Johannes Remmel: „Sie drücken sich um eine entscheidende Frage“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Reaktivierung von Schienenstrecken

Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
„Die Verkehrspolitik der NRW-Koalition steht unter der Prämisse der Ideologiefreiheit, der Nutzerorientierung und der Technologieoffenheit. Keinem Bürger soll vorgeschrieben werden, wie, wann und vor allem womit er seinen Weg zurücklegt.“
(Klaus Voussem [CDU]: Stimmt!)
„Jedes Unternehmen muss die Möglichkeit haben, seine vor Ort produzierten Güter sowie die eingesetzten Vorprodukte und Rohstoffe schnell und effizient zu transportieren.“
(Beifall von Klaus Voussem [CDU], Henning Rehbaum [CDU] und Bodo Middeldorf [FDP])
In Ewigkeit, Amen! In Ewigkeit, Amen! In Ewigkeit, Amen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ein bisschen mehr Arbeit können Sie sich bei Ihren Anträgen doch machen. Offensichtlich haben Sie da so einen Versatzkasten auf dem Computer,
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie verwechseln den mit Ihrem! – Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])
bei dem Sie diese Nummer der Litanei und das Gebet, das man sprechen muss, an den Anfang schieben. Dann kommt die Systematik, dass Sie Inhalte und Sachverhalte, die eher der umweltorientierten, sozialdemokratischen und grünen Politik zuzuordnen sind, aufgreifen, neu aufladen und dann als das Ihre verkaufen.
(Henning Rehbaum [CDU]: Wie kommen Sie denn darauf?)
Ich habe die Prognose – wir können vielleicht darauf wetten –, dass in sehr kurzer Zeit eine Vorstellung des Ministeriums dazu folgen wird, was kurzfristig an Projekten ansteht.
(Bodo Middeldorf [FDP]: Ja, das ist doch gut!) Leute, eine solche Nummer können wir uns doch sparen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das müssen wir doch nicht immer in dieser Art und Weise miteinander zelebrieren. (Henning Rehbaum [CDU]: Wie man es macht, macht man es verkehrt!)
Das ist doch gespieltes Parlament und hat nichts damit zu tun, dass wir in irgendeiner Weise in der Sache einen Fortschritt erreichen.
Es steht in diesem Antrag also außer diesem Litanei-Gedöns Richtiges drin. Sie greifen auch Themen auf, die schon 20 Jahre lang diskutiert worden sind.
Aber Sie drücken sich um eine entscheidende Frage – nämlich auch Verantwortung für den jetzigen Zustand zu übernehmen. Das hat nicht Rot-Grün zu verantworten, sondern das hat Schwarz-Gelb zu verantworten.
(Bodo Middeldorf [FDP]: Das ist ja lächerlich!)
Sie haben lange die Ideologie des Börsengangs der Deutschen Bahn vertreten. Deshalb haben wir …
(Bodo Middeldorf [FDP]: Das ist lächerlich! – Gegenruf von Carsten Löcker [SPD]: Nein, das ist nicht lächerlich, Herr Kollege! Das ist FDP pur!)
–  Selbstverständlich! Wer hat es denn in diesem Land vertreten? Warum sind denn all die Strecken stillgelegt worden? Das waren doch Sie.
(Carsten Löcker [SPD]: Das ist FDP pur!)
Das, was heute mühselig repariert werden soll und von dem wir erkannt haben, dass es eine falsche Politik war, alles dem Börsengang unterzuordnen, ist jetzt offensichtlich nicht mehr in Ihren Köpfen.
Wir hatten ein konzeptionelles Problem bei der Bahn; nach wie vor spüren wir die Folgen davon: keine Flächenbahnen zu organisieren, auf die großen Strecken zu setzen und am Ende auf die Börse.
Das war eine völlige Fehlpolitik, die dazu geführt hat, dass an vielen Strecken Angebote nicht mehr vorgehalten werden und gerade im Güterverkehr massiv zurückgebaut wurde.
Wir versuchen jetzt, das mühsam wieder aufzuarbeiten. Das kann man politisch gemeinsam tun, und dafür stehen wir zur Verfügung. Aber bitte führen Sie uns nicht mit den ewigen Lita- neien hinters Licht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Carsten Löcker [SPD])
Präsident André Kuper: Herr Kollege Remmel, es gab vorhin noch den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Lassen Sie sie noch zu?
Johannes Remmel (GRÜNE): Bitte.
Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Remmel, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Sie haben gerade die Auswirkungen des nicht erfolgten Börsengangs der Deutschen Bahn dargestellt. In der nächsten Woche stehen tatsächlich zwei Projekte zur Reaktivierung auf der Tagesordnung des Verkehrsausschusses.
Ist Ihnen bekannt, dass es sich bei diesen beiden Projekten um nichtbundeseigene Eisen- bahnen handelt? Sie erhalten kein Geld vom Bund und gehören auch nicht zur Deutschen Bahn; sie brauchen aber Gelder, um ihre Infrastruktur zu unterstützen.
Ist Ihnen bekannt, dass Sie in Ihrer Regierungszeit die Förderung für nichtbundeseigene Ei- senbahnen eingestellt haben?
(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)
Johannes Remmel (GRÜNE): Falls Sie die letzten 20 Jahre verfolgt haben: Insbesondere dort, wo sich meine Fraktion eingesetzt und in weiten Teilen auch durchgesetzt hat, handelte es sich insbesondere um die Reaktivierung und Förderung von nichtbundeseigenen Eisen- bahnen. Das ist immer auf unser Konto gegangen.
Es hat auf Haushaltsebene andere Entscheidungen gegeben, die ich bedaure; das ist gar keine Frage. Insofern begrüße ich, was Sie im Haushalt und mit den Veränderungen an dieser Stelle gemacht haben.
Aber mit der Grundsatzfrage, warum wir heute bei vielen Reaktivierungsprojekten mühsam das wieder aufkehren müssen, was mit dem Ziel eines Börsengangs zusammenhängt, hat das nichts zu tun. Da müssen Sie sich schon an die eigene Nase fassen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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