Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Theater ist ein Ort gesellschaftskritischer Auseinandersetzung. Es ist aber andererseits nicht frei von kritischen Strukturen. Auseinandersetzungen darüber dürfen aber nicht nur auf der Bühne stattfinden, sondern es bedarf auch einer kritischen Reflektion der eigenen Strukturen.
Immer wieder sind es eben die auch im Antrag beschriebenen mutigen Einzelpersonen, die auf Missstände hinweisen, oder es sind Gruppenaktionen, die versuchen, das deutlich zu machen. Denn es erfordert auch Mut, über persönliche Verletzungen öffentlich zu sprechen und diese öffentlich zu machen – möglicherweise auch gegen Widerstände.
Vielfalt ist auch auf der Bühne und im Film nicht so selbstverständlich, wie wir das vielleicht alle meinen möchten. Vielleicht wünschen wir uns auch alle, dass sich das, was filmisch oder darstellerisch zum Vortrag gebracht wird, auch gleichzeitig in den eigenen Strukturen und im eigenen Selbstverständnis so widerspiegelt. Wir unterstellen das, aber nichtsdestotrotz müssen wir feststellen, dass natürlich auch im Kulturbetrieb Diskriminierung und Machtstrukturen vorhanden sind und auch die hinterfragt und angegangen werden müssen.
Diejenigen, die Handlungsbedarfe deutlich machen, brauchen strukturelle Unterstützung. Aber – darauf hat Kollege Deutsch auch schon hingewiesen – sie brauchen diese Unterstützung auch in der Leitung. Auch die Leitungen von Bühnen und Einrichtungen müssen sich ihrer ganz besonderen Verantwortung für die Künstlerinnen und Künstler und auch für alle anderen, die im Kulturbetrieb beschäftigt sind, bewusst sein.
Rassistische Vorfälle, die MeToo-Kampagne oder auch ActOut, die Kampagne der LSBTIQ-Schauspielerinnen und -Schauspieler, haben darauf hingewiesen, dass genau das nicht immer der Fall ist. Das Gefühl von Geborgenheit – dort geborgen zu sein, wo man so viel von sich preisgibt und so viel hineingibt – ist gerade nicht immer vorhanden. Die Sicherheit, dass ich dort, wo ich viel von mir preisgebe, auch den notwendigen Schutz zurückbekomme und in meiner ganzen Persönlichkeit, die ich auch einbringe, respektiert werde, scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein.
Ja, natürlich, die Vielfalt der Gesellschaft muss sich auch im Kulturbetrieb widerspiegeln. Genauso muss sich aber auch der Kulturbetrieb selbst hinterfragen und mit der Frage von struktureller Diskriminierung und strukturellen Hemmnissen, gläsernen Decken bis hin zu missbräuchlichen Strukturen auseinandersetzen. Gibt es denn – Kollege Deutsch hat das gerade auch sehr breit dargelegt – diese Strukturen in Theater und Film, die missbräuchliches Verhalten in einer gewissen Art und Weise möglicherweise begünstigen? Wie kann dem dann tatsächlich konkret entgegengewirkt werden?
Ich finde es gar nicht schlecht, wie Kollege Bialas hergeleitet hat, warum es jetzt diese Studie braucht. Das Zuhören, das Wahrnehmen und das Analysieren erst einmal in den Fokus zu nehmen, finde ich gut und richtig. Denn das hat auch etwas mit Respekt zu tun – mit dem Respekt, den wir denjenigen entgegenbringen, die deutlich machen: Hier läuft etwas schief im System, und wir möchten, dass das gehört und ernst genommen wird.
(Beifall von Andreas Bialas [SPD])
Klar ist aber auch, dass Studien dann konkrete Konzepte und Maßnahmen nach sich ziehen müssen. Einiges davon ist ja schon genannt worden: die Frage von Vertrauenspersonen oder von Anlaufstellen. Es geht aber auch um die Frage struktureller Verantwortlicher innerhalb der Strukturen. Es bringt ja nichts, dass wir uns in Leitbildprozessen auf Leitbilder verständigen und in Workshops sensibilisieren, wenn das anschließend in den Einrichtungen nicht zur tatsächlich gelebten Kultur wird. Deswegen ist es notwendig, dass diese Prozesse auch mit Verantwortlichkeit hinterlegt werden, damit sie dann tatsächlich die Chance haben, den Kulturbetrieb – die Bühnen, die Filme usw. – zu durchdringen und damit zu einem tatsächlichen Leitbild zu werden und zu einer tatsächlichen Umsetzung zu führen.
Ja, man hätte sicherlich schon über die Frage der Studie hinaus die ein oder andere Handlungsnotwendigkeit im Antrag aufführen können. Denn natürlich müssen wir zuhören, wahrnehmen und auch eine Datengrundlage schaffen. Auf der anderen Seite zeigen die hier im Antragstext aufgeführten Beispiele: Es liegt auf der Hand, dass Handlungsbedarfe bestehen. Es liegt auf der Hand, dass wir etwas tun müssen. Vielleicht ist das aber nicht das eine oder das andere, sondern vielleicht kann man die Studie angehen, aber gleichzeitig bereits in die Strukturen hineinwirken. Das wird im Ausschuss sicherlich weiter besprochen. Das würde ich mir wünschen – vor allem im Sinne einer vielfältigen Kulturlandschaft in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)