Johannes Remmel: „Konkrete Taten fehlen leider, wenn es darum geht, dass Europapolitik konkret wird“

Haushaltsplan 2019 - Ministerium für Europa und Internationales

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Krauß, es war kein spaßiger Zwischenruf, wo Sie eben die europapolitische Strategie der Landesregierung in den Mittelpunkt Ihrer Rede gestellt haben. Ich habe sie bisher gesucht. Ich habe sie wirklich intensiv gesucht. Ich habe sogar danach gefragt. Auch in Ihrer Rede jetzt war nicht zu erkennen, wo denn eine strategische Grundannahme ist, auf der Sie basieren.
Der Ministerpräsident schreibt schöne Essays in Zeitungen. Er erklärt sich in Sonntagsreden. Aber hier im Landtag gibt er gegenüber dem Parlament keine europapolitische Grundsatzregierungserklärung ab, wie sie von uns lange eingefordert wird. Bisher ist hier eine Leerstelle zu verzeichnen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Insofern ist das Anlass, heute bei der Haushaltsdebatte auch ein wenig zu reflektieren. Der Einzelplan „Europa und Internationales“ ist – gemessen an den sonstigen Haushaltstiteln, die hier zu besprechen sind – finanziell überschaubar. Insofern fragt man sich: Was ist denn über die Titel hinaus an Europapolitik von dieser Landesregierung bisher zu verzeichnen? Da muss ich sagen: viele schöne Worte in Sonntagsreden. Aber konkrete Taten fehlen leider, wenn es darum geht, dass Europapolitik konkret wird.
Nehmen wir das Beispiel Brexit. Darüber wird morgen früh ja noch zu sprechen sein. Da wird ein Brexit-Beauftragter ernannt. Da gibt es einen Europaminister. Da gibt es einen Wirtschaftsminister. Dann wird noch schnell in London ein Pappschild an die Tür geklebt. Darin ist aber keine Struktur. Das ist auch keine Chefsache. Das Ganze ist organisierte Verantwortungslosigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Kein Plan, nirgendwo, wie in Nordrhein-Westfalen mit diesem für uns wichtigen Thema, dem Brexit, umzugehen ist!
Oder schauen wir bei dem letzten Besuch des niederländischen Premierministers und dem entsprechenden Abkommen genauer hin. Da wird ein Verkehrsabkommen mit den Niederlanden geschlossen. Aber bei der wichtigsten Frage, wie das nun mit der Maut mitten in Europa ist, kneift der Ministerpräsident und erklärt seine eigene Machtlosigkeit. Ist das Europapolitik? Ist das die Stärke Nordrhein-Westfalens in der Bundespolitik, die man einbringen wollte? Nichts dergleichen!
Dann schaue ich weiter. Bei der Frage, wie es mit Tihange aussieht, werden große Versprechungen gemacht: Ich fahre nach Belgien und schalte das Kraftwerk ab. – Nichts ist dabei herausgekommen. Im Gegenteil! Porzellan ist zerschlagen worden.
Das ist keine Strategie einer zusammenfassenden und überschaubaren Europapolitik. Das ist null, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn man sich die Haushaltstitel genauer anschaut, kann man selbstverständlich die Mehrausgaben zur Durchführung des Benelux-Jahres begrüßen. Man kann auch begrüßen, dass im Nachhinein – auch auf Druck – zusätzliche Mittel zur Europawahl 2019 bereitgestellt worden sind. Das ist alles richtig.
Was aber den Kern angeht – wir müssten nämlich europäische Bildungspolitik vorantreiben –, ist es sehr bedauerlich, dass Sie unseren Antrag einfach vom Tisch wischen. Da könnten wir wirklich etwas für die Jugendlichen, für die Schulen, für einen Austausch tun.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen 215 Europaschulen. Sie werden in der Tat am untersten Limit finanziert. Da gibt es viel Bedarf nach weiterem Austausch und weiterer Finanzierung. Herr Berger hat es für die CDU-Fraktion richtig beschrieben: Die Finanzierung der Europaschulen ist gesichert. – Ja, mehr aber auch nicht. Und mehr sollte als Ambition einer Europapolitik, die wirklich auf einer Strategie für ein friedliches Europa beruht, schon drin sein.
Gleiches gilt auch für den Bereich Internationales: viele schöne Worte, aber keine konkreten Taten. Man hat den Eindruck, dass hier mit angezogener Handbremse Politik gemacht wird auch deshalb, weil die FDP offensichtlich die Eine-Welt-Arbeit, die so wichtig ist, gerade wenn zentrale Fragen wie Klimawandel, Klimaschutz und Migration im Mittelpunkt stehen, ganz abschaffen will. Das ist jedenfalls zu vermuten. Da wird evaluiert, aber keine Politik nach vorne gemacht.
Im Übrigen ist das der einzige Bereich, in dem es keine zusätzlichen Mittel aus dem Füllhorn der Koalitionsfraktionen gibt. Auch das ist beredt, nämlich ein Schweigen zu zukünftigen An- strengungen.
Auch bei den konkreten Projekten, insbesondere denen, die etwas mit Migration zu tun haben, ist kein Konzept zu erkennen, wie die internationalen partnerschaftlichen Anstrengungen in Nordafrika, in Marokko, in Jordanien zu einer konkreten Linie zusammengebunden werden sollen, damit daraus auch Initiativen für weitere Anstrengungen entstehen können.
Strich darunter: viele schöne Worte, aber leider keine konkreten Taten. Schaffen Sie endlich etwas!
(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])