Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon wieder bemerkenswert in dieser Debatte. Herr Kollege Hafke, Herr Kollege Tigges, Sie regieren hier seit vier Jahren, und dann kommt nichts als Oppositionsrhetorik. Das muss man erst einmal schaffen. Das ist keine besonders gute Bilanz. Sie tragen in diesem Land Verantwortung. Das bedeutet, es sind auch Ihre Probleme, die hier zu lösen sind.
(Zuruf von Raphael Tigges [CDU])
Wenn das Einzige, was Sie in diesem Zusammenhang vortragen, ist: „Wir haben ja nichts vorgefunden“, dann ist das dünn. Das merken auch die Träger. Das merken die Erzieherinnen und Erzieher. Das ist zu wenig, und das wird Ihnen auf die Füße fallen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Raphael Tigges [CDU])
Herr Hafke, ich finde es ja gut, dass Sie dem Minister ausgiebig gedankt haben. Allerdings hätten sich – das haben wir gerade in der Befragung der GEW gesehen – auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen gewünscht, dass der Minister ihnen mal dankt. Sie hätten sich gewünscht, dass Sie ihnen zuhören.
Man merkt bei dieser Landesregierung: Sie sind permanent damit beschäftigt, sich selbst zu loben. Eine Hand ist permanent damit beschäftigt, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Bei der Frage des Miteinanderredens geht es nicht nur um Verkündungen, wie Sie es offensichtlich auszulegen scheinen, sondern das hat auch etwas mit Zuhören zu tun. Das Zuhören scheint keine besonders ausgeprägte Kompetenz dieser Landesregierung zu sein.
(Beifall von den GRÜNEN und Inge Blask [SPD] – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
Ich finde, wir müssten auch einmal würdigen, dass die Familien, die Kinder, die Jugendlichen, die Erzieherinnen und Erzieher in dieser Krise besonders belastet gewesen sind. Da würde ich mir mehr Empathie seitens der Landesregierung und seitens der regierungstragenden Fraktionen wünschen.
Ja, man kann sagen, dass die Bildungs- und Betreuungsgarantie für viele Familien sicher eine Erleichterung gewesen ist. Andererseits muss aber auch zur Kenntnis nehmen, wie schwierig die Situation an mancher Kita-Tür gewesen ist, die Aushandlungsprozesse zwischen Erzieherinnen und Erziehern und den Eltern. Da würde ich mir einfach mehr Empathie wünschen als die ewige Leier: Alles was wir gemacht haben, ist absolut richtig und ganz toll; jeder freut sich darüber.
(Marcel Hafke [FDP]: Haben wir nie gesagt!)
Die Umfrage der GEW zeigt doch sehr eindeutig, dass nicht alle zufrieden sind. Sie haben vorhin in der anderen Debatte gesagt, wie sehr sich alle darüber freuen, was Sie hier auf den Weg gebracht haben. Die Zahlen sprechen jedoch eine deutlich andere Sprache.
72 % haben bemängelt, dass die Zuverlässigkeit der angekündigten Maßnahmen nicht so hoch gewesen ist. Da kann man zum einen sagen, dass man in einer Pandemie auch mal spontan reagieren muss. Zum anderen sind viele Dinge aber auch sehr spät gekommen.
Das sind nicht nur die SchulMails am Freitagnachmittag gewesen. Auch die Einrichtungsleitungen haben sich immer wieder gefragt, ob sie ins Wochenende gehen können oder ob sie noch den Montag vorbereiten müssen, weil der Minister sich etwas Neues ausgedacht hat.
(Marcel Hafke [FDP]: Der hat sich nichts Neues ausgedacht, er hat versucht, Menschenleben zu schützen!)
85 % haben angegeben, dass sie sich in dieser Pandemie gerade nicht wertgeschätzt gefühlt haben. Das muss man auch mal zur Kenntnis nehmen. Da wäre es gut, wenn man tatsächlich nicht nur von Augenhöhe reden, sondern sie auch in der eigenen politischen Kultur leben würde.
(Marcel Hafke [FDP]: Um Menschenleben zu schützen, nicht um sich Neues auszudenken!)
Ja, es wäre gut, wenn Sie das Programm für die Alltagshelferinnen und Alltagshelfer fortsetzen würden, denn die Pandemie ist nicht zu Ende, auch wenn wir das alle hoffen. Wir müssen uns jetzt auf den Herbst vorbereiten. Es braucht jetzt Unterstützung im System für die Aufarbeitung.
Es ist eine schwierige Phase für die Einrichtungen und für die Kinder gewesen. Dementsprechend braucht das pädagogische Personal mehr Freiräume. Wir müssen ihnen den Rücken freihalten, damit sie pädagogisch arbeiten können.
Wir haben immer gesagt, es wäre sinnvoll, langfristig nicht nur ein Alltagshelfer*innenprogramm als Projekt auf den Weg zu bringen, sondern wir sollten über die strukturelle Absicherung von Hauswirtschafts- und Verwaltungskräften im KiBiz Entlastung ins System bringen. Das ist mit der letzten KiBiz-Reform nicht geschehen. Das wäre aber wichtig, um für Entlastung zu sorgen. Mit den Kindpauschalen ist das nicht abzudecken, das können Ihnen die Träger, die Verbände und die Erzieherinnen und Erzieher vor Ort sehr genau vorrechnen.
(Beifall von Wibke Brems [GRÜNE])
Dementsprechend halten wir durchaus für sinnvoll, was in dem SPD-Antrag aufgeschrieben wurde. Zum einen müssen wir jetzt das Kita-Helfer-Programm fortsetzen. Es muss überprüft werden, in welcher Art und Weise die Entlastung jenseits der pädagogischen Fachkräfte dauerhaft ins System gebracht werden kann. Wir müssen darauf schauen, wie die Fortbildungsangebote ankommen.
Kollege Maelzer hat es doch beschrieben. Wir stellen jetzt fest, dass die Zeitläufe für die angekündigte Fortbildung eigentlich zu knapp sind. Bis zum 1. August – das hat ver.di zurückgemeldet – sind unter Umständen die Schulplätze nicht da und sind unter Umständen die Ausbildungsverträge nicht abgeschlossen. Das bedeutet, wir verlieren mögliche zukünftige Fachkräfte, und wir verlieren Zeit, die wir eigentlich nicht haben.
Der Fachkräftemangel gefährdet am Ende des Tages die Qualität der frühkindlichen Bildung. Wir brauchen dringend gute und motivierte Fachkräfte, gute Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung, Dazu muss von dieser Landesregierung einfach mehr kommen.
Wie können wir beispielsweise diejenigen, die keine Vollzeitstelle haben, motivieren? Wie können wir Anreize schaffen, gegebenenfalls Stunden aufzustocken? Wie kann Teilzeitausbildung gestärkt werden? – All diese Punkte müssen angegangen werden, weil wir unsere Kitas zu guten Orten für die Kinder, zu guten Entwicklungsorten und zu guten Arbeitsplätzen machen wollen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Anja Butschkau [SPD])