Johannes Remmel:“Wir müssen auch als Landtag Nordrhein-Westfalen unsere Stimme erheben, weil wir in besonderer Weise von der Zukunft Europas profitieren“

Antrag der SPD-Fraktion zu grenzüberschreitender Zusammenarbeit

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zum Kollegen Weiß komme ich nicht vom Allgemeinen zum Konkreten, sondern ich fange mit dem Konkreten an. Dabei geht es um das Leben der Menschen dies- und jenseits der innereuropäischen Grenzen.
Die Art und Weise, wie sich das Leben für die Menschen vor Ort konkret verbessert, kann am besten dazu führen, dass wir in Europa noch enger zusammenrücken. Wenn die Menschen nämlich sehen, dass sich auf beiden Seiten etwas bewegt, dann gewinnen sie auch wieder Zuversicht für dieses große gemeinsame Projekt.
Deswegen unterstützen wir die Forderung nach der Behebung der grenzüberschreitenden Probleme, die nach wie vor in den Grenzregionen auch in Nordrhein-Westfalen vorhanden sind. Auf Europa- und Bundesebene, aber auch auf Landes- und kommunaler Ebene gibt es Herr Kollege Brockes hat es betont – viel Potenzial, das auch wir erkennen. Da ist aber noch deutlich Luft nach oben.
Gleichzeitig fühlt man sich an die Hydra erinnert, der man einen Kopf abschlägt, für den dann drei Köpfe nachwachsen: Wenn man ein Problem löst, entstehen an anderer Stelle drei neue Probleme. Grenzen abbauen ist gut und richtig, aber dadurch erwachsen an anderer Stelle neue Probleme.
Deshalb ist es notwendig, konkrete Punkte zu benennen. Der Antrag nennt schon einige. Entscheidend ist aber, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern und die übergeordneten Programme ausreichend ausgestaltet sind. Dazu signalisiert meine Fraktion ihre Unterstützung, gerade wenn es darum geht, die Vorschläge der Europäischen Kommission zur zukünftigen Ausgestaltung der Programme zu bewerten. Hier wird die richtige Wegmarke gesetzt, wenngleich wir an vielen anderen Stellen zu den aktuellen Vorschlägen der Kommission etliche kritische Fragen haben. Jedenfalls sind die Schwerpunkte richtig gesetzt.
Wir regen allerdings an, zu überdenken, ob das, was in vielen Begriffen, die vorhin in der Debatte eine Rolle gespielt haben, wirklich bei den Menschen ankommt. Immerhin ist Interreg ist mittlerweile ein Begriff. Man sollte überlegen, ob nicht die vielen Programme, wenn sie systematisch zusammengefasst und verständlich formuliert werden, den Menschen besser vermittelt werden können. Das ist eine Anregung, die ich gerne hier zu Protokoll geben möchte.
Ich möchte auch an die Landesregierung appellieren, sich der vielen Aufträge, die aus dem Antrag erwachsen, anzunehmen und systematisch anzugehen. Man kann nicht alle Probleme auf einmal lösen. In der Tat ist die Zeit beschränkt, aber ich würde mir schon wünschen, dass wir zu einem Arbeitsprogramm für die nächsten vier Jahre kommen und überlegen, was in welchem Jahr angegangen wird. Wir sollten regelmäßig miteinander besprechen, in welcher Weise die Probleme angegangen werden können, und was die Abgeordnete selbst dazu bei- tragen können, um die grenzüberschreitenden Probleme zu lösen.
Das ist ein großer Auftrag. Ich freue mich über die Gemeinsamkeiten, gar keine Frage. Mich beschleicht bei dieser Debatte ein leiser Zweifel, ob das, was wir mit unseren Anträgen gemeinsam beschließen, das auffangen kann, was an anderer, übergeordneter Stelle zurzeit in Sachen Europa kaputtgemacht wird. Da können wir uns noch so bemühen.
Es ist eine Sisyphusarbeit, den Stein immer wieder den Berg hinaufzurollen, wenn an anderer Stelle dem Multilateralismus eine Absage erteilt wird, indem neue Grenzen in Europa errichtet werden. Ich frage mich, ob das, was wir an Detailarbeit für die Menschen vor Ort mit diesem Antrag bewirken können, ausreicht, um die große Debatte für ein besseres vereinigtes Europa führen zu können.
Wir müssen auch als Landtag Nordrhein-Westfalen unsere Stimme erheben, weil wir in besonderer Weise von der Zukunft Europas profitieren. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit, erinnere aber zugleich an den Auftrag, in der großen Debatte mitzumischen. Wir müssen uns für ein weiteres großes Projekt in einem vereinigten Europa einsetzen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN sowie von Rüdiger Weiß [SPD] und Dr. Günther Bergmann [CDU])