Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damen und Herren!
(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration wendet sich der Rednerin zu.)
– Sie machen sich gerade sozusagen schon bereit; das ist gut. Genau Sie möchte ich nämlich ansprechen, Herr Minister.
Gestern haben Sie noch mal versucht, die Kritik an Ihrem Gesetz als Kritik an der Vorgängerregierung darzustellen. Dazu muss ich deutlich sagen: Sie sind schon lange genug im Geschäft und ein erfahrener Politiker. Deshalb wissen Sie doch, dass man, wenn es einen großen Reformprozess geben soll, tunlichst versucht, sich im Verfahren einzubringen.
Schließlich wird es, wenn das Gesetz erst auf dem Weg ist – das sieht man jetzt auch an diesem Gesetz –, schwierig, die notwendigen Korrekturen vorzunehmen. Das zeigt Ihr Gesetz deutlich: Es ist trotz großer Kritik vorher nichts passiert.
Ich würde mir aber zu eigen machen, dass diejenigen, die sich im Reformprozess vorher beteiligen wollten, dies mit 80.000 Unterschriften und 10.000 Leuten, die auf den Rheinwiesen gestanden haben, deutlich gemacht haben. Diese Menschen wollten Ihnen etwas mit auf den Weg geben. Allerdings haben Sie leider nicht zugehört, Herr Minister.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Doch!)
Nach der Veröffentlichung der Eckpunkte war doch klar, dass der von Ihnen so groß angekündigte große Wurf leider ausfallen würde. Sie können den Anspruch der weltbesten Bildung nämlich nicht einlösen. Marcel Hafke hat gestern noch mal davon gesprochen; ich dachte, mittlerweile hätten Sie wenigstens das eingetütet. Aber nein, es wird noch immer von der weltbesten Bildung und vom ganz großen Wurf geredet.
(Marcel Hafke [FDP]: Genau das ist es ja auch!)
Was die Leute bekommen haben, ist dieses KiBiz. Herr Minister, die Kritik, die an Ihren Eckpunkten vorgenommen wurde, wurde, als der Gesetzentwurf dann da war, nicht weniger, sondern nur noch differenzierter.
Herr Minister, Sie müssen sich mal entscheiden: Wenn das Ihr Gesetz ist, auf das Sie so stolz sind – das haben Sie schon mehrfach vorgetragen –, ist es aber auch Kritik an Ihrem Gesetz.
Oder ist es Kritik an Rot-Grün? – Das würde dann aber bedeuten, dass Sie gar nichts gemacht und nichts verändert haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie müssen sich an dieser Stelle schon entscheiden: Ist es Ihr Gesetz, ist die Kritik daran auch Kritik an Ihrer politischen Arbeit. Oder haben Sie nichts gemacht? – Dann ist es vielleicht Kritik, mit der Rot-Grün nach Hause geht, aber ich würde mich dann fragen, was in den letzten zweieinhalb Jahren in Ihrem Ministerium passiert ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Minister, es geht nicht, hier nach dem Motto „wasch mir den Pelz, aber macht mich nicht nass“ zu handeln. Sie feiern sich hier für das Gesetz ab; das werden Sie auch gleich wieder tun. Immer, wenn es um Kritik geht, haben Sie aber auf einmal nichts mehr mit dem Gesetz zu tun.
(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Doch!)
Das kommt mir ein bisschen vor wie „Familienminister mit beschränkter politischer Haftung“.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das empfinde ich einigermaßen so, als ob Sie sich einen schlanken Fuß machten.
Es ging doch auch darum – das wurde gestern eingefordert –, Korrekturen vorzunehmen. Sie haben nicht mal die kleinsten Korrekturen vorgenommen.
Beispielsweise bei den Wald‑ und Naturkindergärten wurde gefordert nachzuvollziehen, was doch im ganzen System ist, nämlich dass die Pauschalen dynamisiert worden sind bzw. indexiert werden. Das ist ein richtiger Schritt.
Aber warum vollziehen Sie das – wie von Ihnen gefordert wird – bei diesen Pauschalen dann nicht nach? – Es wäre schlicht systemlogisch.
(Marcel Hafke [FDP]: Das haben wir doch gemacht!)
So viel zu der tollen Ankündigung des Ministeriums – die Sie gestern noch mal vorgetragen haben –, die Trägervielfalt sei der Landesregierung heilig. Offensichtlich sind der Landesregierung aber nicht alle Träger gleich heilig.
(Beifall von den GRÜNEN – Heiterkeit von der SPD)
Ein dritter Punkt, der hier auch schon angesprochen wurde, ist die Elternbeitragsfreiheit. Dazu sage ich sehr deutlich, dass das, was Sie da hervorgezogen haben, ein Bonbon ist, das Sie vorher mit niemandem besprochen haben – nicht mal mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Die wussten davon nämlich auch nichts und finden das gar nicht so gut; schließlich haben auch die kommunalen Spitzenverbände gesagt: Was uns wirklich helfen und entlasten würde, wäre die Rückkehr zur landeseinheitlichen Beitragstabelle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es geht schließlich darum, dass wir endlich mit diesem Flickenteppich Schluss machen müssen, den Sie so beibehalten. Das Outsourcen der Beitragsgestaltung an die Kommunen führen Sie fort – auch da wieder keine Steuerungswirkung, weder im sozialen Bereich noch bei der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, Herr Minister.
(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
Auch da haben Sie nicht auf Kritik gehört, sondern stur durchgezogen und gesagt, irgendwer werde sich hoffentlich schon darüber freuen.
Ja, Herr Minister, heute ist zumindest für die regierungstragenden Fraktionen ein guter Tag. Diese freuen sich darüber, dass das Gesetz jetzt endlich verabschiedet wird. Ich sage Ihnen, dass wir aber leider dauerhaft darüber werden diskutieren müssen, weil dieses Gesetz nicht die Ansprüche einlöst, die Sie selber so groß verkündet haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Leider wird auch dieses Gesetz scheitern, und wir müssen weiterhin mithilfe einer Überbrückungsfinanzierung sehen, wie wir endlich irgendwann gemeinsam zu einer Finanzierung der Kindertageseinrichtungen in diesem Land kommen, die wirklich verlässlich, nachhaltig und an den Kindern ausgerichtet ist. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)