Josefine Paul: „Es geht nicht immer nur um Quoten“

Antrag der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN zur Sicherung der Geschlechtergerechtigkeit durch den Kinder- und Jugendförderplan

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich über den grundsätzlichen Weg der finanziellen Ausgestaltung des Kinder- und Jugendförderplans einig ist – und ich glaube, wir sind uns im Grundsatz einig, dass es durchaus richtig ist, diese Erhöhung vorzunehmen; die Ankündigung, ab 2019 eine Dynamisierung vorzunehmen, hören wir übrigens gerne –, dann bleibt mehr Zeit für inhaltliche Debatten und dafür, sich inhaltlich mit der konkreten Ausgestaltung des Kinder- und Jugendförderplans auseinanderzusetzen.
Herr Witzel, Sie haben mir vorhin zugerufen: immer nur Quoten. – Nein, wir haben diesen Antrag eingebracht, weil wir zur Erreichung des Ziels der Gleichstellung von Frauen und Männern in dieser Gesellschaft auch noch andere Maßnahmen im Gepäck haben. Es geht eben nicht nur um Quoten, sondern auch um die Frage von Gender-Budgeting als Analyseinstrument, um die Ziele finanzpolitisch abbilden zu können. Das ist schließlich auch Ihr Fachgebiet. Dementsprechend geht es nicht immer nur um Quoten, sondern es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die diesem Ziel Rechnung tragen sollen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Diese Debatte ist aus unserer Sicht auch deswegen notwendig, weil die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit einen wesentlichen Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, nicht nur in Nordrhein-Westfalen, darstellen. Die vielfältigen Angebote und Angebotsstrukturen ermöglichen Jungen und Mädchen, aber auch allen, die sich vielleicht nicht so definieren, gesellschaftliche Teilhabe. Sie sind ein wesentlicher Baustein, wenn es um die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung geht.
Die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sind zudem ein wesentlicher Träger non-formaler und informeller Bildungsprozesse. Nicht zuletzt geht es um Demokratie, um Bildung und um demokratische Teilhabe. Alles das sind Bereiche, die für Mädchen und Jungen gleichermaßen wichtig sind, die man aber auch geschlechtersensibel in den Blick nehmen muss.
Diese Ansicht wird bestärkt durch § 4 des Dritten Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, in dem der Grundsatz der Gleichstellung von Mädchen und Jungen bei der Ausgestaltung von Angeboten der Jugendhilfe festgeschrieben ist. Konkret bedeutet das, dass geschlechtsspezifische Belange von Mädchen und Jungen, die Verbesserung der Lebenslagen, aber eben auch der Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligung zu berücksichtigen und Rollenzuschreibungen und Stereotype aufzubrechen sind.
Die vorgelegten Eckpunkte des neuen Kinder- und Jugendförderplans tragen dem Rechnung. Ziel 4 der Förderung lautet: Vielfalt fördern und gesellschaftlichen Zusammenhalt schaffen.
Es geht aber – und das ist mir wichtig – nicht nur darum, die Förderung von Vielfalt und die geschlechtersensible Ausgestaltung von Förderung in einem Förderbereich als eine Förderposition zu verstehen, sondern es ist eine absolute Querschnittsaufgabe. Dem muss deshalb auch in Anknüpfung an Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes – wir haben in einem anderen Zusammenhang schon viel darüber diskutiert – der gesamte Kinder- und Jugendförderplan Rechnung tragen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Allerdings – und dieses Schicksal haben eigentlich alle Querschnittsaufgaben – droht immer ein wenig, dass am Ende für die Querschnittsaufgabe keiner mehr zuständig ist, man durch das Raster fallen könnte und in den Mühlen des Alltags zermahlen wird. Wir schlagen daher ein Instrument vor, wie dieser Frage der Geschlechtergerechtigkeit und der geschlechtersensiblen Ausgestaltung des Kinder-und Jugendförderplans Rechnung zu tragen ist, nämlich ein Instrument zur Überprüfung, ob die Mittel und die Instrumente wirksam und in der Umsetzung messbar sind. Konkret schlagen wir das Instrument des Gender-Budgeting vor, weil entgegen allen blumigen Ankündigungen in den Kinder- und Jugendförderplänen und den einschlägigen Gesetzen keine evidente Evaluierung vorliegt, ob diese Grundsätze in der Realität eingehalten werden.
Wir alle wissen: Politische und vor allem finanzrelevante politische Entscheidungen haben Auswirkungen auf Frauen und Männer und auf Jungen und Mädchen, die im Einzelfall sehr unterschiedlich sein können. Wir haben über viele Bereiche diskutiert. Gerade was die öffentliche Infrastruktur angeht, gibt es sehr unterschiedliche Bedarfe. Diesen Bedarfen gilt es Rechnung zu tragen. Außerdem muss bei der Verausgabung öffentlicher Mittel im Hinblick auf die geschlechtergerechte Verteilung ein Überprüfungsinstrumentarium implementiert werden, und das schlagen wir exemplarisch für den Kinder- und Jugendförderplan vor.
Warum tun wir das? Wir sind der Auffassung, dass der Kinder- und Jugendförderplan Nordrhein-Westfalen ein Best-Practice-Modell werden kann und soll, um geschlechtergerechte Jugendpolitik in Nordrhein-Westfalen, aber auch darüber hinaus, voranzutreiben, und hoffen, dass wir hier weiterhin konstruktiv beieinander bleiben. Wir haben jetzt gesagt, wir finden den Aufschlag gut, und hoffen natürlich, dass Sie sich unserer Erweiterung anschließen. Nehmen Sie sich des Gender-Budgetings für den Kinder- und Jugendförderplan an, und machen Sie es sich zu eigen! – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN) 


Kurzintervention
Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Jetzt habe ich mir nicht nur Ihre Ausführungen, Herr Minister, angehört, sondern auch die Ausführungen der Vorredner und Vorrednerinnen von CDU und FDP. Ich bin froh darüber, dass wir diesen Antrag an den Ausschuss überweisen, damit wir dort tatsächlich in die fachliche Diskussion einsteigen können. Denn das, was hier von Ihnen, aber auch von den Kolleginnen und Kollegen der NRW-Koalition vorgetragen wurde, ist in großen Teilen einfach faktenfreier Unsinn.
(Zurufe von der FDP: Oh! – Zuruf von der AfD: Frage!)
Denn das Instrument des Gender Budgeting ist in allererster Linie nicht ein Verteilungsinstrument. Es ist in allererster Linie ein Analyseinstrument. Bei dieser Analyse geht es genau um das, was Sie, Herr Minister, zu Recht gesagt haben: Es geht darum, die Chancengerechtigkeit sicherzustellen.
Diese Chancengerechtigkeit kann man aber nur dann messen und auch feststellen, ob man gegebenenfalls nachregulieren muss,
(Ralf Witzel [FDP]: Es geht nur um Bürokratie bei Ihnen!)
wenn man ein Instrument wie das Gender Budgeting an der Hand hat, das die Mittelvergabe und die Wirksamkeit der verausgabten Mittel auch tatsächlich überprüft.
Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Wir werden im Ausschuss auch eine Anhörung dazu betragen. Denn wir haben das Gefühl, dass noch ein wenig externer Sachverstand benötigt wird. Außerdem wollen wir die Träger selbst zu Wort kommen lassen und ihre Einschätzung dazu hören, ob es sinnvoll ist, an dieser Stelle mit Analyseinstrumenten nachzuregulieren.
(Beifall von den GRÜNEN)

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