Josefine Paul: „Es geht nicht nur um die aktuelle Pandemiebekämpfung, sondern auch um die Zukunft und die Freiheit der jungen Generation“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zum Europäischen Jahr der Jugend

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat im Oktober den Vorschlag gemacht, das Jahr 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend zu erklären, und Parlament und Rat – Kollege Maelzer hat gerade darauf hingewiesen – haben im Dezember entschieden, diesen Vorschlag aufzugreifen und das neue Jahr kurz vor knapp noch zum Europäischen Jahr der Jugend zu erklären.

Das ist ein wichtiges Signal für eine Generation, die sich in der Pandemie immer wieder solidarisch gezeigt hat und die gleichzeitig so sehr unter den Einschränkungen leidet. Lebenswerten, Lernwelten und Erfahrungswelten junger Menschen sind sehr stark eingeschränkt worden und mit ihnen auch Zukunftschancen, die quasi auf Eis gelegt wurden.

Lernen und Studieren auf Distanz geht mit großen Herausforderungen und großen Einschnitten einher. Praktika und Auslandsaufenthalte konnten nicht stattfinden. Ich weiß nicht, wer von Ihnen diese Erfahrungen machen konnte, aber wenn den jungen Menschen diese Erfahrungen fehlen, ist das ein tiefer Einschnitt auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden.

Auch die Ausbildungsplatzsuche ist in solchen Zeiten sehr erschwert. Die Pandemie hat den jungen Menschen Zukunftschancen verbaut, und deswegen ist es richtig, dass dieses Signal gesetzt wird, schließlich sind auch die sozialen Folgen nicht zu vernachlässigen. Der erste Kuss funktioniert nicht digital. Einsamkeit, Bewegungsmangel, psychische Probleme – viele Dinge, die zu Selbstwirksamkeitserfahrungen, zu Prozessen des Erwachsenwerdens dazugehören, sind empfindlich gestört.

Was die jungen Menschen noch empfindlicher stört, ist die Tatsache, dass sie nicht gehört werden und dass ihre Interessen in der Pandemiepolitik und -bekämpfung zu wenig berücksichtigt wurden. Das ist der Grund, auf dem die Idee des Europäischen Jahres der Jugend aufsetzt. Es gilt, die Belange von Kindern und Jugendlichen mehr in den Blick zu nehmen, denn – und das wird auch in diesem europäischen Vorschlag deutlich – es darf nicht nur um das Aufholen nach Corona gehen. Vielmehr müssen wir die Chance nutzen, gestärkt aus dieser Krise zu kommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dementsprechend soll das Programm „NextGenerationEU“ mit dem Europäischen Jahr der Jugend verknüpft werden. Es geht nicht nur um die aktuelle Pandemiebekämpfung, sondern auch um die Zukunft und die Freiheit der jungen Generation, für die wir als Erwachsene, als Ältere jetzt eine solidarische Verantwortung tragen.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Klar ist aber auch, dass wir diese Zukunft nur mit ihnen gemeinsam gestalten können, und hier liegt die große Chance des Europäischen Jahres der Jugend.

Es gibt bereits zahlreiche bestehende Förderprogramme der EU, die junge Menschen bei der persönlichen, sozialen und beruflichen Entwicklung unterstützen. Außerdem stärken sie den europäischen Austausch und den europäischen Zusammenhalt, denn die junge Generation ist eine Generation – Kollege Kamieth hat schon darauf hingewiesen –, die in einem geeinten und demokratischen Europa aufgewachsen ist. Genau diese Aspekte sollen weiter gestärkt werden mit Programmen wie „Erasmus+“, mit dem Europäischen Solidaritätskorps, also dem Freiwilligendienst für ein soziales und vielfältiges Europa, mit Reisen durch Europa mittels DiscoverEU, mit den Jugendwerken für den europäischen Austausch und mit vielen anderen Programmen und Projekten.

Mit der EU-Jugendstrategie fördert die Europäische Union die drei bereits genannten Kernziele: Beteiligung, Begegnung und Befähigung. Natürlich ist Begegnung, insbesondere im europäischen Austausch, ein zentrales Element. Herr Kollege Brockmeier, wenn Sie sagen: „Na ja, man darf sich nicht so sehr auf diese Kleinigkeit der Beteiligung fokussieren“, finde ich, dass das tief in die Problematik blicken lässt, die Kinder und Jugendliche, vor allem im Rahmen der Pandemiepolitik, zu erdulden hatten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte auf Folgendes hinweisen: Ich finde, es ist ein wichtiges Signal, aber es kann nur dann mit Leben gefüllt werden, wenn wir in Nordrhein-Westfalen den Ball auch tatsächlich aufnehmen. Bei den Kollegen von CDU und FDP waren da viel zu viele Worthülsen. Man hatte, ehrlich gesagt, ein bisschen das Gefühl, dass Sie sich weder mit dem Antrag noch mit dem Europäischen Jahr der Jugend wirklich auseinandergesetzt haben.

Es geht darum, aus diesem Signal konkretes politisches Handeln abzuleiten, auch hier in Nordrhein-Westfalen. Es gibt eine europäische Jugendstrategie. Warum gibt es keine Landesjugendstrategie? Es wäre wichtig, genau das zu entwickeln.

(Beifall von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Jugendcheckverfahren strukturell in politischen Prozessen zu verankern, um Gesetzesvorhaben und Regierungshandeln immer auch durch die Jugendbrille betrachten zu müssen, wäre ganz konkretes politisches Handeln, das die Interessen von Kindern und Jugendlichen mehr einbezieht und ihre Beteiligung verfestigt.

Die Interessen und Stimmen von Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen fest zu verankern bedeutet auch, dass wir endlich dahin kommen müssen, die Absenkung des Wahlalters in Nordrhein-Westfalen voranzutreiben. Nordrhein-Westfalen darf nicht zum gallischen Dorf mangelnder Beteiligung werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zum Abschluss: Im Europäischen Jahr der Jugend liegen – da sind wir uns hier sicherlich alle einig – große Chancen, um jungen Menschen neue Perspektiven zu eröffnen, vor allem aber ihre Perspektiven tatsächlich auch miteinzubeziehen und insbesondere diejenigen in den Blick zu nehmen, die besonders benachteiligt oder besonders schutzbedürftig sind und die unter dieser Pandemie besonders gelitten haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD )

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