Josefine Paul: „Aufklärung, Beratung und Sensibilisierung sind die zentralen Mechanismen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Menschenhandel und Zwangsprostitution

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung ist eine gravierende Menschenrechtsverletzung. Und sie findet eben nicht irgendwo statt. Sie findet auch mitten in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen statt.

Ich begrüße daher zum einen, dass dieser Antrag das klarstellt. Das ist zum Glück mittlerweile eine absolute politische Selbstverständlichkeit.

Ich begrüße aber auch, dass dieser Antrag darauf hinweist, dass es rechtlicher Analysen bedarf. Der Antrag verweist auch auf die Einrichtung einer Berichterstatterstelle, die in diesem Zusammenhang wichtig ist, um noch einmal zu schauen: Sind eigentlich alle Instrumente, die wir rechtlich an der Hand haben, wirklich dazu geeignet, Menschenhandel einzudämmen und vor allem die Opfer zu schützen, sie zu unterstützen und sie zu befähigen, eine Anzeige zu erstatten?

Dass das leider nicht immer funktioniert, hat Frau Butschkau gerade beschrieben. Dementsprechend brauchen wir auch weitere Analysen dazu, wie wir diese Unterstützung verbessern und ausbauen können; denn am Ende des Tages muss es uns um den Schutz von Opfern gehen, und es muss uns darum gehen, die Aussagebereitschaft zu erhöhen. Ich würde Frau Butschkau durchaus zustimmen; denn bei den aufenthaltsrechtlichen Fragen halte auch ich das nicht für abschließend geklärt. Damit werden wir uns, auch wenn das eine bundesrechtliche Frage ist, noch auseinandersetzen müssen.

Ich will aber auch sagen: Ich hätte mich gefreut, wenn die regierungstragenden Fraktionen auch in dieser Fragestellung im Vorfeld auf uns zugekommen wären, sodass wir auch hier hätten sehen können, ob wir einen gemeinsamen Antrag auf den Weg bringen können. – Wir stimmen dem Antrag trotzdem zu, weil uns das Ziel an der Stelle eint. Aber ich hätte mich gefreut, wenn wir nach dem sehr produktiven Prozess, den wir bei der Frage der Sexarbeit gehabt haben, auch in der Frage des Menschenhandels und dieser gravierenden Menschenrechtsverletzungen vielleicht gemeinsam ein Zeichen hätten setzen können.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Ihr Antrag verweist auf die aktuellen Zahlen im Bundeslagebild Menschenhandel. Demnach wurden 2019 deutschlandweit 287 Ermittlungsverfahren abgeschlossen, davon 88 in Nordrhein-Westfalen.

Allerdings – auch darauf ist schon hingewiesen worden – ist Menschenhandel ein Kontrolldelikt, sodass von einem großen Dunkelfeld ausgegangen werden muss, und zwar unabhängig von der Coronakrise. Die wenigsten – nur rund ein Drittel, wenn überhaupt – der Opfer von Menschenhandel melden sich selbst bei der Polizei. Viele brauchen die Unterstützung. Auch wenn Menschenhandel durch polizeiliche Kontrollen aufgedeckt werden kann, geht es einerseits darum, die Opfer zu unterstützen. Vor allem aber geht es darum, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Was das Dunkelfeld angeht, so hat es, wie im Bundeslagebild ausgeführt wird, eine Verlagerung in schwerer kontrollierbare Prostitutionsstätten gegeben, also weg von Bars und Bordellen hin zu Wohnungsprostitution – und dann auch noch zu einem Anbahnungsort, der sehr schwer zu kontrollieren ist, nämlich dem Internet.

Der Runde Tisch Prostitution hat schon darauf hingewiesen, dass es einen großen Bereich der Anbahnung im Internet gibt, der kaum durchsichtig und kontrollierbar ist und der im Übrigen leider auch für die Beratungsstellen kaum erreichbar ist.

Auch die Erhebung von KOBER, die im Auftrag des MHKBG durchgeführt worden ist, hat gezeigt, dass das Internet zu einem solchen Anbahnungsort geworden ist, was es noch einmal schwieriger macht.

