Josefine Paul: „Das letzte Ringen um einen eigenen konservativ-liberalen Markenkern dieser Bundesregierung drückt sich in einer Politik gegen Gleichstellung und gegen Frauen aus.“

Antrag von SPD und Grünen zur Realisierung einer Europäischen Frauenquote

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Unverhofft kommt oft. Jetzt kann ich auch mal zuerst sprechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der März ist ein wichtiger Monat im Frauenkalender. Am 8. März haben wir den Internationalen Frauentag gefeiert. Gerade gestern haben wir mit dem Equal-Pay-Day einmal mehr darauf aufmerksam gemacht, dass Frauen in diesem Land immer noch nicht so viel verdienen wie Männer.
(Zuruf von der FDP: Wahnsinn!)
Wir durften in diesem Monat aber auch einmal mehr feststellen, dass die Frauen in diesem Land eines ganz bestimmt nicht verdient haben: Und das sind diese Bundesregierung und diese Frauenministerin.
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn diese Bundesregierung hat den Internationalen Frauentag in diesem Jahr offensichtlich unter ein ganz besonderes Motto gestellt, das lautet: „Stoppt die Frauenquote!“. So durften wir in den vergangenen Tagen lesen, dass die Bundesregierung die Ständige Vertretung in Brüssel angewiesen hat, eine Sperrminorität gegen die Quote zu organisieren. Das hat aus ihrer Sicht sicherlich einen gewissen Sinn; denn eine gesellschaftliche Mehrheit hat diese Bundesregierung für ihre politische Irrfahrt in Sachen Gleichstellung und Emanzipation schon lange nicht mehr.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dieses neuerliche Husarenstück reiht sich ein in eine bizarre Abfolge aus einem Altherrensexismus à la Brüderle, der absurden Homophobie der CSU und dem scheinbar immer frischen Frauenbild „Kinder, Küche, Kirche“. Das letzte Ringen um einen eigenen konservativ-liberalen Markenkern dieser Bundesregierung drückt sich in einer Politik gegen Gleichstellung und gegen Frauen aus. Herzlichen Glückwunsch zum Internationalen Frauentag!
Was Frauen von dieser Bundesregierung noch zu erwarten haben, zeigt sich in einigen Äußerungen schwarz-gelber Kabinettsmitglieder nur allzu deutlich. Passen Sie auf! Die FDP als Stopp-Fraktion der Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit hat in Person von Guido Westerwelle das gleichstellungspolitische Programm seiner Partei in einem Satz zusammengefasst:
„Es ist nicht Aufgabe von Brüssel, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, wie private Unternehmen ihre Führungsgremien zu besetzen haben.“
(Beifall von der FDP)
Das heißt im Klartext: Privat vor Geschlechtergerechtigkeit.
Auch Frauenministerin Kristina Schröder hat einmal mehr eindrucksvoll bewiesen, warum sie eigentlich eine Anti-Frauenministerin ist, wenn sie sagt:
„Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt, die Zuständigkeit für gesetzliche Maßnahmen zugunsten von mehr Frauen in Führungspositionen weiterhin bei den Mitgliedstaaten zu behalten.“
Ich will Ihnen das kurz übersetzen. Das heißt eigentlich nichts anderes als: Frau Schröder ist zuversichtlich, weiterhin nichts für Geschlechtergerechtigkeit zu tun und sich dabei auch von niemandem reinreden zu lassen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Was denkt sich diese Frauenministerin wohl, wenn sie in der Frauen-Union einmal herumfragt, wie sie es mit der Frauenquote halten? Da hat sie mit ihrer Haltung auch schon lange keine Mehrheit mehr. Und wenn Sie in den Bunderatsmehrheit hineinschaut, in dem es nämlich eine Mehrheit für die Quote gibt, unter anderem auch auf der Basis CDU-geführter Länder? Ich schätze, wahrscheinlich wird sie sich denken: Ach Gott, alles Geisterfahrerinnen auf meinem eigenen Abstellgleis Richtung Flexi-Quote.
Um dem totalen politischen Chaos noch die Krone aufzusetzen, lässt sich die ehemalige Frauenministerin und heutige Arbeitsministerin, Ursula von der Leyen, öffentlich wie folgt zitieren:
„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Frauenquoten brauchen. An meiner Haltung hat sich nichts geändert.“
Ich, meine Damen und Herren, bin der festen Überzeugung, dass die Frauen in diesem Land eine andere Politik und eine andere Bundesregierung brauchen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich sehe in den Reihen der FDP doch immer noch eine gewisse Skepsis. Und in den Reihen der CDU sehe ich – ehrlich gesagt – mehrheitlich gar keine Abgeordnete.
Aber ich will Ihnen, weil ich da noch Skepsis sehe, noch ein paar Zahlen mit auf den Weg geben, die vielleicht unterstreichen, warum die Zeit von freiwilligen Selbstverpflichtungen und Flexi-Quoten endgültig abgelaufen ist.
