Josefine Paul: „Es geht Ihnen um Stimmungsmache gegen Selbstbestimmungsrechte“

Antrag der "AfD"-Fraktion zum Transsexuellengesetz

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer kann über unsere Identität entscheiden? – Ich glaube, dass das nur wir selbst können. Die persönliche Freiheit ist ein hohes Gut, und das ist auch der Grund für ein Selbstbestimmungsgesetz. Das muss auch endlich das Leitbild des gesellschaftlichen und rechtlichen Umgangs mit geschlechtlicher Identität und geschlechtlicher Vielfalt werden. Es geht um die Freiheit und um das Recht, die eigene Identität selbst bestimmen zu dürfen. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein.

Das Selbstbestimmungsgesetz soll der großen Bedeutung der eigenen Identität auch gesetzlich Rechnung tragen. Es wurde jetzt schon mehrfach darauf hingewiesen: Transgeschlechtliche Menschen sehen sich noch immer mit großen und hohen Hürden konfrontiert und müssen entwürdigende Prozeduren über sich ergehen lassen. Diese führen oftmals zu jahrelangen Odysseen durch die Prozesse auf dem Weg zu ihrer eigenen Identität, die sie dazu zwingt, diese Prozesse durchzumachen. Das sehen nicht nur wir so, sondern – der Kollege hat das bereits geschildert – das hat auch das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach so beurteilt, und dementsprechend besteht hier eben Handlungsbedarf.

Es geht nicht nur um die Frage von operativen Eingriffen. Allein für eine Vornamensänderung muss man in diesem Land nach wie vor zwei Gutachten beibringen, die einem eine Störung der Geschlechtsidentität attestieren.

Ich glaube, das hat mit Selbstbestimmung nichts zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der FDP – Zuruf: So ist es!)

Das bedeutet in der Konsequenz, dass sich eine Transfrau als psychisch kranker Mann diagnostizieren lassen muss, um am Ende endlich als Frau in ihrer eigenen Identität leben zu können. Die Unterstellung, hier würde es sich um eine psychische Disposition handeln, widerspricht aus unserer Sicht schlicht der Menschenwürde.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der FDP)

Ihr Antrag suggeriert ja auch ein gewisses Verständnis für trans- und intergeschlechtliche Menschen. Darauf ist gerade schon durch den Kollegen Müller hingewiesen worden. Aber trotzdem kommt ja die eigentliche Intention des Antrags durch. Auch in dem Wortbeitrag von gerade wurde ja allein durch die Wortwahl des „ideologischen Zeitgeistes“ entlarvt, worum es Ihnen eigentlich geht und was die eigentliche politische Haltung ist.

Es geht Ihnen nicht um die Rechte von Kindern und Jugendlichen, sondern es geht Ihnen um Stimmungsmache gegen Selbstbestimmungsrechte, und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Wir werden es Ihnen auch nicht durchgehen lassen, dass Sie die so wertvollen Aufklärungsprojekte an dieser Stelle diffamieren. Ich bin sehr froh, dass in diesem Haus große Einigkeit darüber herrscht, dass Projekte wie „SCHLAU“ eben ganz entscheidende Beiträge für die Aufklärungsarbeit leisten,

(Beifall von Frank Müller [SPD])

die in diesem Sinne auch Menschenrechtsarbeit ist.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Jörn Freynick [FDP])

Deswegen können Projekte wie „SCHLAU“ …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Frau Kollegin Paul. Ich muss Ihnen immer ins Wort fallen, weil Sie keine Pausen machen.

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

Ich habe Sie jetzt unterbrochen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Sie haben es doch geschafft, dazwischenzukommen!)

– Ja. Aber die Zwischenfrage ist nun mal da. Herr Kollege Wagner von der AfD würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Josefine Paul (GRÜNE): Ja, bitte.

Markus Wagner (AfD): Herzlichen Dank, Frau Kollegin Paul, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. Die ist auch relativ kurz und ist übrigens auch für Herrn Müller zur Kenntnis:

Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass die AfD entgegen aller Unterstellungen, die hier so von sich gegeben werden, mit Sybill de Buer eine transsexuelle Frau als Bürgermeisterkandidatin aufgestellt hat, die lieber nicht „Biofrau“ genannt werden will? Glauben Sie nicht, dass das alle Ihre Theorien über Gott weiß was Schlimmes, was wir alles verfolgen, ein wenig über den Haufen wirft?

Josefine Paul (GRÜNE): Da stellt sich mir die Frage, ob Sie das glauben.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Jörn Freynick [FDP])

Glauben Sie ernsthaft, dass die Tatsache, dass bei Ihnen unterschiedlichste Menschen aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen Mitglied sind, dazu führt, dass sich Ihre Ideologie damit überdecken lässt? Glauben Sie das selbst? Ich glaube es nicht.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Ich will nur noch mal etwas unterstreichen, damit dieser Unfug nicht als Letztes stehen bleibt: In diesem Hohen Haus herrscht zwischen den vier demokratischen Fraktionen Einigkeit darüber, dass das Selbstbestimmungsrecht von Menschen ein hohes Gut ist, und dass sich vor allem die Aufklärungsprojekte, die in Schulen für Menschenrechte und für die Vielfalt unserer Gesellschaft gute Arbeit leisten, sicher sein können, dass sie unsere volle Unterstützung haben, vor allem unsere volle Unterstützung gegen die Unterstellungen, die immer wieder vonseiten der AfD und anderen Rechtspopulisten gegen sie vorgebracht werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

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