Josefine Paul: „Das muss ein dummer Zufall sein, dass die Frauen im öffentlichen Dienst leider nicht mehr oben ankommen“

Haushalt 2019 - Ministerium für Gleichstellung

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen den Redebeiträgen von Frau Troles und Frau Butschkau.
(Heiterkeit von Regina Kopp-Herr [SPD])
Ich möchte anstreben, mich in der Mitte davon zu positionieren.
(Henning Höne [FDP]: Maß und Mitte!)
Man muss konstatieren, dass es in vielen Bereichen eine große Kontinuität gibt, was sich auch im Haushalt abbildet. Zum einen stellen wir fest – und darauf hat Frau Troles schon hingewiesen –, dass es eine große Kontinuität im Haus im Hinblick auf die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen gibt. Ich finde es gut, dass wir morgen zu so prominenter Stelle auch einmal eine Aktuelle Stunde dazu haben werden. Das Thema ist jeden Tag aktuell, aber es ist auch auf jeden Fall würdig, mal in einer Aktuellen Stunde debattiert zu werden.
Es ist auch gut und richtig, dass es mittlerweile über die Legislaturperioden und die unterschiedlichen Landesregierungen hinweg eine Kontinuität in der Frauenhausfinanzierung gibt. Wir wollen nicht wieder anfangen mit der Frage, wer welche Stelle weggekürzt hat und wer sie dann wieder in den Haushalt eingestellt hat. Entscheidend ist, dass wir jetzt auch weiterhin einen Aufwuchs bei der Frauenhausfinanzierung bzw. der Finanzierung der Frauenhilfeinfrastruktur verzeichnen – zwar mit nur 400.000 Euro moderat, aber immerhin. Das hilft der Frauenhilfeinfrastruktur.
(Zuruf von Ministerin Ina Scharrenbach)
–  Ich lobe Sie gerade, und Sie sind nicht zufrieden, Frau Ministerin. Ich bin immer noch von der Opposition.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wann hat man das schon mal bei der Kollegin?)
Immerhin ist das ein Schritt in die richtige Richtung.
Frau Ministerin, Sie werden mir aber auch recht geben, dass wir längst nicht am Ende sind. Es bestehen immer noch große Herausforderungen bei der Fraueninfrastruktur. Stichwort: Barrierefreiheit – das ist in der Frauenhilfeinfrastruktur nicht in dem Maße gegeben, wie es durch die Istanbul-Konvention geboten wäre. Stichwort: Platzausbau. Ich weiß, dass Sie mindestens 50 Plätze ausbauen wollen. Ja, die Botschaft höre ich und nehme sie wohlwollend zur Kenntnis. Nichtsdestotrotz kann es doch nicht sein, dass in diesem Land nach wie vor von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder an Frauenhaustüren abgewiesen werden. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
(Beifall von den GRÜNEN und Stefan Kämmerling [SPD])
Ich will deutlich sagen, dass wir als Land uns dem nicht alleine stellen können. Das ist überhaupt keine Frage. Vielmehr ist auch der Bund mit in der Verantwortung und gefordert, Wege zu finden, um strukturell in die Finanzierung mit einzusteigen. Ich höre, dass auch Frau Giffey ein Programm initiieren will, um Investitionen ins Leben zu rufen. Das wäre schön, aber die ganze „Programmtitis“ und „Projektitis“ des Bundes hilft nicht bei der strukturellen Weiterentwicklung der Frauenhilfeinfrastruktur. Wir brauchen dafür Regelungen, welche die gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen festschreibt und in eine vernünftige Richtung bringt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Kontinuität besteht auch beim Thema „Kompetenzzentren Frau und Beruf“. Frau Schneider, wer hätte das gedacht? Wie lange haben Sie gegen die Kompetenzzentren Frau und Beruf gewettert? – Geldverschwendung, Doppelstrukturen etc., „weg damit!“. Die neue Landesregierung bringt das weiterhin kontinuierlich auf den Weg. Das ist eine gute Nachricht vor allem für die Weiterentwicklung und auch im Hinblick auf die Fragen nach der Vereinbarkeit und nach der Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben.
Eine Sache kann ich Ihnen allerdings nicht ersparen. Da liegen wir meilenweit auseinander, und da hat diese Landesregierung durch Untätigkeit schlicht und ergreifend versagt. Wie es Sie nicht weiter wundert wird, ist das im Bereich des öffentlichen Dienstes und der Frauenförderung im öffentlichen Dienst der Fall.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
–  Herr Witzel, wir haben uns schon so häufig darüber unterhalten. Sie verstehen es leider nicht, und Sie weigern sich, Argumente zur Kenntnis zu nehmen.
(Ralf Witzel [FDP]: Vor einem Jahr sind Ihre Ansätze gescheitert!)
–  Wir sind nicht gescheitert, wir sind abgewählt worden. – Sie haben das Gesetz ersatzlos gestrichen, und jetzt sitzen die Frauen in der gleichen misslichen Lage wie vorher. Vielen Dank dafür, Herr Witzel. Die Frauen in diesem Land werden es Ihnen lange nachtragen, dass Sie dort untätig sind und einfach nur die Lage bestaunen.
(Beifall von den GRÜNEN)
„Bestaunen“ ist genau das, was die Landesregierung macht. Die Berichte zum Landesgleichstellungsgesetz haben die Herausforderungen hinlänglich beschrieben. Es liegt alles auf dem Tisch. Die Landesregierung brauchte dafür allerdings noch einmal eine eigene Studie. Und das Ministerium von Frau Scharrenbach ist zu dem überraschenden Ergebnis gekommen – obwohl alle sagen, dass der öffentliche Dienst nicht diskriminierungsfrei bzw. benachteiligungsfrei für Frauen ist –: An den Bewertungskriterien usw. kann es nicht liegen. Das muss ein dummer Zufall sein, dass die Frauen im öffentlichen Dienst leider nicht mehr oben ankommen.
Sie haben mit dieser Studie anderthalb Jahre Zeit verschwendet, in der Sie hätten handeln können. Sie liegt nun auf dem Tisch, Sie handeln aber immer noch nicht. Jetzt wollen Sie wieder irgendetwas prüfen und überlegen und machen und tun. Nehmen Sie sich doch dieses schlaue Heftchen des DBB – sicherlich keine Vorfeldorganisationen der Grünen –zu Herzen und berücksichtigen Sie, was darin an Lösungsvorschlägen steht. Die kommen auch zu dem gleichen Schluss. Roland Staude, der Vorsitzende des DBB, konstatiert in dem Vorwort: Es gibt viele Frauen im öffentlichen Dienst, aber deutlich zu wenige in Führungspositionen. – Und dann kommt er auch noch zu dem Schluss: Auch bei einer vermeintlich weiblich geprägten Verwaltung findet eine Benachteiligung von Frauen statt. – Aha! Welch großartige Erkenntnis. Dafür brauchten Sie noch eine weitere Prüfschleife.
Ich hoffe im Sinne der Frauen im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen und allgemein, dass Sie sich nun vielleicht auch einmal auf den Weg machen und irgendetwas tun und nicht nur das Problem bewundern. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])