Der Verein FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte – kommt zu folgender ernüchternde Bilanz:
„11 Jahre nach der Selbstverpflichtungserklärung der deutschen Wirtschaft, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, und 3 Jahre nach der Aufnahme der Forderung nach mehr Vielfalt in den Deutschen Corporate Governance Kodex liegt der kumulierte Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen bei 9,7 Prozent.“
Vizepräsident Daniel Düngel: Frau Kollegin Paul, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stamp zulassen?
Josefine Paul (GRÜNE): Ja, sehr gerne.
Dr. Joachim Stamp (FDP): Frau Kollegin Paul, habe ich Tomaten auf den Augen, oder sehe ich in Ihrer Fraktion auch nicht mehr Anwesende als bei der CDU?
Josefine Paul (GRÜNE): Das ist eine interessante Zwischenfrage, die mit dem Thema eher weniger zu tun hat. Wenn man dann allerdings auf den Anteil schaut, dass wir im Grunde genommen weniger leere Stühle haben als CDU-Fraktion in toto hat, sind wir immer noch besser in der Quote. Deshalb sind wir die Quotenpartei und Sie eben nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Noch mal zu den Zahlen: Es liegt also
„der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen bei 9,7 Prozent. Bei einem Zuwachs von 3,2 Prozentpunkten zum Vorjahr nur eine marginale Verbesserung.“
Wir haben gestern gehört und gelesen, dass Frauen in diesem Land noch mehr als 50 Jahre auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit warten müssten, wenn sich politisch weiterhin nichts ändert. Aber mit dieser Bundesregierung gibt es kein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, also keine Quote. Es wird kein Entgeltgleichheitsgesetz für mehr Lohngerechtigkeit geben. Ja, mit dieser Bundesregierung gibt es nicht einmal einen gesetzlichen Mindestlohn, von dem vor allem Frauen im Niedriglohnsektor profitieren würden.
Das heißt zusammengefasst: Diese Bundesregierung schickt Frauen vom Niedriglohnsektor direkt in die Altersarmut. – Auch hier wiederum: Alles Gute zum Internationalen Frauentag!
(Beifall von den GRÜNEN)
Auf Bundesebene zeigt sich deutlich, dass eine Kanzlerin noch lange keinen frauenpolitischen Frühling macht. NRW zeigt, dass es auch anders geht – und das werden auch im Bund hoffentlich bald anders haben –: Hier regieren zwei Frauen, die das Thema Gleichstellung zur Chefinnensache gemacht haben, und im Gegensatz zum Bund haben wir eine Emanzipationsministerin, die die Frage der Geschlechtergerechtigkeit als das begreift, was sie ist: eine zentrale Frage sozialer Gerechtigkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU: Wirken Sie doch in Ihren Parteien darauf hin, dass die Bundesregierung diese peinliche Posse in Brüssel beendet und dass sie die restliche, ihr noch verbleibende Regierungszeit darauf verwendet, vielleicht auch irgendetwas für die weibliche Hälfte der Bevölkerung zu machen! – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Daniel Düngel: Frau Kollegin Paul, bevor Sie auf Ihren Platz wieder verschwinden, möchte ich Sie fragen, ob Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Bayer zulassen, der sich zwischenzeitlich eingeloggt hat.
Josefine Paul (GRÜNE): Ja, bitte.
Vizepräsident Daniel Düngel: Sie lassen sie zu. Der Kollege Bayer hat das Wort.
Oliver Bayer (PIRATEN): Es tut mir leid, dass ich mich so spät mit einer Zwischenfrage gemeldet habe. Ich hatte gehofft, dass noch kommt, warum ich diesem Antrag zustimmen soll.
Ich habe jetzt gehört, dass Frau Bundesministerin Schröder alles schlecht macht und CDU und FDP auch. Aber das ist ja jetzt ein Antrag, eine europäische Frauenquote zu übernehmen, die den Ländern, wenn ich das richtig verstanden habe, vorschreibt, in den entsprechenden Führungsebenen eine bestimmte Frauenquote zu erreichen. Meine Frage: Ist das als eine Art Messlatte zu sehen, dass die Nationen vor Ort dafür sorgen müssen, dass die Quote erreicht wird, egal wie? Oder ist direkt vorgeschrieben, dass eine Quote einfach eingeführt wird, ohne entsprechende Maßnahmen? Ich hätte gerne mehr zu diesen Maßnahmen gewusst.
Josefine Paul (GRÜNE): Wenn Sie sich einen der Beschlusspunkte anschauen, werden Sie finden, warum wir sagen: Wir brauchen diese Quote. – Wenn man diese Quote wirklich umsetzen will, braucht man natürlich die flankierenden Maßnahmen, um Frauen von unten bis ganz nach oben zu unterstützen und zu begleiten.
Allerdings bleibt das Problem bestehen: Wenn sich diese Bundesregierung dem sinnvollen Vorschlag der Kommissarin Reding verweigert, wird sich in diesem Land überhaupt nichts tun – egal, wie viele freiwillige Förderpläne hin oder her und wie viele Flexi-Quoten diese Bundesregierung noch einfordern wird.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Europa, Frauen