Josefien Paul: „Das ist in der Tat eine dramatische Verschärfung der Lage, die wir ohnedies beim Schwimmenlernen haben“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Nichtschwimmern

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat sprechen wir heute einmal mehr über ein Thema, das wir im Sportausschuss schon häufig debattiert haben, weil auch schon vor Corona die Lage, was die Schwimmfähigkeit von Kindern und Jugendlichen angeht, als dramatisch zu bezeichnen war. Es ist gerade auch schon von allen Vorrednern dargestellt worden: Natürlich hat die aktuelle Coronalage dazu geführt, dass sich die Situation noch einmal verschärft.

Herr Nettekoven, der Antragstitel ist durchaus richtig gewählt. Es geht nicht darum, dass diejenigen, die schon schwimmen können, das Schwimmen wieder verlernen, aber es droht die Gefahr, dass wir einen, zwei oder sogar drei Jahrgänge an Nichtschwimmern produzieren. Das ist in der Tat eine dramatische Verschärfung der Lage, die wir ohnedies beim Schwimmenlernen haben.

Ich finde es wichtig, dass der SPD-Antrag die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auf eine breitere Basis stellt. Kinder und Jugendliche sind nicht nur Schülerinnen und Schüler und – wenn sie Kita-Kinder sind – nicht schlimmstenfalls ein Betreuungsproblem, sondern zu einer ganzheitlichen und gesunden Entwicklung gehören vielmehr diverse Aspekte.

Eine ganzheitliche Entwicklung bedeutet eben auch motorische Entwicklung. Dafür ist die Schwimmfähigkeit ganz zentral. Das ist im Übrigen nicht nur eine Frage von Sicherheit, gerade wenn es auf die Sommermonate zugeht, sondern auch eine Frage der motorischen Entwicklung, der psychischen Gesundheit etc. Schwimmen ist eine ganz wichtige Kernkompetenz, die allerdings immer weniger Kinder und Jugendliche tatsächlich sicher beherrschen.

In den 90er-Jahren kamen noch etwa 90 % der Kinder und Jugendlichen irgendwann zum Freischwimmer; damit ist auch tatsächlich sicheres Schwimmen gewährleistet. Heute sind es nur noch rund 40 %, also weniger als die Hälfte. Damit meine ich wirklich Freischwimmer, also Bronze-Niveau, und nicht etwa das Seepferdchen, denn das ist mehr oder weniger nur eine Wassergewöhnung. Dementsprechend steht zu befürchten, dass wir eine Welle an Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmern haben werden, wie es im Übrigen auch schon die Verbände häufig attestiert haben.

Natürlich nehmen wir zur Kenntnis, dass es den Aktionsplan Schwimmen lernen NRW mit den vielfältigen Maßnahmen, die hier beschrieben wurden, gibt. Es ist aber aus unserer Sicht durchaus notwendig, dass dieser Aktionsplan ein Coronaupdate bekommt, weil wir schlicht und ergreifend schauen müssen, wie wir die entstandenen Lücken sicher nicht ganz schließen, aber doch alles pandemiebedingt Mögliche dafür tun können, dass mehr Kinder und Jugendliche schwimmen lernen.

In diesem Zusammenhang will ich auch darauf hinweisen, dass es mir zu kurz gesprungen ist, dass immer davon geschrieben wird, dass Kinder bis zum 10. Lebensjahr schwimmen können müssen. Das wäre wünschenswert, aber wenn das nicht möglich ist, müssen wir auch darauf schauen, ob wir nicht in weiterführenden Schulen Schwimmkurse einrichten, damit die Kinder und Jugendlichen tatsächlich irgendwann schwimmen können.

Wenn sie das Schwimmen auch coronabedingt nicht in den Grundschulen lernen können, muss es Möglichkeiten geben, das auch später noch zu tun. Dann muss das auch gemeinsam mit den Schulen auf den Weg gebracht werden.

(Beifall von den GRÜNEN und von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Das Fehlen von Schwimmflächen ist in der Tat eines der großen Probleme, die wir haben. Der Sanierungsstau ist hoch. Ausweislich der Antwort auf unsere Kleine Anfrage beläuft sich der Sanierungsstau bei Sportstätten und Bädern für Nordrhein-Westfalen auf round about 2 Milliarden Euro.

Wenn man das in Relation zum Programm „Moderne Sportstätte 2022“ mit 300 Millionen Euro setzt, wird man feststellen, dass eine Diskrepanz besteht. Das heißt, wir brauchen gerade auch für die Bäder tatsächlich mehr Anstrengungen, weil sich auf das Programm „Moderne Sportstätte 2022“ lediglich die Bünde und die Vereine bewerben können. Die meisten Bäder sind jedoch in kommunaler Trägerschaft. Wir brauchen daher mehr Anstrengungen – Stichwort: Goldener Plan – von Bund, Ländern und Kommunen, damit der Sanierungsstau tatsächlich abgebaut werden kann.

Selbstverständlich brauchen wir am Ende des Tages auch leistungsfähige Kommunen, die die Bäder unterhalten können. Heute ist es für klamme Kommunen oftmals günstiger, das Bad einfach zu schließen, anstatt das teure Bad zu sanieren und auch noch zu erhalten. Es sind aber wichtige Orte der Begegnung, die uns das auch wert sein müssen. Dementsprechend brauchen wir starke Kommunen, die auch die finanziellen Möglichkeiten haben, die Bäder zu erhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen tatsächlich auch einen Bäderatlas, den es aber nicht gibt. Wir brauchen eine Schwimm- und Bäderoffensive. Zum einen müssen wir viel genauer wissen, welche Infrastruktur wir haben, und zum anderen müssen wir besser wissen, welche Investitionsrückstände bestehen.

Wir warten dringend darauf, dass die Landesregierung endlich eine vernünftige Datengrundlage auf den Weg bringt. Es wäre schön, wenn Sie die Chance jetzt nutzen würden und gleichzeitig auch eine Schwimmoffensive auf den Weg bringen, damit wir nicht im nächsten Jahr immer noch über ein Jahr der Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmer, sondern über ein Jahr der neugenutzten Chancen sprechen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

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