Josefine Paul: „Die Richtlinie atmet immer noch den Geist einer Zeit, in der HIV und Aids als Schwulenseuche galten.“

Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Zulassung von homosexuellen Männern zur Blutspende

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Blut bedeutet Leben. Viele Menschen sind auf eine Blutspende angewiesen, um ihr Leben zu retten. Doch leider herrscht in Deutschland immer wieder Mangel an Blutkonserven, weshalb Vereine und Verbände immer wieder die Menschen darauf aufmerksam machen und sie darum bitten, Blut zu spenden und so möglicherweise Menschen zu helfen und Leben zu retten.
Menschen unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichsten Alters, Geschlechts oder sozialer Schicht kommen bei den Blutspendediensten zusammen, um Blut zu spenden und Menschen zu helfen. Allerdings ist die Gruppe, um die es in unserem Antrag geht, pauschal von der Blutspende ausgeschlossen. Das Transfusionsgesetz ermöglicht es, Personen von der Spendeentnahme auszuschließen, wenn die Personen nach den Richtlinien der Bundesärztekammer von der Spendeentnahme auszuschließen oder zurückzustellen sind. So weit das Transfusionsgesetz.
Generell ausgeschlossen werden durch diese Richtlinie homosexuelle Männer bzw. Männer, die Sex mit Männern haben. Aber auf welcher Grundlage? Diese Richtlinie atmet immer noch den Geist einer Zeit, in der HIV und Aids als Schwulenseuche galten. Denn diese Begründung der Ärztekammer verweist auf das erhöhte HIV-Risiko von Männern, die Sex mit Männern haben, und erklärt sie deswegen per se zur Risikogruppe. Aber ist dies heute noch gerechtfertigt? – Bündnis 90/Die Grünen und SPD sind der Meinung: Nein, das ist heute nicht mehr gerechtfertigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich steht die Minimierung von Infektions- und Gesundheitsrisiken bei Bluttransfusionen im Mittelpunkt aller Überlegungen. Unstrittig ist, dass individuelles Risikoverhalten, im Übrigen unabhängig von der sexuellen Orientierung, Auswirkungen auf die Virussicherheit von Blutprodukten haben kann. Und auch wenn die Anfang des Monats veröffentlichten Zahlen der Aids-Hilfen in der Tat zeigen, dass Männer, die Sex mit Männern haben, eine höhere Infektionsrate haben als heterosexuelle Männer, und auch wenn sie nach wie vor den größten Anteil an HIV-Positiven stellen, so stellen die derzeitigen Richtlinien dennoch eine diskriminierende Unterstellung und eine Pauschalverurteilung von homosexuellen Männern dar.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Homosexuellen Männern wird hier nämlich unterstellt, sie hätten häufig wechselnde Sexualpartner und generell ein stark risikobehaftetes Sexualverhalten. Abgeleitet wird dies einzig und allein aus ihrer sexuellen Orientierung, nicht etwa einer persönlichen Erklärung oder individuellen Betrachtungen. Dies befördert nicht nur Diskriminierung, sondern zusätzlich auch noch Vorurteile gegen homosexuelle Menschen.
Ohne Zweifel geht es uns allen gemeinsam um die größtmögliche Sicherheit bei Blutspenden; aber diskriminierende Vorstellungen dürfen dafür mit Sicherheit nicht die Grundlage bilden.
Meine Damen und Herren, die wissenschaftlichen Testverfahren sind heute sehr viel zuverlässiger. Natürlich ist jede Infektion – da sind wir uns wohl alle einig –, die durch eine Bluttransfusion entsteht, eine zu viel. Aber in den Jahren von 2000 bis 2010 sind nur fünf Fälle nachgewiesen worden, in denen eine HIV-Infektion durch Blutprodukte hervorgerufen wurde. Die neuen Testverfahren schließen also Infektionen unterschiedlichster Krankheiten nahezu aus.
Selbstverständlich maßen wir uns nicht an, als Politik schlauer zu sein als die Expertinnen und Experten. Nichtsdestotrotz wollen wir sehr wohl ein Zeichen setzen und ein Votum abgeben, dass diese pauschalisierende und diskriminierende Praxis überarbeitet werden muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Generalverdacht gegenüber homosexuellen Männern muss von einer diskriminierungsfreien Regelung abgelöst werden, die statt der sexuellen Orientierung das individuelle Risikoverhalten in den Blick nimmt. Denn ist es unserer Gesellschaft wirklich würdig, homosexuelle Männer, die spenden wollen und dazu auch geeignet sind, zur Verleugnung ihrer sexuellen Identität zu zwingen, damit sie anderen Menschen helfen können? Ich denke nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Können wir es uns leisten, auf irgendjemanden zu verzichten, der Blut spenden will und damit unter Umständen Leben retten kann? Auch hier denke ich, dass wir das nicht können. Nicht nur deshalb müssen wir Regelungen finden, die den hohen Sicherheitsanforderungen Rechnung tragen, ohne dabei eine Gruppe pauschal auszuschließen und zu diskriminieren. – Vielen Dank.
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

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