Josefine Paul: „Es geht um Schutz, um Selbststärkung, aber auch um eine kritische Auseinander­setzung“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP für mehr Schutz von Kindern und Jugendlichen in Internet

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Internet und all die unterschiedlichen Tools, die wir alle den ganzen Tag über nutzen, Smartphones, die wir alle auf dem Tisch liegen haben, sind für uns aus unserem Alltag nicht mehr wegzu­denken. Das sieht bei Kindern und Jugendlichen nicht anders aus.

In der JIM-Studie 2020 geben 94 % der Befragten an, ein Smartphone zu haben. 89 % nutzen das Internet täglich in der Freizeit. Es kommt eine ganz erhebliche Summe an Minuten zu­sammen, die dort jeden Tag mit unterschiedlichster Nutzung verbracht werden. Der eine oder die andere hier kommt vielleicht auf ähnliche Nutzungszeiten.

Ich finde es schon erstaunlich, wie viel Lebensrealität junger Menschen sich im Internet ab­spielt und wie wichtig die unterschiedlichen Tools, die unterschiedlichen Formen der Kommu­nikation, die Informationssuche, Unterhaltungsspiele und all das für die Persönlichkeitsent­wicklung sind.

Die Mediennutzung hat sich in der Pandemie anders entwickelt: Die Internetnutzung ist weiter gestiegen. Unabhängig davon, welche negativen Entwicklungen es in diesem Bereich gibt, hat es vielleicht nicht immer nur zum Vorteil gereicht, dass sich das Mediennutzungsverhalten in der Pandemie geändert hat.

Nichtsdestotrotz muss man feststellen, dass es auch um Kommunikation und die Aufrechter­haltung sozialer Kontakte geht, was in der Pandemie sicherlich eine besondere Rolle gespielt hat. Kollegin Schulze Föcking hat schon darauf hingewiesen, dass sich niedrigschwellige Be­ratungsangebote, Hilfs- und Unterstützungsangebote wie beispielsweise krisenchat.de ge­gründet haben. Ich finde, das sind sehr positive Aspekte.

Trotzdem gibt es eine Menge Risiken – darauf weist dieser Antrag hin – und Gefahren. An den Studien finde ich schockierend, dass bei den jungen Menschen, aber auch bei den Eltern zu wenig Wissen vorhanden ist. Ich möchte unterstellen, dass das häufig auch bei den Lehrerinnen und Lehrern und sicherlich auch bei einigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbei­tern so ist.

Deshalb ist es wichtig, dass wir genau auf diese Aspekte stärker eingehen, mehr sensibilisie­ren und mehr zur Selbststärkung junger Menschen bei der Mediennutzung beitragen. Neben den Risiken, über die wir im Ausschuss ausführlicher sprechen werden, gibt es auch noch andere Aspekte wie beispielsweise Sucht und Verschuldung durch Apps usw.

Wir müssen hier also über die Verbraucherinnen- und Verbraucherbildung wie selbstverständ­lich auch über Hatespeech, Cybergrooming und Cybermobbing sprechen. Auch dazu finden sich in der JIM-Studie erschreckende Zahlen, wenn man berücksichtigt, dass rund jeder und jede Fünfte angibt, schon einmal von Cybermobbing betroffen gewesen zu sein.

Auch im Zusammenhang mit dem schockierenden Bereich der sexualisierten Gewalt stellt das Internet einen Gefahrenraum für Kinder und Jugendliche dar, wie etwa beim Verschicken von Dickpics und von anderen intimen Bildern. Frau Schulze Föcking hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das keine Bagatelle ist.

Das ist auch kein Streich, sondern eine absolute Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung. So müssen wir das Kindern und Jugendlichen auch erklären. Auf der anderen Seite braucht es genau die Hilfestellung für Kinder und Jugendliche, wenn sie Opfer geworden sind.

Dann gibt es noch Cybergrooming. Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Kommunikationsstrukturen von jungen Menschen ausgenutzt werden, um missbräuchli­che Kontakte anzubahnen.

Wir müssen auch genauer auf die unterschiedlichen Zielgruppen schauen: Es sind Mädchen, es sind Menschen mit Behinderungen, es sind LSBTIQ-Jugendliche, die auf die eine oder andere Weise ganz besonders von Gewalt betroffen sind. Auch hier ist es wichtig, dass wir die Kooperation mit den spezialisierten Fachberatungsstellen verstärken, um bei Cybergewalt einen ganz besonderen Blick auf diese Gruppen zu werfen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Allerdings bin ich doch ein klein wenig über den Antrag von CDU und FDP verwundert, denn bereits 2018 gab es einen gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, FDP und Grünen, der in eine ganz ähnliche Richtung zielte. An einigen Stellen waren die Beschlusspunkte des damaligen Antrags etwas konkreter als das, was in diesem Antrag in den Beschlusspunkten steht.

