Josefine Paul. „Es geht darum, potenzielle Opfer zu stärken“

Antrag der "AfD"-Fraktion zum Thema Stalking

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Stalking ist ein Gewaltdelikt, 80 % der Opfer sind Frauen. Somit lässt sich sagen, dass auch Stalking eine Form von geschlechtsspezifischer Gewalt ist. Es geht hier zumeist um die Ausübung von Macht. Oftmals sind es Ex-Partner, es können auch Kollegen oder Freunde sein, aber ganz häufig handelt es sich um Täter – möglicherweise Täterinnen – aus dem sozialen Nahfeld.
Es ist schon angesprochen worden: Die Umwandlung des Straftatbestands der Nachstellung von einem Erfolgsdelikt, bei dem das Leben tatsächlich beeinträchtigt wurde oder ist, zu einem Eignungsdelikt ist deswegen so wichtig, weil es noch einmal deutlich macht, dass das Selbstbestimmungsrecht insbesondere auch von Frauen keine Verhandlungsmasse ist. Es gibt nicht ein bisschen Verletzung des Selbstbestimmungsrechts, sondern das gilt absolut. Es ist erfreulich, dass der Gesetzgeber in den letzten Jahren nicht nur an diesem Punkt, sondern auch beispielsweise im Bereich des Sexualstrafrechts das Selbstbestimmungsrecht insbesondere von Frauen noch einmal massiv gestärkt hat, auch durch die gesetzliche Festschreibung des Prinzips „Nein heißt Nein“.
Ein weiterer gesetzlicher Punkt kann dabei helfen, Opfer zu stärken. Es ist eben auch möglich, nach § 1 des Gewaltschutzgesetzes eine Schutzanordnung zu erwirken, also ein Kontakt- oder Näherungsverbot zu erwirken.
Aber all diese Dinge stehen und fallen damit, ob die Frauen – oder die Opfer, die aber in den meisten Fällen Frauen sind – auch wirklich für sich das Gefühl haben, ein Recht darauf zu haben. Es geht darum, Opfer bzw. potenzielle Opfer zu stärken, ihre Anzeigebereitschaft zu erhöhen, denn – das ist schon angeklungen – es gibt ein hohes Dunkelfeld. Aber nicht alle steigenden Zahlen deuten auch wirklich darauf hin, dass es mehr Fälle gibt. Unter Umständen steht auch dahinter – und das wäre ja erfreulich –, dass mehr Opfer sich ermutigt fühlen, Anzeige zu erstatten und von ihrem Recht Gebrauch zu machen und sich deswegen möglicherweise höhere Zahlen ergeben.
Wir müssen also weiterhin auf eine Sensibilisierung von Opfern hinwirken, damit sie nicht mehr das Gefühl haben, sie seien möglicherweise selbst schuld daran, damit sie keine Scham empfinden oder Angst haben, es handele sich ohnehin nur um eine Bagatelle, und es für sich selbst nur als Bagatelle abtun. Nein, das ist keine Bagatelle. Nachstellung, Stalking ist eine Gewalttat, ein Gewaltdelikt, und dementsprechend haben Frauen und alle Opfer von Stalking ein Recht auf Schutz durch die Gesellschaft.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will auch noch darauf hinweisen, dass Opferschutz und Prävention nur im Netzwerk funktionieren. Einerseits spielt dabei die Polizei eine wichtige Rolle, andererseits natürlich auch die Justiz. Auch hier geht es darum, dass diejenigen sensibel dafür sind, die Besonderheiten solcher Delikte gegen die Selbstbestimmung von Menschen auch so einzuordnen. Es geht aber auch ganz stark darum, dass wir eine Hilfeinfrastruktur brauchen, die Menschen begleitet, unterstützt, aber auch Präventionsarbeit leistet.
In Ihrem Antrag vermisse ich einen dezidierten Hinweis auf die Frauenhilfeinfrastruktur, denn diese ist sehr gut ausgebaut und stellt eine ganz entscheidende Säule im Bereich der Prävention, der Beratung und der Unterstützung dar. Ich hätte mir in der Tat einen direkten Hinweis darauf gewünscht.
Auch wenn Sie darauf hinweisen, dass der runde Tisch weiterarbeiten müsste, sei auch mir der Hinweis erlaubt, dass im bereits existierenden Landesaktionsplan zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt bereits an mehreren Stellen Stalking, Prävention, Schutz und Begleitung explizit benannt sind, so etwa in den Abschnitten zu Gewalt im digitalen Raum, aber auch im Kapitel zu häuslicher Gewalt oder im Kapitel zur Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung.
Ich verstehe das Ansinnen der Ministerin so, dass konsequent an diesem Landesaktionsplan weitergearbeitet werden und auch noch einmal weiter untersucht werden soll, an welchen Stellen gegebenenfalls noch Erweiterungs- und Nachholbedarfe bestehen. Denn klar ist: Wir müssen die Netzwerke weiter stärken, wir müssen die Hilfeinfrastruktur weiter ausbauen, und das bezieht sich nicht nur auf die Frauenhilfeinfrastruktur, sondern natürlich auch auf die Frage, ob unsere Struktur der Gewaltschutzambulanzen schon gut genug ausgebaut ist oder wir dort weiterhin verstärken müssen.
All diese Dinge müssen weiter diskutiert werden. Nichtsdestotrotz ist dieser Antrag aus meiner Sicht an vielen Stellen zu undifferenziert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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