Josefine Paul: „Das bezieht sich natürlich nicht nur auf Erwachsene“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP für eine Studie zu Sport in der Pandemie

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf die generell gesundheitsfördernde Wirkung von Sport und Bewegung ist gerade schon eingegangen worden. Sport und Bewegung wirken nicht nur präventiv zur Gesunderhaltung des Körpers. Sie haben auch wichtigen Einfluss auf die Psyche. Das ist ein Faktor, den man insbesondere jetzt in der pandemischen Situation nicht unterschätzen darf.

Andersherum hat das Fehlen von Sport und Bewegung vielfältige negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit, sowohl physisch als auch psychisch. Bewegungsmangel – das lesen wir aktuell in einigen Studien – ist in mädchenreichen Ländern ein gesamtgesellschaftliches Problem und mithin ein Gesundheitsrisiko.

Wir lesen immer, wie oft und wie lange sich Kinder bewegen sollten. Aber auch für Erwachsene hat die WHO festgestellt, wie viel Bewegung in der Woche gut wäre. Wöchentlich sollten sich Erwachsene etwa 150 Minuten moderat bewegen, um als körperlich aktiv zu gelten und sich damit gesundheitsförderlich zu verhalten. Das kann beispielsweise „Bauch, Beine, Po“ vor dem eigenen Couchtisch sein. Das können aber auch vielfältige andere Dinge sein – ob Sie nun spazieren gehen oder ihren Garten umgraben. Es kann auch das Joggen sein.

Wir müssen feststellen – ich weiß nicht, wie hoch der Anteil in diesem Haus ist –, dass knapp 40 % der Erwachsenen in den sogenannten reichen Ländern als inaktiv gelten müssen, was tatsächlich ein Gesundheitsrisiko darstellt, und zwar ganz generell mit Blick auf eine Reihe schwerer Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Demenz. Andersherum kann Bewegung positive Effekte auf die Prävention haben, aber auch als Begleitmaßnahme bei Erkrankungen dienen.

Kollege Terhaag hat gerade schon den „SPIEGEL“-Artikel über die US-amerikanische Studie angesprochen, in deren Rahmen Patientendaten ausgewertet wurden und die zu dem Schluss kommt, dass Bewegung auch einen signifikanten Effekt auf das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung haben kann. In einem Interview sagt der Studienautor den etwas zugespitzten Satz: „Bewegungsmangel ist der größte beeinflussbare Risikofaktor.“

Das gilt sicherlich nicht nur für COVID-19, sondern ganz generell für Erkrankungen und für die Frage der Gesunderhaltung. Wenn man sich die Symptomatik von COVID-19-Erkrankungen anschaut – Lungenfunktion, allgemeine Belastung des Herz-Kreislauf-Systems, Entzündungen, Gerinnungsstörungen –, dann überrascht es nicht, dass Bewegung hier wahrscheinlich einen positiven Effekt hat.

Weitere Studien sind deswegen gut und richtig, um konkreter nachschauen zu können, wo möglicherweise präventive Potenziale des Sports liegen, die noch weiter gehoben werden können.

Das bezieht sich natürlich nicht nur auf Erwachsene und nicht nur auf eher medizinische Erkenntnisse. Schließlich müssen wir anhand aktueller Studien auch feststellen, dass der Bewegungsmangel in der Coronapandemie darüber hinaus negative Auswirkungen auch auf Kinder und Jugendliche hat.

Überraschenderweise haben sich Kinder und Jugendliche im ersten Lockdown sogar mehr bewegt als vor der Pandemie. Jetzt müssen wir feststellen, dass sie sich weniger bewegen als vor der Pandemie, dafür aber mehr Medien konsumieren, sodass auch Gewichtszunahmen in einem messbaren Maße bereits offensichtlich vorhanden sind. Gründe dafür könnten möglicherweise wetterbedingt sein. Jetzt haben wir wieder Frühjahr. Möglicherweise ist das wieder bewegungsförderlicher.

Ich glaube aber, es hat auch den Grund, dass wir im letzten Frühjahr kreativer über Bewegungsmaßnahmen und -möglichkeiten nachgedacht haben. Wir haben viel über Pop-up-Bike-Lanes diskutiert. Wir haben viel über temporäre Spielstraßen gesprochen, um draußen mehr Raum für Bewegung zu geben.

Wir haben auch vielleicht an der einen oder anderen Stelle den öffentlichen Raum für uns als Lebensraum neu entdeckt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Erkenntnisse der Aerosolforscher sollten wir in der Tat darüber sprechen, wie mehr draußen möglich gemacht werden kann, weil dort das Infektionsrisiko deutlich geringer ist.

Trotzdem gilt natürlich auch bei all diesen Diskussionen, dass Hygienemaßnahmen und Abstände eingehalten werden müssen. Wir brauchen dafür vernünftige Konzepte.

Aber wir wissen auch, dass der Sport solche Konzepte bereits vorgelegt hat und dass der Sport diese Konzepte auch durchführen kann. Das heißt, dass wir auf Dinge aufsetzen können.

Natürlich braucht es aber auch mehr Forschung zu den Auswirkungen auf mögliche Coronaerkrankungen.

Es braucht vor allem Konzepte, wie Bewegung in der Pandemie gestärkt werden kann – in der aktuellen Situation, aber natürlich auch vorausschauend mit Blick darauf, dass es immer wieder zu pandemischen Lagen kommen kann –, weil sie positive Effekte hat: für das allgemeine Wohlbefinden, für die Psyche, aber auch für die Konzentrationsfähigkeit und den Stressabbau. Das sind Dinge, die wir sicherlich alle in der aktuellen Situation gebrauchen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von Stefan Engstfeld [GRÜNE] und Dr. Werner Pfeil [FDP])

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