Josefine Paul: „Daher lautet meine klare Forderung: Berufen Sie den Runden Tisch Prostitution wieder ein“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Sexarbeit

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich damit anfangen, dass ich diesen Antrag von Schwarz-Gelb ausdrücklich begrüße, denn er macht deutlich, dass es im Landtag von Nordrhein-Westfalen eine ganz klare Fokussierung darauf gibt, dass es uns darum gehen muss, in der politischen Debatte die Situation derjenigen in den Blick zu nehmen, die in der Sexarbeit tätig sind.
Der Antrag stellt fest – auch damit gehe ich absolut d’accord –, dass Prostitution eine gesellschaftliche Realität ist. Mit dieser Realität gilt es natürlich, auch politisch umzugehen.
Daraus würde ich ableiten, dass unser gemeinsames Anliegen also ist, dass es um die Vorbeugung von Stigmatisierung geht, die Vorbeugung von Diskriminierung sowie die Gewährleistung von sexueller Selbstbestimmung und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen.
Das ist im Übrigen – das wird im Antrag angerissen – auch das Ziel des Prostituiertenschutzgesetzes, wobei – da sind wir uns auch einig – es mehr als deutlich ist, dass genau dieses Ziel durch dieses Gesetz nicht eingelöst wird.
Dementsprechend – darauf weist auch der Antrag hin – ist eine Reform dringend notwendig; auch da sind wir uns einig. Natürlich wünsche ich mir, dass auch da vonseiten der Landesregierung weiterhin Druck aufgebaut wird, dass wir schneller zu den notwendigen Reformen und zur Evaluation kommen.
Mir persönlich ist sehr wichtig, dass es bei einer Reform und Weiterentwicklung des Gesetzes auch darum geht, alle Beteiligten einzubeziehen, nicht über sie zu sprechen, sondern mit ihnen zu sprechen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Genau das hat der Runde Tisch Prostitution getan. Er hat diesen Versuch unternommen und damit Pionierarbeit geleistet. Mittlerweile gibt es auch in anderen Bundesländern runde Tische, die sich auf den Weg gemacht haben, oder zumindest Gesprächssituationen, in denen versucht wird, die unterschiedlichen Beteiligten an einen Tisch zu holen.
Der damalige Leitgedanke des Runden Tisches – ich finde, dieser Gedanke sollte uns auch in dieser Debatte leiten – war eine emanzipierte Gesellschaft ohne Ausgrenzung und vor allem – das, finde ich, ist in dieser Diskussion wichtig – Respekt gegenüber Menschen, die die freie Entscheidung für eine Tätigkeit in der Prostitution getroffen haben.
In der politischen Debatte muss es also um die Unterstützung statt um Repression insbesondere gegen diejenigen gehen, die in der Sexarbeit tätig sind. Es muss um menschenwürdige Arbeitsbedingungen statt Abdrängen in die Illegalität gehen.
Es muss auch darum gehen, diejenigen, die tatsächlich betroffen sind, die in der Sexarbeit tätig sind, die übrigens auch eigene starke und klare Positionen dazu haben, wie sie sich die Tätigkeit vorstellen und wie sie auch die politischen Rahmenbedingungen und die Arbeitsbedingungen haben wollen, zu beteiligen, anstatt paternalistische Verbotsdebatten zu führen und damit weiter zur Stigmatisierung beizutragen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
In Europa wird die Frage der Prostitution höchst unterschiedlich geregelt: Es gibt die totalen Verbote in manchen europäischen Ländern. Es gibt die sogenannte Freierbestrafung. Das reicht bis zu uneingeschränkter Legalisierung. Deutschland geht einen Weg der Legalisierung von Prostitution, aber eben mit speziellen Regelungen.
Es ist gerade schon sehr deutlich gemacht worden: Natürlich gibt es in diesem Bereich Auswüchse, die absolut nicht hinnehmbar sind. Menschenhandel und Ausbeutung sind illegal, und sie gehören konsequent verfolgt und konsequent bestraft.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das darf aber nicht dazu führen, dass wir die Frauen und Männer, die in der Sexarbeit tätig sind, in die Illegalität drängen und sie bestrafen.
Das sogenannte Nordische Modell, das Anlass für diesen Antrag ist, sieht die Strafbarkeit von Freiern vor, nicht aber die Strafbarkeit von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern.
Aber – das ist auch gerade schon angeklungen – internationale Studien zeigen, dass Aussagen über den Erfolg kaum haltbar sind. Das liegt an der mangelhaften Datengrundlage.
Es gibt Studien aus Schweden, aus Norwegen, aus Österreich und Frankreich, die alle im Grunde genommen zeigen, dass die Datengrundlage – das ist bei einem vielleicht auch sehr mit Peinlichkeit behafteten Thema möglicherweise keine große Überraschung – viel zu dünn ist, um wirklich klare Aussagen treffen zu können.
Noch ärgerlicher finde ich, dass in einigen dieser Studien unhaltbare Kausalketten aufgemacht werden.
Es gibt also keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass das Nordische Modell denjenigen hilft, die in der Sexarbeit tätig sind, und darum muss es ja gehen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Im Gegenteil: Anders als die Zielsetzung des Nordischen Modells gibt es durchaus – und das ist nachweisbar – negative Konsequenzen für die Frauen und Männer in der Sexarbeit: staatliche Repression, Stigmatisierung bis hin zum Verlust der Wohnung oder – das klingt im Antrag auch an – sorgerechtlichen Konsequenzen für Frauen, die in der Sexarbeit tätig sind.
Wo das Nordische Modell gilt, kommt es zur Verschlechterung der Beratungsinfrastruktur; auch das können wir nicht wollen. Auch das dürfen wir nicht hinnehmen.
Ich glaube daher, Corona hat uns einen sehr düsteren Einblick in das gewährt, was passieren kann, wenn man diesen Weg beschreitet; es ist schon angeklungen.
Deshalb darf die Konsequenz aus dieser Situation nicht die Verstetigung des schlechten Zustandes für diejenigen sein, die in der Sexarbeit tätig sind, sondern es muss um die Weiterentwicklung in gesetzlichen Grundlagen, in Rahmenbedingungen gehen.
Daher lautet meine ganz klare Forderung: Berufen Sie den Runden Tisch Prostitution wieder ein, und lassen Sie uns gemeinsam im Sinne derjenigen arbeiten, die in der Sexarbeit tätig sind. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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