Josefine Paul: „Emanzipation ist ein zentraler Bestandteil sozialer Gerechtigkeit“

HH 2013 Emanzipation

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen. Frau Schneider, das war ein ganz bemerkenswerter Blindflug durch die Frauen- und Gleichstellungspolitik
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
ohne jede konkrete Idee und offensichtlich auch ohne jede konkrete Antwort. Mich hätte nicht nur die Zwischenfrage, sondern auch Ihre Antwort interessiert. Vielleicht wäre irgendetwas Erhellendes dabei gewesen, was Sie uns eigentlich hätten erzählen wollen. Sie sind uns die Antwort leider schuldig geblieben. Ich hoffe weiter, dass wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle im Ausschuss noch einiges zu Ihren Ausführungen hören werden. Vielleicht wird es dann verständlicher.
Während Sie die ganze Zeit von Effizienz sprechen, würde ich das Pferd anders aufzäumen wollen. Emanzipation ist ein zentraler Bestandteil sozialer Gerechtigkeit, und ein Haushalt für Emanzipation, Frauen und Gleichstellung ist kein Sparschwein. Aber das scheint bei der FDP eher noch nicht angekommen zu sein.
Wenn Sie sich aber die Schwerpunkte für das Haushaltsjahr 2013 anschauen, wie sie im Haushaltsentwurf vorgelegt werden, werden Sie unsere Einstellung, nämlich soziale Gerechtigkeit vor neoliberaler Effizienz, dort abgebildet finden. Rot-Grün übernimmt Verantwortung für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, setzt Schwerpunkte für die Förderung und Verbesserung der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen und engagiert sich weiterhin konsequent für den Abbau von Homo- und Transphobie in Nordrhein-Westfalen,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
um nur drei Bereiche exemplarisch zu nennen.
Dieser Haushaltsentwurf macht deutlich, Frauen, Mädchen und die LSBTTI-Community in diesem Land können sich auf Rot und Grün verlassen.
(Beifall von der FDP)
Natürlich haben die Konsolidierungsnotwendigkeiten im Haushalt – auch darauf will ich eingehen – ebenfalls Auswirkungen auf den Bereich der Emanzipation. Aber, Frau Schneider, emanzipatorische Haushaltspolitik bedeutet Konsolidierung mit Augenmaß und Verantwortung. Das lassen Sie mit Ihren Einlassungen aus meiner Sicht konsequent außer Acht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Damit möchte ich auf Ihr Lieblingsthema eingehen. Dieser Haushaltsentwurf weist eine Absenkung des Mittelansatzes für die Kompetenzzentren Frau und Beruf von 2 Millionen € aus, nicht etwa, weil wir von der Wichtigkeit nicht mehr überzeugt wären. Nein, wir haben den Ansatz gekürzt, um ihn den realen Bedarfen anzupassen, die nun erhoben sind.
Ist es denn nicht auch aus Ihrer Sicht verantwortliche Haushaltspolitik zu sagen: Da die Bedarfe geringer sind als der vorherige Ansatz, reagieren wir und kürzen ihn um die überschüssigen 2 Millionen €? Aber das befriedigt Ihre Ansätze trotzdem nicht. Ohne Sinn und Verstand würden Sie wahrscheinlich der CDU hinterherrennen, die die Strukturen komplett weghauen will.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir sind da anderer Meinung. Die 15 gestarteten Kompetenzzentren tragen dazu bei, regionale Kräfte für die Verbesserung beruflicher Chancen von Frauen zu stärken und zu vernetzen. Sie bündeln und aktivieren die Potenziale und Ressourcen in den Regionen und sind ein anerkannter Kooperationspartner vor Ort.
