Josefine Paul: „Die Weiterentwicklung des Gesetzes muss ressort- und rechtskreisübergreifend sein“

Zum Entwurf der Landesregierung für ein Landeskinderschutzgesetz - zweite Lesung

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geschieht mitten in unserer Gesellschaft, und es geschieht jeden Tag. Die aktuelle Kriminalstatistik macht das noch einmal auf erschreckende Weise deutlich.

Sie zeigt aber auch, dass steigende Zahlen im Hellfeld nicht alleine auf einen Anstieg der Taten insgesamt hindeuten müssen, sondern auch darauf zurückzuführen sein können, dass mehr Taten aus dem Dunkelfeld geholt werden konnten, dass mehr ans Licht kommt, dass mehr hingeschaut und hingehört wird und dass eine höhere Sensibilität in der Gesellschaft vorherrscht.

Die schrecklichen Fälle von Lügde, Münster und Bergisch Gladbach haben das Thema des Kinderschutzes und der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ins öffentliche Bewusstsein gerückt und haben auch zu einer politischen und sehr intensiven Debatte in diesem Haus geführt.

Der Landtag hat sich in seinen Fachausschüssen immer wieder damit befasst, aber vor allem wurde dieses Thema im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss bearbeitet – in der letzten Sitzung des Plenums haben wir den Zwischenbericht vorgelegt und gehört –, und wir haben als demokratische Fraktionen gemeinsam eine Kinderschutzkommission eingesetzt.

Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass diese wichtige Arbeit auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden soll. Auch das ist ein sehr gutes Zeichen dafür, dass dieses Haus den Kinderschutz ernst nimmt und hier auch strukturell verankert.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Das Landeskinderschutzgesetz, welches wir heute gemeinsam beschließen werden, ist nicht zuletzt auf der Grundlage dieser intensiven parlamentarischen Befassung, der vielen Anhörungen und der Erkenntnisse aus der Arbeit der Gremien entstanden. Dennoch müssen wir uns bewusst machen, dass wir mit diesem Gesetz einen ersten Schritt machen. Wir machen einen großen und wichtigen Schritt, aber die Anhörung hat auch deutlich gemacht, dass noch eine Strecke vor uns liegt.

Die Anhörung hat aber ebenfalls sehr deutlich gemacht, dass es ein klares Bekenntnis all derjenigen gibt, die an dem Anhörungsverfahren beteiligt waren, diesen Weg gemeinsam weiterzugehen.

Der vorliegende Entwurf bezieht sich, wie schon erwähnt wurde, in erster Linie auf die Jugendämter, auf verbindliche Standards, die wichtig sind, aber auch auf Schutzkonzepte, die, damit sie auch gelebt werden können, am Ende des Tages in den Einrichtungen und in allen Organisationen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, mit Ressourcen hinterlegt werden müssen.

Aber wir müssen weiter gehen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe für die nächste Legislaturperiode, wenn wir den Kinderschutz wirklich zu einer Querschnittsaufgabe mit gemeinsamen Verantwortlichkeiten und gemeinsamen Verbindlichkeiten weiterentwickeln wollen.

Die Einrichtung einer Netzwerkkoordinierung auf kommunaler Ebene haben wir lange gefordert. Es ist gut, dass sie nun auch kommt. Aber wir müssen in der Weiterentwicklung des Gesetzes auch dafür sorgen, dass die Partner aus Polizei, Justiz, Schule und Gesundheitswesen genauso verbindlich eingebunden werden. Gleichermaßen müssen wir die Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Zusammenarbeit stärken. Die Weiterentwicklung des Gesetzes muss ressort- und rechtskreisübergreifend sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In diesem Sinne kann und darf der Beschluss heute nur ein Einstieg in eine gesetzliche Rahmensetzung sein. Er muss uns gleichermaßen Auftrag sein, hier konsequent weiterzuarbeiten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

In der Ausführung und Anwendung des Gesetzes wird dann eben auch darauf zu achten sein – auch das ist in der Anhörung deutlich geworden –, dass die Rollen und Zuständigkeiten der jeweiligen Akteure im Kinderschutz klar ausgestaltet und immer im guten Zusammenwirken bestehender Strukturen konkretisiert werden. Auch das ist eine Aufgabe, die wir jetzt gemeinsam haben.

Im Entschließungsantrag bringen die demokratischen Fraktionen ihren festen Willen zum Ausdruck, den gemeinsamen Weg weiter zu beschreiten, auch mit Blick auf die mögliche Einsetzung einer Beauftragten für den Kinderschutz und für Kinderrechte. Wir haben das intensiv diskutiert, und wir werden diesen Weg auch weiter intensiv miteinander diskutieren. Denn nicht zuletzt sind auch die Stärkung der Kinderrechte und eine echte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wichtige Bausteine, die es weiterzuentwickeln gilt. Gleiches gilt für die Stärkung der Aufarbeitung und die Einbeziehung von Betroffenen.

Abschließend möchte natürlich auch ich mich für die sehr konstruktive Zusammenarbeit in diesem Bereich und für die Möglichkeit, immer wieder miteinander zu diskutieren, an welchen Stellschrauben wir möglicherweise nachjustieren können, bedanken. Ein Beispiel dafür ist die Innovationsklausel. Andere Dinge haben wir zumindest im gemeinsamen Entschließungsantrag angelegt und dort eine klare Perspektive eröffnet, an welchen Punkten wir konkret weiter ansetzen wollen.

Wir sind mit der Verabschiedung des Gesetzes heute gemeinsam einen wichtigen Schritt gegangen, und ich bin wirklich sehr zuversichtlich, dass wir diese gute Zusammenarbeit auch in Zukunft fortsetzen werden. Dafür mein ganz herzlicher Dank. Dieser gilt auch allen Sachverständigen und Expertinnen; all denjenigen, die mit uns im Kontakt waren und die unsere Arbeit nicht nur bereichert haben, sondern ganz entscheidend dazu beigetragen haben, dass wir heute diesen Gesetzentwurf miteinander auf den Weg bringen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

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