Johannes Remmel: „Wir sehen die Möglichkeiten für einen fairen Welthandel“

Antrag der GRÜNEN zu fairem Welthandel

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Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzte Woche hat die belgische Regierung mitgeteilt, dass sie das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das unter dem Namen CETA bekannt ist, vor den Europäischen Gerichtshof bringen will – aus unserer Sicht ein überfälliger Schritt. Es muss rechtlich, es muss vom obersten europäischen Gericht geklärt werden, ob dieses Handelsabkommen mit dem EU-Recht zu vereinbaren ist und ob – und das ist sehr wichtig – der nationale Rechtsweg, die nationale Souveränität damit ausgehebelt wird. Das sind Fragen, die nicht vor einen Schiedsgerichtshof verlagert werden dürfen, sondern wir meinen vor die oberste Institution Europas.
Zwischen Kanada und der EU mit dem jeweils gut funktionierenden Rechtssystem ist ein solches Verfahren über Schiedsgerichte nicht notwendig. Dafür haben wir ja eine ordentliche Rechtsprechung. Wenn überhaupt, müsste man an multilaterale Rechtssysteme denken, wie wir sie an anderer Stelle ja haben.
Nun soll aber – und das ist wichtig in diesem Zusammenhang – CETA vorläufig am 21. September, also in Kürze, in Kraft treten, bevor – auch das ist wichtig – das Abkommen von den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde und bevor eben der Europäische Gerichtshof sich mit dem Abkommen beschäftigt. Mag es auch sein, dass die rechtspolitisch heiklen Punkte wie das Schiedsgericht oder die regulatorische Kooperation am 21. eben noch nicht in Kraft treten werden, aber was bedeutet das umgekehrt – ein größerer Teil tritt in Kraft – für den Rechtsstaat und die demokratische Willensbildung auf jeweils nationaler Ebene?
Ich meine, das grenzt zum Teil an Nötigung. Eine Ablehnung des Abkommens durch die souveränen Nationalstaaten oder auch die entsprechenden Verfassungskammern verursacht deutlich höhere Kosten, wenn Teile davon schon vollzogen werden. Und natürlich wird dieses Argument in den Diskussionen noch auftauchen, nämlich die Kostenfrage, wenn das Abkommen jetzt noch abgelehnt würde. Daher fordern wir die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass das vorzeitige Inkrafttreten nicht stattfindet und die geschilderten Auswirkungen verhindert werden.
Auch wir sind für einen umfassenden und fairen Freihandel. Wir sehen sehr wohl die großen Chancen, die im freien Austausch von Waren und Dienstleistungen weltweit stecken. Wir sehen die Möglichkeiten für einen fairen Welthandel, um die Lebensbedingungen weltweit deutlich zu verbessern. Aber das geschieht eben nicht durch CETA, TTIP, TiSA oder JEFTA, denn dabei handelt es sich um Handelsabkommen, die eher zur Abgrenzung als zum Welthandel auffordern.
(Henning Höne [FDP]: Völlig falsch!)
Wir sehen die Vorteile für die Wirtschaft. Neue Arbeitsplätze können geschaffen werden durch einen fairen Welthandel. Aber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind eben auch Verbraucherinnen und Verbraucher. Hier geht es darum, diese Rechte auch zu schützen und die Qualität und die Sicherheit von Produkten zu gewährleisten. Das sind wichtige Errungenschaften und eben keine Handelshemmnisse. Verbraucherschutz muss Ziel einer guten Handelspolitik sein und nicht die Zielscheibe. Leider ist zu befürchten, dass das bei den erwähnten Abkommen nicht so gehandhabt wird.
(Widerspruch von Henning Höne [FDP])
Hier gibt es klare Hinweise, dass die langjährigen Anstrengungen, die wir in Deutschland und in Europa beispielsweise hatten, das Wasser bzw. das Trinkwasser als wichtigstes Lebensmittel vor einer marktwirtschaftlichen Orientierung zu schützen und damit den Brunnen im Dorf zu erhalten, im Rahmen der Handelsabkommen erneut aufgebohrt werden.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Damit wird die langjährige Bestrebung vonseiten der Wirtschaft, auch die Trinkwasserversorgung einem Mark zuzuführen und damit nicht mehr für alle in der Daseinsvorsorge zugänglich zu machen, aufgebohrt. Auch das Prinzip der Vorsorge ist betroffen und würde eine gewachsene Rechtsentwicklung in Europa massiv zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher beeinträchtigen.
Das Problem globaler Abkommen ist aber noch ein anderes: Immer dann, wenn zwei Parteien oder zwei Regionen sich auf ein solches Abkommen unter Ausschluss öffentlicher Regeln einigen, geht das oft zulasten von Dritten. Dabei sollten doch Handelsabkommen auch dazu beitragen, Probleme wie beispielsweise Fluchtursachen zu lösen. Aber so, wie die Handelsabkommen heute gestaltet sind, tragen sie eher dazu bei, diese Probleme zu verschärfen, und sind nicht wirklich im Sinne einer solidarischen, fairen und internationalen Handelspolitik zu verstehen.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Johannes Remmel (GRÜNE): Mit unserem Antrag möchten wir der Landesregierung die Möglichkeit geben, sich für einen solchen fairen und internationalen Handel einzusetzen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)