Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Montag haben wir den internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen begangen.
Die Zahlen, die da noch einmal breit durch die Presse gegangen sind, müssen uns in der Tat schockieren, obwohl es leider keine neuen Zahlen sind; es ist keine neue Erkenntnis. Leider ist die Gewalt, die in Partnerschaften oder im häuslichen Kontext passiert, auch nicht rückläufig.
Das zeigt, dass – völlig zu Recht – der Bereich „Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen“ ein ganz zentraler Bereich des Haushaltes ist. Es ist auch wichtig, dass das immer auch eine haushalterische und politische Kontinuität in diesem Haus gewesen ist.
Natürlich begrüßen wir auch, dass es einen Mittelaufwuchs in diesem Bereich gibt und dass zwei neue Frauenhäuser bzw. zwei bestehende Frauenhäuser neu in die Landesförderung aufgenommen werden konnten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Nichtsdestotrotz muss man allerdings sagen: Von der Erfüllung der „Zielvereinbarung über die Zukunftssicherung der Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen“ sind wir noch weit entfernt.
Denn schaut man auf die Karte der autonomen Frauenhäuser, wird man leider feststellen, dass die meisten Ampeln auf dieser Karte, die anzeigen, wo noch Frauenhausplätze frei sind, leider auf Rot stehen. Das bedeutet, dass es dort eben keine freien Plätze gibt.
Wenn wir uns anschauen, welche Anzahl an Schutzplätzen wir zur Umsetzung der Istanbul-Konvention eigentlich vorhalten müssten, wird deutlich, welche immense Kraftanstrengung wir hier noch vor uns haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auf Deutschland gerechnet bedeutet das: Wir brauchen über 21.000 Plätze. Zur Verfügung stehen in Deutschland derzeit 6.400 Plätze. Bricht man das auf Nordrhein-Westfalen herunter, bräuchten wir alleine hier um die 4.800 Plätze.
Durch die Landesförderung refinanziert sind derzeit 609 Plätze. Das ist eine immense Diskrepanz, die deutlich macht, dass wir hier noch einen ganz weiten Weg vor uns haben. Das kann das Land sicherlich nicht alleine schaffen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir brauchen in diesem Bereich auch eine höhere Anstrengung des Bundes, weil klar ist, dass es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung und auch eine gesamtpolitische Verantwortung gibt.
Das Programm von Ministerin Giffey ist sicherlich zu begrüßen, aber es ist eben mal wieder ein Programm. Was wir brauchen, ist eine strukturelle Einbeziehung des Bundes auch bei der Finanzierung.
Dazu liegen – wir haben im Ausschuss schon einmal kurz darüber gesprochen – auch Modelle vor. Ein individueller Rechtsanspruch ist mittlerweile überfällig, damit Bund, Land und Kommunen gleichermaßen dazu beitragen können, dass wir die Schutzlücke, die real eine Gefahr für Frauen darstellt, endlich füllen können.
Das bedeutet aber gleichermaßen, dass natürlich auch das Land höhere Kostenanstrengungen bei der Personalfinanzierung in den nächsten Jahren wird vornehmen müssen. Das bedeutet mehr Engagement der Regierung.
Wenn Sie das weiter fortsetzen und ordentlich an Mitteln aufsatteln, haben Sie uns auch an dieser Stelle an Ihrer Seite.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ein wichtiger Punkt, der in diesem Haushalt angesprochen ist, bei dem aber die Perspektive unklar ist, ist die Frage von Second-Stage-Modellen. Ich glaube, die Second-Stage-Modelle sind eine sehr erfolgreiche Weiterentwicklung der Frauenhilfeinfrastruktur. Sie sind bis 2020 gesichert.
Was passiert nach 2020? – Ich hoffe nicht, dass Sie diese nach 2020 nicht mehr weiter finanzieren. Vielmehr müssen sie ausgebaut werden, und in der Perspektive müssen sie in die Flächendeckung kommen.
Was ist eigentlich der Handlungsauftrag des Ministeriums? – Auch die Ministerin erklärt, dass Art. 3 Abs. 2 Handlungsauftrag des Ministeriums ist. Das ist gut und richtig; das teilen wir. Nur allein in der Umsetzung scheint es Differenzen zwischen unseren Einstellungen zu dem Handlungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 zu geben.
Denn was passiert beispielsweise im öffentlichen Dienst? – Ehrlich gesagt passiert nach wie vor nichts. Es passiert, Frau Ministerin, kurzfristig nichts, es passiert mittelfristig nichts. Und langfristig? – Na ja.
Wir können uns noch einmal über die Jahreszahlen austauschen und was das jetzt bedeutet, aber wir stellen fest, dass Sie die Quote rückabgewickelt haben.
Bezüglich der strukturellen Benachteiligungen in Ihren Ministerien haben Sie einmal kurz die Decke gelüftet, festgestellt, dass alles gar nicht so schlimm sei, und damit ist der Auftrag für Sie offensichtlich erfüllt. Das, Frau Ministerin, ist zu wenig für die Umsetzung des eigenen Anspruchs.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schauen wir uns die Diskussion um mehr Frauen in den Parlamenten an. Die Frauen-Union fordert jetzt die paritätische Besetzung von Listen.
(Beifall von den GRÜNEN)
– Genau, Beifall dafür.
Aber der Beifall ist hier leider etwas verfrüht, denn das fordert ja nur die Bundesvorsitzende, Frau Widmann-Mauz.
Die Landesvorsitzende und gleichzeitig Gleichstellungsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen ist eine erklärte Gegnerin derartiger Paritätsregelungen.
Auch da frage ich mich, wie weit es mit dem Handlungsauftrag und dem Gestaltungsanspruch nach Art. 3 Abs. 2 her ist.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Aber ein konkreter Gesetzentwurf zur Parität liegt vor. Sie können sich diesem in Diskussion mit der Frauen-Union noch anschließen.
Ich glaube, das wäre ein gutes Signal im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2.
(Beifall von den GRÜNEN)