Johannes Remmel: „Ohne eine ordentliche finanzielle Grundlage können Kommunen keine aktive Flächenpolitik betreiben“

Entwurf zum Haushaltsplan 2020 Bauen und Wohnen - zweite Lesung

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gerade wieder ein Erlebnis der dritten Art gehabt. Wenn man auf die großen Fragen – zur zukünftigen Stadtentwicklung und zur Bereitstellung von ausreichendem Wohnraum brauche ich nicht zu erläutern, dass das die großen Fragen der Zukunft, unserer Städte und der Menschen sind – nichts zu sagen hat, dann muss man mittels der jeweiligen kleinen Förderprogramme präsentieren, was man an Gutem für das Land tut.
(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Darauf will ich mich in den fünf Minuten meiner Rede konzentrieren, muss aber zu Beginn meiner Rede ceterum censeo auch noch zwei Sätze zur Landesbauordnung sagen. Leider, muss ich an dieser Stelle bemerken, denn ich hätte gerne Unrecht gehabt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Verzögerung und Neuauflage des Prozesses der Landesbauordnung einen Attentismus gibt, weil in der Folge einer Neuauflage der Landesbauordnung auch Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen. Diese aber, sehr geehrte Frau Ministerin, liegen bis heute nicht vor.
Wir haben immer davor gewarnt, das zu tun, weil am Ende noch die Verwaltungsvorschriften kommen müssen. Sie waren schon für Anfang des Jahres 2019 angekündigt, nun liegen sie immer noch nicht vor. Das führt dazu, dass mit Blick auf diese Verwaltungsvorschrift an vielen Stellen nicht gehandelt wird und das dringend Notwendige nicht geschieht.
Ich will mich einem ganz anderen Bereich widmen, der leider schon gar nicht mehr in der Überschrift der Haushaltsberatungen vorkommt, geschweige denn in der Überschrift Ihres Hauses, nämlich die Frage nach der zukünftigen Entwicklung unserer Städte, der Stadtentwicklung.
Nun könnte man grüne Forderungen ganz oben auf die Tagesordnung setzen und sie als Maßstab durchdeklinieren. Ich will mich aber an einem aktuellen Bericht der europäischen Kommission orientieren, der unter der Überschrift „The Future of Cities Report“ erstellt und im Oktober 2019 vorgelegt worden ist. Der Bericht führt aus, dass die Herausführung der Städte in Europa und das zukünftige Leitbild für die Zukunft der Stadt die dringenden Antworten in den Handlungsfeldern „Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen“, „bürgernahe, digitalisierte Dienstleistungserbringung“, „Förderung umweltfreundlicher, klimafreundlicher Mobilitätsangebote“, „Umgang mit der Alterung der Gesellschaft“ und „Gesundheit der Stadtbevölkerung“ sowie insbesondere in den Bereichen „Umwelt“ und „Klima“ in die zukünftige Stadtentwicklung integriert darstellen muss.
Hier komme ich zu dem, was wir in Nordrhein-Westfalen nicht haben: Wir haben keine Stadtentwicklungspolitik, die auf diese dringenden Herausforderungen der Zukunft irgendeine Antwort gibt. Wir haben business as usual, Heimatprogramme – das ist gut und schön –, aber die Antworten auf die Kernfrage, wie die Herausforderungen der Zukunft mit einer aktiven nordrhein-westfälischen Stadtentwicklungspolitik bewältigt werden sollen, suchen wir vergebens.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es handelt sich um nichts Geringeres als um die Frage, wo die hehren Ziele der Klimapolitik umgesetzt werden sollen, wenn nicht in einer Kommune. Dort läuft doch alles zusammen: Sektorkopplung, die Verbindung von Verkehr und Energie, die Frage, wie unsere Städte sich zukünftig klimaangepasst orientieren, sowie die Frage, wie der Wohnungsbau klimafreundlich organisiert wird. All das muss doch durch eine präventive Landespolitik beantwortet werden. Hier haben wir eine bedeutende Leerstelle.
Nähern wir uns aber konkret dem Wohnungsbau, dann entdecken wir auch dort große Lücken. Die Kommunen sind nicht ertüchtigt, eine aktive Flächenpolitik zu betreiben. Auch da ist wieder die Frage nach den Finanzen und den Altschulden zu stellen. Ohne eine ordentliche finanzielle Grundlage können Kommunen keine aktive Flächenpolitik betreiben. Zur Nachverdichtung müssten sie erst aufgefordert werden. Und wenn es darum geht, den sozialen Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen zu realisieren, dann müssen wir feststellen, dass sie sich aufgrund einer Verzettelung eben nicht darauf konzentrieren.
Auf die Gretchenfrage, wie Sie bei zurückgehenden Sozialraumbindungen und gleichzeitig zu wenig Neubau die Frage nach sozialen Belegungsmöglichkeiten von Wohnungen beantworten wollen, haben Sie auch keine Antwort.
Wir kritisieren nicht, was an Zahlen im Haushalt steht, sondern das, was Sie nicht tun bzw. unterlassen, obwohl es dringender Veränderungen bedürfte. Dazu fordere ich Sie auf. Sie haben gleich Gelegenheit, eine Kehrtwende einzuleiten. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])