Damals ging es zum Beispiel sehr konkret um die Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer, weil das konkret in die Aus- und Fortbildungsinhalte integriert werden muss.

Es ging auch um die Kooperation von Schulen und Fachberatungsstellen. Beim Kinderschutz sprechen wir immer wieder darüber, dass Schutzkonzepte nur dann wirklich greifen können, wenn es eine Anlaufstelle gibt, an die sich Lehrerinnen und Lehrer mit den Fragen, die sich unter Umständen stellen, wenden können.

Auch die Rolle der Schulsozialarbeit ist im Antrag des Jahres 2018 mit ihrer besonderen Schnittstellen- und Bindegliedfunktion zwischen Schule und Jugendhilfe aufgegriffen und an­gesprochen worden.

Das sind durchaus sehr konkrete Punkte. Jetzt wäre es richtig, eine Bestandsaufnahme zu machen: Wie weit ist die Umsetzung der Punkte, die wir 2018 gemeinsam beschlossen ha­ben? Wo gibt es in der Fläche möglicherweise noch Umsetzungsschwierigkeiten? Wo müs­sen wir gegebenenfalls nacharbeiten? Wo müssen Dinge in der Organisation noch verstärkt werden?

Selbstverständlich unterstützen wir das Anliegen des Antrags. Es muss sehr klar darum ge­hen, die Kompetenz, aber auch Beratungsangebote für junge Menschen und selbstverständ­lich auch für Eltern in den Fokus zu rücken; Gleiches gilt für Lehrerinnen und Lehrer.

Im Kinderschutzjahr haben wir mit den unterschiedlichsten Facetten darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass es neben Kompetenzvermittlungsangeboten ganz konkrete Anlaufstellen gibt, an die man sich bei Fragen, bei Unsicherheiten, gegebenenfalls aber auch mit ganz konkreten Verdachtsfällen wenden kann.

Das bedeutet aber auch, dass wir die Fachberatungsstellen, die wir in der breitgefächerten Beratungslandschaft in Nordrhein-Westfalen haben – sowohl mit Blick auf die Mädchenbera­tung, die Beratungsstellen beim Kinderschutz, die Familienberatungsstellen als auch die Fachberatungsstellen im LSBTI-Bereich –, bei Fortbildungsangeboten in den Blick nehmen, damit auch sie die Möglichkeit haben, sich speziell in diesen Themenfeldern fortzubilden bzw. ihre spezielle Fachkenntnis über die jeweiligen Gruppen in Kooperationen einzubringen.

Themen- und Projekttage kann man machen. Ich habe mich auch ein bisschen gewundert, warum man in den Antrag schreibt, dass das geprüft werden soll. Warum beschließt man das nicht einfach?

Mir ist aber noch ein anderer Aspekt viel wichtiger: Man kann Themen- und Projekttage zum Safer Internet Day oder wie auch immer machen, aber bei der Medienkompetenz müssen wir vor allem auf die Kompetenz schauen. Das bedeutet, dass es ein dauerhaftes Querschnitts-thema sein muss, das sich durch die ganz unterschiedlichen Unterrichtsfelder zieht.

Dabei geht es um den Schutz, um Selbststärkung, aber auch um eine kritische Auseinander­setzung mit Informationen im Internet, mit Wissensakquise im Internet und am Ende des Ta­ges selbstverständlich auch um die kritische Auseinandersetzung mit Fake News etc.

In der Kinderschutzkommission haben wir im März eine breite Anhörung zum Kinder- und Jugendmedienschutz gehabt. Die Sachverständigen haben sehr deutlich herausgestellt, wie wichtig die Medienkompetenz ist und wie wichtig es ist, die Kinder und Jugendlichen dort starkzumachen, aber auch zum Selbstschutz zu befähigen.

Es gibt eine ganze Reihe guter Projekte; ganz unterschiedliche sind sowohl im Antrag aufge­führt als auch hier in der Debatte genannt worden. Mir ist aber auch in Erinnerung geblieben, dass die Expertinnen und Experten betont haben: Es gibt zwar diese guten Projekte, aber wir müssen das Wissen darüber noch stärker in die Fläche bekommen, damit sie auch bei den Kindern und Jugendlichen, bei den Lehrerinnen und Lehrern, bei den Eltern sowie bei den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ankommen.

Ich finde es gut, dass wir uns weiter mit dieser Thematik beschäftigen, und würde, wie gesagt, den Blick auch gerne noch einmal auf den Umsetzungsstand des Antrags von 2018 werfen.

Wir freuen uns aber auf die Beratungen. Möglicherweise bekommen wir an der einen oder anderen Stelle im Sinne des Kinderschutzes doch noch einen gemeinsamen Aufschlag hin. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, Andrea Stullich [CDU], Christina Schulze Föcking [CDU] und Jörn Freynick [FDP])

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