Josefine Paul: „Den Frauen wäre mehr gedient, wenn Sie weniger ankündigen und mehr umsetzen würden“

Antrag der SPD-Fraktion zur gleichwertigen Entlohnung

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Troles, Frau Kollegin Schneider, wenn man die Augen vor strukturellen Problemen verschließt, verschwinden sie deswegen nicht automatisch.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist leider das Problem, das sich durch Ihre beiden Reden durchgezogen hat. An der Stelle hoffe ich ganz ehrlich – das tun Sie sonst auch immer gerne: wenig Eigeninitiative aus den Fraktionen; Sie vertrauen da auf die Landesregierung –, dass wenigstens die Ministerin erkennt, dass das Sich-den-Problemen-Verschließen die Probleme noch lange nicht löst.
Denn statistisch haben Frauen – das ist nun einmal Fakt – in Deutschland bis zum letzten Montag, also bis zum 18. März, im Grunde genommen unentgeltlich gearbeitet.
Es ist leider eine traurige Nachricht, dass wir damit im EU-Vergleich auch keine Vorreiterrolle einnehmen. Denn der EU-Durchschnitt liegt bei 16 % Gender Pay Gap. Wir liegen seit Jahren darüber. In Deutschland ist der Fortschritt im Bereich der Entgeltgleichheit, freundlich formuliert, eine Schnecke, aber eigentlich noch nicht einmal das.
Das hat natürlich Gründe, die auch schon genannt worden sind. Das liegt auch daran, dass Frauen vermehrt in Teilzeit arbeiten. Über 80 % der Teilzeitbeschäftigten auch im öffentlichen Dienst sind Frauen. Das liegt daran, dass sie zu über 80 % diejenigen im prekären Beschäftigungssektor sind. Sie sind in Jobs mit geringerer Bezahlung und geringeren Aufstiegschancen unterwegs.
Das alles führt im Lebensverlauf nicht nur dazu, dass sie einen Gender Pay Gap von 21 % haben, sondern auch dazu, was noch dramatischer ist, dass sich ein Gender Pension Gap von 53 % öffnet. Das heißt: Es bleibt leider auch bei der traurigen Nachricht, dass Altersarmut in diesem Land weiblich ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Jahr war das Motto des Equal Pay Day „WERT- sache Arbeit“. Das ist ein wichtiger Impuls. Denn genau über diese Frage müssen wir uns dringend unterhalten. Gleichwertige Arbeit ist in diesem Land leider nicht gleich viel wert. Denn unterschiedliche Tätigkeitsfelder werden unterschiedlich bewertet und damit auch unterschiedlich bezahlt, was in erheblichem Maße zur geschlechtsspezifischen Lohnlücke bei- trägt. So ist zum Beispiel das Lohnniveau im Care-Sektor weitaus geringer als das im MINT- Bereich. Nur arbeiten Frauen überdurchschnittlich häufig im Care-Bereich und Männer über- durchschnittlich häufig im MINT-Bereich. So erklärt sich also, dass sie zwar eigentlich gleich- wertige Tätigkeiten ausführen, nur unglücklicherweise sehr ungleichwertig dafür bezahlt wer- den.
Hier braucht es dringend eine Neubewertung der sogenannten Frauenberufe, um diese aufzuwerten und den Frauen endlich auch den Lohn zuzugestehen, der ihnen tatsächlich schon seit Langem zusteht und den sie verdienen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sehr geehrte Damen und Herren, das Entgelttransparenzgesetz ist schon angesprochen worden. Es sollte eigentlich zu mehr Lohngerechtigkeit beitragen. Doch leider ist es ein relativ zahnloser Tiger. Das liegt auch und gerade an einem Punkt, den ich sehr wichtig finde und den auch der Deutsche Juristinnenbund in seiner Pressemitteilung zum Equal Pay Day noch einmal sehr betont hat. Wir brauchen endlich ein Verbandsklagerecht in diesem Bereich. In den Reden zumindest von SPD, FDP und CDU ist ja durchgeklungen, dass noch ein gewisses Problem besteht, die gesellschaftliche Verantwortung für dieses Problem zu erkennen. Denn was bedeutet es, dass Frauen bei Diskriminierung im Entgeltbereich selber klagen müssen? Das heißt, dass wir ein eigentlich gesellschaftliches Problem auf die individuell von Diskriminierung Betroffenen outsourcen. Das ist nicht richtig. Deswegen brauchen wir endlich ein wirksames Verbandsklagerecht in diesem Bereich.
Auch im öffentlichen Dienst – das ist ja schon angeklungen – ist noch viel Luft nach oben. Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht ganz, wie man hier sagen kann: Wir haben die Decke gelüftet und druntergeguckt; das ist alles kein Problem.
Da müssten Sie doch vielleicht auch einmal zum Beispiel mit dem Deutschen Beamtenbund sprechen und sich dessen Analyse anschauen. Ich bin mir eigentlich sicher, dass Sie das auch getan haben. Der dbb kommt zu dem Schluss, dass die Bewertungskriterien eben nicht diskriminierungsfrei sind, sondern dass es darum geht, dort auch über Begrifflichkeiten zu sprechen, die vielleicht eher männlich oder weiblich konnotiert sind, und dass es auch darum geht, Stereotype aufzubrechen. Denn leider stellt diese Analyse auch fest, dass Männer weitaus häufiger Bestnoten bekommen als Frauen – und die sind nun einmal entscheidend für Beförderungen und damit de facto auch für mehr Geld. Daher müssen wir auch bei diesen Punkten genau hinschauen. Da reicht es nicht, die Augen zu verschließen und zu sagen: Eigentlich ist da alles in bester Ordnung.
Der öffentliche Dienst ist ein attraktiver Arbeitgeber für Frauen. Das ist eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist aber: Während wir im Eingangsamt sogar knapp über 50 % Frauen haben, verlieren wir die Frauen auf dem Weg bis in die Endämter. Im Bereich der Polizei haben wir in der Besoldungsstufe E14 nur noch 10 % Frauen. Das kann meiner Meinung nach nicht daran liegen, dass Männer zu 90 % besser für Führungspositionen geeignet wären, als Frauen das sind. Es muss strukturelle Gründe haben. Sie sind in der Verantwortung, diese Gründe endlich aufzudecken und zu beheben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Doch bislang lässt die Landesregierung das rechte gleichstellungspolitische Engagement leider vermissen. Wie schon angesprochen wurde, ist das Einzige, was bei den regierungstragenden Fraktionen bislang wirklich gelaufen ist, die Rücknahme des § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz. Damit haben Sie eines gemacht: Sie haben die Frauenförderung in diesem Land geschliffen. Sie haben ihr den Garaus gemacht. Von den Maßnahmen, die Sie groß angekündigt haben, ist genau gar nichts passiert. Alternative Maßnahmen dazu: Fehlanzeige!
Wir fordern Sie auf, jetzt tatsächlich verbindliche Strukturanalyseverfahren zur Entgeltgleichheit einzuführen und sich für eine Vereinheitlichung und Überarbeitung der Beurteilungskriterien auch im Sinne der Geschlechtersensibilität und -neutralität einzusetzen.
Legen Sie doch bitte einmal einen Fünften Bericht zur Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes vor. Dann wird sich nämlich deutlich zeigen, dass hier noch einiges zu tun ist.
Bislang bestand die größte gleichstellungspolitische Maßnahme der Landesregierung leider nur im Schleifen dessen. Sonst gab es nur Ankündigungspolitik. Den Frauen wäre mehr gedient, wenn Sie weniger ankündigen und mehr umsetzen würden. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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