Josefine Paul: „Die Vereine müssen endlich anerkennen, dass sie dafür die Verantwortung tragen müssen.“

Antrag der FDP zu Gewalt im Fußball

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mich eigentlich bei der Lektüre der Anträge, sowohl des Entschließungsantrags als auch des ursprünglichen Antrags der FDP, über den doch grundsätzlich sehr moderaten Ton gefreut und auch über die Einigkeit, die darin besteht, dass grundsätzlich Stadionbesuche in diesem Land sicher sind und dass es sich grundsätzlich um Ausnahmen handelt, wenn wir solche Ausschreitungen wie in Köln oder Bielefeld beobachten müssen. Weiterhin dachte ich, es bestehe auch Einigkeit darin, dass wir das in dieser Form nicht wollen. Wir können und werden das nicht tolerieren.
Unglücklicherweise habe ich das Gefühl, dass in dieser Debatte das Abschichten, das aus meiner Sicht in den letzten Debatten gut gelungen war, jetzt nicht mehr ganz so gut gelungen ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Kollege Lohn, Sie haben wieder Bilder beschworen, die etwas aus der Zeit gefallen zu sein scheinen und die daran erinnern, dass wir Debatten über bürgerkriegsähnliche Zustände führen usw. Das halte ich für über das Ziel hinausgeschossen.
Wir sind uns doch völlig einig darin, dass wir keine Gewalt in den Stadien wollen. Das ist keine Frage. Wir wollen auch keine Gewalt auf dem Weg zu Stadien und auch keine sogenannten Drittortauseinandersetzungen. Wir wollen aber auch keine Panikmache, die völlig unnötig ist und die Sie mit Ihrem Redebeitrag eindeutig geschürt haben.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Daniel Düngel [PIRATEN])
Wir sind uns sicherlich auch darin einig, dass Gewalt kein alleiniges Problem des Fußballs ist. Nichtsdestotrotz müssen wir auch beim Fußball dagegen vorgehen. Aber Fußball kann eben auch – die erfolgreiche Arbeit unserer 14 Fanprojekte, die nach NKSS gefördert werden, stellt das unter Beweis – ein Ansatzpunkt zur Gewaltprävention sein. Darauf sollten wir in der Debatte verstärkt schauen.
Ich bitte noch einmal – das habe ich auch schon im Innenausschuss gesagt – um eine Differenzierung in der Debatte. Es gibt die Jugendkultur Ultra, und es gibt auch die Erlebniswelt Stadion, die wir in diesen Formen ernst nehmen sollten. Wir müssen auch ernst nehmen, dass nicht alle jugendlichen Ultras Intensivtäter und Intensivtäterinnen sind. Wir dürfen Sie in der Debatte auch nicht dazu machen.
Die Fanprojekte leisten einen wichtigen Beitrag, damit aus jugendlichen Grenzgängerinnen und Grenzgängern, die vielleicht mal über die Stränge schlagen – das muss ohne jede Frage Konsequenzen haben –, keine Intensivtäterinnen und Intensivtäter werden. Wir wollen versuchen, mit präventiven Maßnahmen und mit Bewährungsmöglichkeiten nach Fehlverhalten dort anzupacken, damit wir eben keine Horde von Intensivtätern haben, die, wie von Ihnen, Herr Kollege Lohn, suggeriert, marodierend durch die Lande zieht. Wir möchten vielmehr dort anpacken, um der Gewalt präventiv entgegenzuwirken.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller zulassen?
Josefine Paul (GRÜNE): Sehr gerne.
Holger Müller (CDU): Schönen Dank, Frau Kollegin. – Ich finde es gut, was Sie zu den Fanprojekten gesagt haben. Aber warum haben Sie denn vor kurzem unseren Antrag abgelehnt, in dem wir eine weitere Stärkung der Arbeit der Fanprojekte vorgeschlagen haben – inklusive der Personalfragen?
(Beifall von den PIRATEN – Minister Ralf Jäger: 10 Millionen € zusätzlich!)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Kollegin.
Josefine Paul (GRÜNE): Zum einen ist es nicht allein Aufgabe des Landes, die Fanprojekte zu stärken, sondern die Kommunen müssen mitziehen. Wir haben eine Dreierfinanzierung. Das heißt: Das Geld kann nur dann fließen, wenn bis zu 50 % – das ist neu – von DFL und DFB, die ihre finanzielle Verantwortung im Übrigen erhöht haben – das ist sehr zu begrüßen –, übernommen werden und wenn die gleichen Finanzierungsanteile von Kommune oder Land kommen.
Wir haben sehr wohl gesagt, dass es dort, wo es geboten und notwendig ist, Möglichkeiten gibt, etwas oben drauf zu packen – auch bei den Fanprojekten. Das haben wir in einem Antrag miteinander bekräftigt, Herr Kollege.
Das bringt mich zu der Frage, wer die Verantwortung für ein sicheres und „schönes“ Stadionerlebnis hat. Denn auch hierbei wurde wieder suggeriert, dass der Innenminister dafür zuständig sei, dass alles glatt läuft. Dass Sie nicht noch gesagt haben, dass der Innenminister dafür zuständig ist, dass Fortuna Düsseldorf oder der 1. FC Köln gewinnt, war schon alles.
(Minister Ralf Jäger: Oder dass er die Tore schießen muss!)
– Genau. Herr Minister, Sie können auch die Tore schießen. Das wäre auch interessant. Vermutlich wäre das denn eher für den MSV Duisburg.
