Josefine Paul: „Es ist an der Zeit!“

Antrag von SPD und GRÜNEN für die "Ehe für alle"

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist an der Zeit! Es ist sogar mehr als an der Zeit! Eigentlich sind alle Argumente auch ausgetauscht. Und eigentlich sind es Lesben und Schwule in diesem Land auch leid, sich rechtfertigen zu müssen, warum eine Öffnung der Ehe jetzt endlich mehr als an der Zeit ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, finde ich es gut und wichtig, dass auch diese Debatte heute hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen noch einmal geführt wird. Die Anträge und die Wortbeiträge, die es bislang gab, haben gezeigt: In diesem Hohen Hause gibt es eine breite Mehrheit für das Ende der rechtlichen Diskriminierung von Lesben und Schwulen!
(Beifall von den GRÜNEN)
Leider – das bleibt auch zu konstatieren – gibt es keine komplette Mehrheit. Leider gibt es eine Fraktion in diesem Haus, die sich immer noch der rechtlichen Gleichstellung und der Öffnung der Ehe sowie einem Ende des Eheverbots für Lesben und Schwule verschließt. Daran wird sich vermutlich heute auch nichts ändern. Das finde ich traurig, das finde ich nachgerade tragisch! Denn die CDU versteht sich, selbsternannt, als Volkspartei. Wie aber kann man eine Volkspartei sein, wenn man 10 % der Bevölkerung weiterhin für Menschen zweiter Klasse erklärt?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Auch mit Ihrem neuen Grundsatzprogramm, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, gehen Sie da keinen Schritt weiter. Ihr neues Grundsatzprogramm stellt an dieser Stelle keinen Aufbruch für eine moderne Partei dar, die endlich im 21. Jahrhundert angekommen ist, sondern das ist etwas Reaktionäres! Sie sind somit eine reaktionäre Kraft ohne gesellschaftliche Mehrheit!
(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU)
Denn für Ihre Positionen, die Sie hier vertreten, haben Sie weder in diesem Haus eine Mehrheit, noch haben Sie eine gesellschaftliche Mehrheit, noch haben Sie im Bundesrat eine Mehrheit! Und eigentlich haben Sie auch im Bundestag keine Mehrheit dafür!
Eigentlich muss die Öffnung der Ehe doch auch in Ihrem Sinne sein. Der britische Premierminister David Cameron hat gesagt, dass er für die Homoehe ist, gerade weil er konservativ ist und gerade weil dies – wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen und das auch staatlich absichern wollen – ein zutieftst konservatives Gesellschaftsbild unterstützt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dann frage ich mich doch, warum ausgerechnet Sie als konservative Volkspartei die Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen, im Regen stehen lassen. Wenn zwei Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, dann ist das ein Gewinn für die Gesellschaft und keine Bedrohung des Abendlandes!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, in Ihrem Grundsatzprogramm schreiben Sie auch, dass die Ehe zwischen Mann und Frau die verlässlichste Grundlage für Familie ist. Dazu möchte ich Ihnen ganz deutlich ins Stammbuch schreiben: Das ist ein Schlag ins Gesicht für all die vielen Regenbogenfamilien hier in diesem Land! Die wissen jetzt allerdings wegen Ihres Grundsatzprogrammes ganz genau, dass sie bei Ihnen keine politische Heimat haben und auch auf keinerlei Unterstützung von Ihnen hoffen können!
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)
– Offensichtlich habe ich einen Nerv getroffen. Diese innerparteiliche Diskussion aber über-lasse ich Ihnen selbst, denn auch innerhalb Ihrer Partei gibt es dazu offensichtlich sehr unterschiedliche Auffassungen. Ich hoffe nur – das unterstütze ich gerne –, dass sich die Progressiven bei der CDU einmal durchsetzen werden, die endlich diesen rückwärtsgewandten Kurs aufgeben und für die Menschenrechte sowie die Bürgerrechte und gegen Diskriminierung in diesem Land einstehen wollen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber auch noch ein Wort zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion: Selbstverständlich geht vieles von dem, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, in die richtige Richtung. Ich kann mich der Kollegin Spanier-Oppermann aber nur anschließen. Die gesellschaftspolitische Debatte – das zeigen auch die Urteile von Karlsruhe – ist mittlerweile an dem Punkt angekommen, dass eine Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des Ehebegriffs inzwischen auch zwei Personen gleichen Geschlechtes umfassen kann, aber eben zwei Personen.
Ich glaube, Sie tun der wichtigen gesellschaftspolitischen Debatte hier in diesem Haus und auch draußen auf den Straßen keinen Gefallen, wenn Sie einen bunten Eichhörnchen-Antrag stellen und darin nach dem Motto „Wünsch dir was“ sämtliche Formen eines irgend-wie gearteten Vergemeinschaftungsprozess mit einbeziehen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schließen Sie sich unseren Anträgen an, aber nicht nur im Hinblick auf das Abstimmungs-ergebnis, sondern konzentrieren Sie sich auch auf das, was wir gesellschaftspolitisch noch vor uns haben. Da brauchen wir offensichtlich – das ist den Zurufen der CDU zu entnehmen – noch einiges an gemeinsamer gesellschaftspolitischer Standfestigkeit. Machen Sie keine solchen Witzanträge mit komischen Positionen zu Eichhörnchen, polyamourösen Verbindungen und dergleichen.
Sicherlich gibt es solche polyamourösen Partnerschaften usw., und sie dürfen gesellschaftlich natürlich nicht in der Art und Weise diskriminiert werden, dass man sagt, so etwas sei verboten. Das alles kann im Privatleben durchaus gut funktionieren – aber ob man das jetzt in den Antrag hineinschreiben und staatlich absichern muss, ist eine andere Frage. Das sollten wir auch an anderer Stelle diskutieren. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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