Wir werden noch einmal dezidiert darüber sprechen müssen, wie wir dieser Herausforderung begegnen können. Das heißt: Wie kann man das stärker kontrollieren? Und wie kann man – das ist mir auch wichtig – in diesem Bereich, der gerade nicht im Hellfeld, sondern eher im semilegalen Bereich der Prostitution stattfindet, Prävention, Beratung und Unterstützung besser implementieren, sodass Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, speziell unterstützt werden?

Sehr geehrte Damen und Herren, die Erhebung von KOBER hat im Zusammenhang mit den Neuregelungen in Bezug auf Meldepflicht und Gesundheitsvorsorge im Prostituiertenschutzgesetz noch einmal dezidiert darauf hingewiesen – auch Kollegin Butschkau hat das gerade erwähnt –, dass es durchaus Vorbehalte gegen staatliche Institutionen gibt, und zwar insbesondere dann, wenn die Opfer von Menschenhandel eben nicht aus Deutschland kommen. Das kann zum einen durch Sprachbarrieren begründet sein, zum anderen aber auch durch schlechte Erfahrungen.

Das ist oftmals nicht nur ein Hemmnis für Opfer von Menschenhandel, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen und auch zur Strafverfolgung beizutragen. Vielmehr ist es auch bei der Prävention ein Hemmnis und eine Herausforderung für Beratungsstellen; denn uns melden Beratungsstellen zurück, dass im Rahmen der Aufklärung, aufsuchenden Kontrolle etc. für viele Menschen, die nicht aus Deutschland kommen, nicht ersichtlich ist, wer gerade in die Prostitutionsstätte kommt: Zu welcher Behörde oder auch Beratungsstelle gehören die Leute, die gerade kommen?

Meines Erachtens müssen wir darauf achten, dass wir auch da für mehr Sensibilisierung sorgen und etwas dafür tun, dass von den Frauen verstanden werden kann, an wen sie sich wenden können, damit wir hier mehr Vertrauen schaffen können.

Aufklärung, Beratung und Sensibilisierung sind die zentralen Mechanismen; denn die Täterstrategien – darauf ist auch schon hingewiesen worden – sind vielfältig und auch sehr perfide. Die Loverboy-Methode ist schon erwähnt worden. Darüber haben wir hier im Haus bereits sehr viel diskutiert. Es geht aber auch um die Frage von Täuschungen und falschen Versprechungen, aber natürlich auch um handfeste Straftaten, die schon vor der eigentlichen Ausbeutung stattfinden, wie Entführung und Verschleppung. Es geht aber auch um Begleitkriminalität, die aus Gewalt, Freiheitsberaubung, Rauschmitteldelikten oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auch jenseits der sexuellen Ausbeutung besteht.

Es geht also um sehr viele Täterstrategien, aber auch um Strategien, die nicht auf Täuschung, sondern auch auf Zwang beruhen. Hier müssen wir sensibilisieren und Opfer unterstützen, weil – darauf ist auch schon hingewiesen worden – sich nicht jedes Opfer immer unbedingt als Opfer wahrnimmt.

Die acht landesgeförderten Beratungsstellen sind dabei eine wichtige Unterstützung, auch beim Bedarf einer sicheren Unterbringung und bei der Begleitung zu Verfahren, weil sie die Hemmschwelle senken bzw. den entscheidenden unterstützenden Impuls geben können, auch im Rahmen von Sprachmittlung, die sehr vertrauensbildend ist und Vertrauen voraussetzt.

Dazu gehört auch die Forderung nach weiteren Bemühungen, endlich eine nationale Strategie umzusetzen. Auch diese Forderung ist richtig und berechtigt; denn wir müssen einen insgesamt abgestimmten Aktionsplan haben.

Ich gehe davon aus – das wird Frau Ministerin sicherlich gleich darstellen –, dass die Forderung nach einer nationalen Strategie nicht bedeutet, dass auf Landesebene zugewartet oder weniger getan wird, sondern dass ergänzende Strategien verfolgt werden.

Wie gesagt, hätte ich mir gewünscht, wir hätten gemeinsam etwas auf den Weg bringen können. Trotzdem werden wir diesem Antrag, weil er ein wichtiges Anliegen verfolgt, zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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