Josefine Paul: „Es ist richtig, die Lebenslagen der Menschen differenziert in den Blick zu nehmen“

Antrag der FDP zur Gesundheitsprävention von Jungen und Männern

Portrait Josefine Paul

###NEWS_VIDEO_1###
Josefine Paul (GRÜNE): Für meinen Rücken stelle ich das Rednerpult schon einmal runter als gesundheitspräventive Maßnahme.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP hat den heutigen Tag ja offensichtlich zum Männerkampftag erhoben. Das konnten wir heute Morgen schon in der Presse lesen und ich freue mich schon auf die Debatte gleich zur Dienstrechtsmodernisierung. Ich bin schon gespannt darauf, was uns Herr Witzel da über seine Sicht auf die Frauenquote zu erzählen hat.
Aber kommen wir zunächst einmal zum Gesundheitsbereich! Denn bei der zielgruppenorientierten Gesundheitsförderung lohnt sich in der Tat ein geschlechtersensibler Blick auf die Gesundheitslagen von Mädchen und Jungen sowie Frauen und Männern. Denn immer noch ist das Geschlecht – wenigstens darüber sind wir uns hier im Haus ja einig – eine der zentralen Ordnungskategorien unserer Gesellschaft. Das bedeutet, dass neben bestimmten geschlechtsspezifischen Faktoren, die sich unterschiedlich auf die Gesundheit von Frauen und Männern auswirken, auch Rollenstereotype Auswirkungen auf die Gesundheitslage haben. Kollege Kern hat das ja so schön zusammengefasst mit: Indianer kennen keinen Schmerz. – Selbstverständlich kennen auch kleine Jungs Schmerzen. Es geht auch darum, ihnen zu vermitteln, dass das auch völlig in Ordnung ist.
Geschlechtersensibel heißt dabei nicht nur, Zahlen von Jungen und Mädchen, Frauen und Männern nebeneinander zu legen, sondern eben auch den Blick darauf zu richten, welche Erklärungsansätze es für diese Unterschiede gibt.
Dieser gendersensible Ansatz wäre aber nicht denkbar – jetzt, Frau Schneider, sollten Sie vielleicht einmal kurz zuhören –, wenn nicht die Frauengesundheitsbewegung auf die speziellen Bedarfe von Frauen und Mädchen aufmerksam gemacht hätte. Denn noch bis in die 1980er-Jahre hinein gab es eine klare geschlechterbezogene Aufteilung innerhalb des Gesundheitssystems. Die Forschung zum gesamten Gesundheitsbereich, also auch zu Medikamenten etc., bezog sich in erster Linie und fast ausschließlich auf Männer als Patienten, wohingegen die Pflege dieser Patienten Frauensache war.
Einiges hat sich seitdem verbessert. Das wollen wir konstatieren. Medikamente und Therapien werden heute nicht mehr nur an Männern getestet, weil mittlerweile klar ist, dass Frauen und Männer durchaus unterschiedlich darauf reagieren. Auch ist mittlerweile bekannt, dass es geschlechtsspezifische Symptomunterschiede bei bestimmten Krankheitsbildern geben kann, und auch die Frage der Krankheitsprävalenz wird mittlerweile geschlechtersensibel untersucht. Auch der aktuelle DAK-Gesundheitsbericht macht das deutlich.
Was sich – das ist sehr schade – allerdings bislang nicht substanziell verändert hat, ist die Tatsache, dass pflegerische Tätigkeiten nach wie vor schlecht bezahlt sind, und das nicht zuletzt, weil sie in erster Linie von Frauen ausgeübt werden. Das wäre auch einmal ein interessanter Punkt, mit dem sich die FDP-Fraktion auseinandersetzen könnte. Aber dafür hat es auch diesmal wieder nicht gereicht.
(Susanne Schneider [FDP]: Das ist aber nicht der Antrag, Frau Paul!)
– Das stimmt. Das ist schade. Sie könnten auch dazu mal einen Antrag stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, darüber brauchen Sie sich gar keine Sorgen zu machen: Die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen ist längst politikleitende Querschnittsaufgabe der Landesregierung. Im Übrigen ist das auch verfassungsrechtlich geboten. Ich erinnere an Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz. Herr Witzel, das können Sie sich auch schon für die Diskussion zum Dienstrechtsmodernisierungsgesetz merken.
(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])
Es ist auch NRW gewesen – wie Sie der Antwort auf die Kleine Anfrage von Frau Schneider zur Situation der Jungen- und Männergesundheit in NRW entnehmen konnten –, das bereits im Jahr 2000 als erstes Bundesland einen Gesundheitsbericht „Gesundheit von Frauen und Männern in NRW“ erstellt hat. Seitdem sind alle Gesundheitsberichte in NRW geschlechterdifferenziert.
Die Antworten sowohl auf die Kleine Anfrage als auch auf die Große Anfrage der CDU zu den Lebenslagen von Jungen – angesprochen wurden sie ja bereits – listen eine Reihe von Maßnahmen auf, die sich speziell an Jungen und Männer richten, und nicht zuletzt das auch von Ihnen angesprochene Kompetenzzentrum Frauen und Gesundheit hat die Situation von Heranwachsenden seit diesem Jahr im Fokus, explizit übrigens auch die von Jungen. Vielleicht lohnt es sich, mit den Kolleginnen in diesem Kompetenzzentrum mal zu sprechen. Dann würden sich bestimmte Ungereimtheiten vielleicht auch für Sie klären, Frau Schneider.
Auch die Jahrestagung des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung wird sich in diesem Jahr mit dem Thema „Körper und Geschlecht im Schnittfeld von Gesundheit und Medizin“ befassen. Diese Tagung findet am 25.11. an der Uni Duisburg-Essen statt. Vielleicht tragen Sie sich diesen Termin schon einmal in Ihren Kalender ein. Das könnte der inneren Fortbildung dienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, die Lebenslagen der Menschen differenziert in den Blick zu nehmen, unter anderem auch in Bezug auf das Geschlecht, aber auch Faktoren wie der soziale Hintergrund und kultursensible Ansätze spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Gesundheitsförderung der gesamten Bevölkerung geht. Diesem Anliegen – da können Sie versichert sein – trägt die Landesregierung Rechnung.
Ich will mal wohlwollend Ihren Antrag, liebe FDP-Fraktion, so verstehen, dass wir dabei mit Ihrer vollen Unterstützung rechnen können, auch wenn Sie mir jetzt fünf Minuten lang nicht zugehört haben. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Frauen, Gesundheit