Johannes Remmel. „Offensichtlich gibt es Eigentum erster Klasse und zweiter Klasse“

Aktuelle Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Wohnungsnot

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, heute mit einer Erläuterung zu unserem Antrag einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Darauf komme ich auch noch zurück.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Aber, Herr Hovenjürgen, angesichts der Kübel von Schizophrenie und Bigotterie, die hier von SPD und den Koalitionsfraktionen in den Raum gegossen werden, muss man das einfach kommentieren. Das geht nicht anders.
(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU] – Beifall von den GRÜNEN)
Also, zunächst in Richtung SPD: Die Problemdiskussion über Enteignungen und entspre- chende Initiativen, die in Berlin laufen, sind doch darin begründet, dass ein SPD- Finanzsenator sämtliche Wohnungen in Berlin verscherbelt hat. – Das gehört zur Wahrheit der Debatte dazu.
(Beifall von den GRÜNEN – Michael Hübner [SPD]: Ja, das war falsch!)
Sich hier heute aufzuregen, aber das nicht zu erzählen?! Wie kann man denn im Landesvorstand der SPD mit Hurra das erfolgreiche Volksbegehren in Bayern begrüßen und unterstützen und hier und heute die Artenschutzdebatte gegen die Wohnungsnot ausspielen? Das ist einfach bigott!
(Beifall von den GRÜNEN)
An die Adresse von CDU und FDP, die heute das Hohelied des Eigentums singen: Offensichtlich gibt es Eigentum erster Klasse und zweiter Klasse. Das, was Sie heute vorgetragen haben, würde ich gerne einrahmen und den Menschen in Morschenich, Manheim, Kuckum und Keyenberg schicken.
(Beifall von den GRÜNEN)
Da gibt es auch Heimat, die weggebaggert wird,
(Bodo Löttgen [CDU]: Und wer hat das entschieden? Sie haben das entschieden!)
angeblich, um dem Gemeinwohl zu dienen. Sie haben offensichtlich einen geteilten Begriff von Eigentum.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das gehört zur Wahrheit der Debatte dazu.
Frau Ministerin, ich kann Sie angesichts der Erfolgsmeldungen, die Sie vortragen, aus einer Frage nicht entlassen. Darauf geben Sie keine Antwort. Nun können wir über die Fragen der Vergangenheit philosophieren, auch in Richtung CDU und FDP. Es war keine rot-grüne Koalition, die die Landesentwicklungsgesellschaft verkauft hat. Das waren Sie, die die verkauft haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Angesichts der Erfolgsmeldungen würde ich gerne fragen, wie die absehbaren Zahlen aussehen: Auch wenn jetzt mehr gebaut wird – fallen in der Tendenz mehr Sozialwohnungen aus der Sozialbindung heraus, als neue Sozialwohnungen hinzukommen? Darauf hat bisher keiner eine abschließende Antwort, auch Sie nicht. Das müssen Sie der Ehrlichkeit halber dazusagen.
Warum und weshalb diskutieren wir hier? Mir kommt ein Besuch in San Francisco, Kalifornien, in Erinnerung. Wir sind damals im Vorfeld der Weltklimakonferenz dahin gefahren.
(Bodo Löttgen [CDU]: Sie sind dahin gefahren? Sie sind doch geflogen!)
– Moment! Wir sind damals da gewesen, und was mir in Erinnerung geblieben ist … – Herr Löttgen, hören Sie doch einfach zu, das kann auch Ihnen helfen.
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Die Erkenntnis war, dass es in San Francisco selbst die kleinste Zwei-Zimmer-Wohnung nicht unter 5.000 Dollar im Monat gibt, und zwar im Umkreis von 10 km um das Stadtzentrum. Das führt nicht nur dazu, dass man dort als Normalverdiener keine Wohnung mehr bekommt, son- dern es führt auch zu einer sozialen Spaltung dieser Stadt. Das ist die Entwicklung, die wir in Berlin, München, Köln und anderen großen Städten vor Augen haben. Darauf eine Antwort zu finden, ist auch die Aufgabe eines Landesparlaments und einer Landesregierung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das hat nicht nur mit sozialem Wohnungsbau zu tun. Deshalb komme ich zum Abschluss auf den von uns gestellten Antrag zu sprechen. Es ist nicht der große Wurf, aber es ist ein Baustein zur Lösung. Es gibt eine Untersuchung der TU Darmstadt, laut der 400.000 Wohnungen machbar wären, wenn beispielsweise die 20 größten Discounter ihre eingeschossigen Verkaufsgebäude aufstocken würden. Dazu gibt es Modelle in Berlin. 400.000 Wohnungen – heruntergerechnet auf Nordrhein-Westfalen ist das immerhin eine Größenordnung.
In Hessen macht diese Initiative der dortige Bauminister Tarek Al-Wazir, und selbst Herr Söder in Bayern schreibt sich das auf die Fahnen.
Unsere Forderung ist, dass die Landesregierung zu einem Gipfel, die Discounter, die Betreiber von entsprechenden Gewerbeimmobilien und die Kommunen einlädt, um auch in Nordrhein-Westfalen zu einer solchen Initiative zu kommen, um sowohl über Förderung als auch über Begleitung und Beratung mehr Wohnungen gerade auf Freiflächen, Parkflächen und Flächen von Discountern zu schaffen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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