Natürlich ist nicht der Innenminister allein für den ordentlichen Ablauf eines Fußballspiels zuständig, sondern das liegt in der Verantwortung aller Beteiligten. Dazu gehört auch, dass die Veranstalter, nämlich die Vereine, für die sichere Durchführung des Spiels im Stadion verantwortlich sind.
(Beifall von Iris Preuß-Buchholz [SPD])
Die Vereine müssen endlich anerkennen, dass sie dafür die Verantwortung tragen müssen und nicht nur hochprofessionell und mit viel Geld auf dem Rasen agieren, sondern endlich auch hochprofessionell mit professionellen Ordnerdiensten neben dem Rasen und bei der Stadionsicherheit agieren.
(Beifall von den GRÜNEN und Markus Herbert Weske [SPD] – Iris Preuß-Buchholz [SPD]: Wohl wahr!)
Das muss es den Vereinen wert sein; das muss es uns auch wert sein.
Dialog und gegenseitige Gesprächsbereitschaft sind der Schlüssel, um gemeinsam Verantwortung für eine positive Fankultur zu übernehmen. Vorbehalte müssen auf allen Seiten abgebaut, und die Anliegen müssen gegenseitig ernst genommen werden. Dazu gehört natürlich auch, dass Fans und Vereine ernst nehmen, dass die Belastungszahlen der Polizei gesenkt werden müssen – ohne jede Frage. Andersherum gehört eben auch dazu, nachzufragen, warum sich Fans so verhalten, wie sie es an der einen oder anderen Stelle tun.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Lürbke zulassen?
Josefine Paul (GRÜNE): Ja.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.
Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass ich die Frage stellen darf. Sie haben gerade die Arbeit der Fanprojekte betont und auch noch einmal unterstrichen, dass die Vereine ihren Teil leisten müssen. Darin sind wir uns einig. Das ist aber nichts Neues; darüber haben wir schon mehrfach diskutiert.
Aber wenn man sich das jetzt einmal konkret anschaut – nehmen wir das Spiel Bielefeld gegen Dresden –: Sind Sie bereit, anzuerkennen, dass man eine Situation, wie sie sich in Bielefeld dargestellt hat, nicht allein durch Prävention und auch nicht allein durch bessere Ordnerdienste in den Griff bekommen kann? – Selbst die Bundespolizei hatte am Bahnhof von Bielefeld Probleme und wurde dann unterstützt. Ich glaube, selbst qualifiziertere Ordner sind irgendwann am Ende ihrer Möglichkeiten.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Josefine Paul (GRÜNE): Es ist klar, dass es auch Bereiche gibt, in denen man sagen muss: Hier handelt es sich um Intensivtäter und Intensivtäterinnen, die durch die präventive Arbeit von Fanprojekten nicht zu erreichen sind. Da muss natürlich die Strafverfolgung greifen.
Aber Sie spielen auch ein Stück weit auf die Maßnahmen an, die Sie in Ihrem Antrag gefordert haben. Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Natürlich können Meldeauflagen einen Beitrag dazu leisten. Aber Meldeauflagen greifen stark in die Grundrechte der Betroffenen ein, und dementsprechend sind sie nicht auf vage Vermutungen oder auf die Zugehörigkeit zu irgendeinem Fanclub zu stützen, sondern sie bedürfen einer Einzelfallgefahrenprognose, einer Einzelfallprüfung. Das ist auch richtig und wichtig. Nicht einmal das Stadionverbot genügt als Indikator, um Meldeauflagen verbindlich zu machen.
Das heißt, wir müssen natürlich schauen, an welchen Punkten das, was wir an Maßnahmen – auch an repressiven – fahren müssen, noch ausbaufähig ist. Aber das muss immer unter dem Gebot stehen, dass diese Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen.
Wir hatten dieses Thema im Zusammenhang mit der Nachfrage des Kollegen Düngel gerade in der Debatte: Wenn Sie keine Erkenntnisse haben, auf welcher Basis wollen Sie dann Meldeauflagen einfordern? Auf welcher Basis wollen Sie dann Reiseverbote einfordern usw.? – Ich meine, es müssen schon sehr konkrete Dinge vorliegen, damit wir da unter Umständen nachbessern, auch auf der ordnungspolitischen Seite. Aber das darf immer nur unter ganz klaren Kriterien erfolgen, die rechtsstaatlichen Prinzipien genügen müssen.
Sie haben auch ein schlüssiges und erfolgversprechendes Konzept eingefordert. Der Kollege hat es gerade gesagt: Das NKSS und die NRW-Initiative sind solche schlüssigen und auch erfolgversprechenden Konzepte.
Ich möchte noch einmal auf den Antrag der Piratenfraktion eingehen. Ein wichtiger Punkt in Ihrem Antrag, den ich sehr begrüßenswert finde und den wir uns heute zu Herzen nehmen sollten, ist, dass es darum geht, den Dialog zu stärken, statt nach vereinfachten Lösungen zu suchen. Ich habe in dieser Debatte noch mehr als bei der Lektüre Ihrer Anträge den Eindruck, dass die Politik sich dieser Aufgabe stellen muss. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN)

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