Josefine Paul: „Das sind gute Ansätze – die wirklich großen Probleme sind allerdings bundespolitische“

Antrag der Abgeordneten Langguth, Neppe und PretzellGRÜNEN im Landtag

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Studien zufolge sind bundesweit etwa 230.000 Kinder und Jugendliche, also sehr junge Menschen, in Pflegeverantwortung. Wenn man das herunterbricht, sind das ungefähr 5 % aller Kinder und Jugendlichen in dieser Altersstufe; das ist keine kleine Zahl.
Deswegen teile ich die Analyse des Antrags, dass der Einsatz dieser jungen Menschen zu wenig wahrgenommen wird, und auch die Analyse der Studie, die Sie in Ihrem Antrag zitiert haben, dass das eine weitgehend verborgene Gruppe ist, was selbstverständlich ein Problem ist, weil es darauf hinweist, dass bei dieser Gruppe unter Umständen Unterstützungsangebote nicht ankommen.
Diese jungen Menschen haben eine hohe Verantwortung, und natürlich stehen sie auch unter einer hohen Belastung. Das hat zumindest unter Umständen Auswirkungen auf ihre psychische und physische Gesundheit. Es bedeutet möglicherweise auch einen Rückzug von Freunden und aus Freizeitaktivitäten, und es hat unter Umständen auch Auswirkungen auf schulische Leistungen.
Ich persönlich finde an der Analyse am schlimmsten, was in der Studie und in den Berichten deutlich wird, dass viele Kinder und Jugendliche sich schlicht nicht trauen, darüber zu sprechen, um Hilfe zu fragen aus der Sorge heraus, gegebenenfalls stigmatisiert zu werden, oder gar negative Konsequenzen für das familiäre Zusammenleben fürchten.
Das ist etwas, bei dem wir natürlich sensibilisieren und dafür sorgen müssen, dass Kindern die Sicherheit geboten wird, dass das nicht passiert.
Junge Menschen als pflegende Angehörige sind eine Realität, aber trotzdem keine Normalität. Ziel muss es sein, Kinder und Jugendliche aus dieser Verantwortung zu entlassen, aber ohne den Familienkontext infrage zu stellen, denn – Kollegin Altenkamp hat es deutlich gemacht – die Krankheit eines nahen Angehörigen ändert ja nichts an der Zuneigung und am Verantwortungsgefühl.
Junge Menschen, die über die Hilfe im Haushalt hinaus wirklich in die Pflege eingebunden sind, brauchen Unterstützung. Die Familien brauchen Unterstützung.
Aber – gerade ist schon darauf hingewiesen worden – der entscheidende Punkt ist: Für das meiste, was in diesem Zusammenhang an Unterstützung notwendig ist, wo Nachbesserungsbedarfe sind, wo wir nach wie vor Schnittstellenproblematiken auch in den Sozialgesetzbüchern haben, ist die Bundespolitik verantwortlich.
Natürlich gibt es auf Landesebene sehr begrenzte Möglichkeiten. Sie sprechen davon, man muss mehr sensibilisieren. Da sind wir sicherlich einer Meinung.
Nichtsdestotrotz müssen die entscheidenden Weichen auf Bundesebene gestellt werden. Dementsprechend ist der Antrag hier vielleicht nicht ganz an der richtigen Stelle gestellt.
Es ist aber gut, denn wir müssen dringend mehr über dieses Thema sprechen.
Wir müssen die Jugendlichen mehr unterstützen, wir müssen sie vielleicht auch im schulischen Kontext mehr unterstützen, wenn sie dort Unterstützung brauchen.
Wir müssen Beratungsangebote – auch physische Beratungsangebote – weiter ausweiten. Das sind gute Ansätze. Die wirklich großen Probleme sind allerdings bundespolitische.
(Beifall von den GRÜNEN, von Alexander Langguth [fraktionslos], von Frank Neppe [fraktionslos] und von Marcus Pretzell [fraktionslos])