktionen mit diesem Thema auseinandersetzen und dass es sich nicht als Wahlkampfarena anbietet.
Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung einer Projektgruppe, wie sie Minister Laumann im selben Zeitungsartikel angekündigt hat. Verbunden damit ist auch unsere Hoffnung, dass diese Projektgruppe die Empfehlungen des runden Tisches weiter umsetzt. Einiges ist bereits auf dem Weg, wie beispielsweise das Versorgungskonzept der Hebammenkreißsäle – sieben der bundesweit 17 befinden sich in NRW. Das ist ein Konzept, das sich bewährt hat. Es ist ein Konzept, das es nicht nur gilt, sicherzustellen, sondern auch auszubauen und weiterzuentwickeln. Wir setzen da auf Sie, Herr Minister, und auch auf die von Ihnen zu initiierende Projektgruppe, dass es hier eine Kontinuität auch über die Wahlen hinweg gibt.
Auch beim Thema „Kaiserschnittrate“ besteht weiter Handlungsbedarf. Fast jede dritte Frau entbindet in Nordrhein-Westfalen heute per Kaiserschnitt. Zum Vergleich: Die Empfehlungen der WHO liegen bei 15 %, und in unserem Nachbarland, den Niederlanden, liegt die Kaiserschnittrate sogar unter 15 %. Nun sind die Gründe für einen Kaiserschnitt vielschichtig, und natürlich kann eine solche Maßnahme auch medizinisch notwendig und geboten sein.
Trotzdem dürfen wir aber die Augen nicht davor verschließen, dass der massive Anstieg der Kaiserschnittrate in den letzten zwei Jahrzehnten bei Weitem nicht nur medizinische, sondern auch strukturelle, organisatorische und gar ökonomische Gründe hat, die diese Rate begünstigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vorliegenden Anträge zeigen, dass uns allen die gute geburtshilfliche Versorgung in Nordrhein-Westfalen ein wichtiges Anliegen ist. Ich würde mich freuen, wenn sich durch die weiteren Beratungen im Ausschuss bzw. den Ausschüssen vielleicht sogar so viele Gemeinsamkeiten entwickeln lassen, dass wir gegebenenfalls sogar zu einer gemeinsamen parlamentarischen Initiative kommen. Ich glaube, das würde dem Thema der geburtshilflichen Versorgung in Nordrhein-Westfalen gerecht werden. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN) 

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