Wenn Sie sich die Vielzahl der Trägerstrukturen dieser Kompetenzzentren anschauen, werden Sie finden – Alleinstellungsmerkmal, aufgepasst! –: FDP und CDU sind auch weiterhin die Einzigen, die den Nutzen und die Notwendigkeit dieser Kompetenzzentren nicht erkennen. Ob ich dieses Alleinstellungsmerkmal an Ihrer Stelle gerne hätte, lasse ich mal dahingestellt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch permanente politische Enttäuschung kann eine Form von Verlässlichkeit darstellen. Darauf kann man sich zumindest bei der CDU aus emanzipationspolitischer Sicht konsequent verlassen. Frauen und Mädchen in Nordrhein-Westfalen wissen schon seit Jahren, woran sie mit der CDU sind.
Schwarz-Gelb hat während ihres kurzen Regierungsintermezzos nicht nur die zweite Fachkraftstelle bei den Frauenhäusern gestrichen und damit viele Frauen in Not im wahrsten Sinne des Wortes vor der Tür stehen lassen, Sie waren es auch, die die Regionalstellen gestrichen haben und damit die berufliche Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen torpediert haben.
Jetzt kommt die CDU mit dem alten aufgewärmten Vorschlag wieder um die Ecke, stellt einen Antrag und will qua Mittelentzug den Kompetenzzentren wieder den Boden unter den Füßen wegziehen. Auf die Unterstützung der FDP – das haben wir gerade gehört – können Sie sich dabei wahrscheinlich verlassen. Wir sehen, Leihstimmen funktioniert bei Schwarz-Gelb auch in die andere Richtung. Das ist doch schön.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schneider zulassen?
Josefine Paul (GRÜNE): Frau Schneider, anders als Sie bin ich gern bereit, auch von hier vorn mit Ihnen in den Diskurs zu treten.
Susanne Schneider (FDP): Frau Paul, vielen Dank. – Frau Paul, Sie argumentierten gerade mit den Frauenhäusern, dass dort die Frauen vor den Türen hätten stehen müssen. Gibt es dafür verlässliche Zahlen und, wenn ja, welche?
Josefine Paul (GRÜNE): Selbstverständlich gibt es dafür verlässliche Zahlen. Die Zahlen im Detail müssen Sie beim MGEPA abfragen. Aber es gibt auch heute noch die sogenannte Ampel, die uns zeigt, wie die Belegungszahlen bei den Frauenhäusern sind.
Gehen Sie doch einmal in die einzelnen Frauenhäuser und fragen Sie konkret nach, wie sich die Situation vor Ort verbessert hat dadurch, dass wir die zweite Fachkraftstelle konsequent wieder eingeführt haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Aber wollen wir uns noch kurz einem anderen Thema zuwenden. Ich bin froh, dass Nordrhein-Westfalen in punkto Antidiskriminierungspolitik – Herr Lindner, da würde ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen –,
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
Gleichstellung im Kampf gegen Homo- und Transphobie mittlerweile eine Voreiterinnenrolle einnimmt. Das kann man von Berlin nicht gerade behaupten. Da lässt man sich konsequent von Gerichten treiben.
Dieser Haushaltsentwurf bildet die Grundlage für die sukzessive Umsetzung des Landesaktionsplans gegen Homo- und Transphobie. Während die CDU auf allen Ebenen offensichtlich weiter darüber streiten muss, ob man trotz wahrer Niederlagenfluten beim Bundesverfassungsgericht irgendwie die Diskriminierung von Lebenspartnerschaften als konservativen Markenkern weiter erhalten kann, nehmen wir gesellschaftspolitische Fragen konsequent in den Blick.
Ich habe nur noch einen kleinen Hinweis für Sie. Ein konkretes Projekt aus diesem Landesaktionsplan ist beispielsweise das Schulaufklärungsprojekt „SchLAu NRW“. Ich bin mir ganz sicher, dass die engagierten jungen Leute aus diesem Projekt auch einmal sehr gern in die CDU-Fraktion kommen würden, um bei Ihnen die Berührungsängste mit dieser gesellschaftlichen Realität zu besprechen und zu bearbeiten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)