Johannes Remmel: „Keine Signale von dieser Landesregierung“

Aktuelle Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu studentischem Wohnraum

Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Morgen haben wir – es tut mir leid, es so bewerten zu müssen – wieder bekannte politische Rituale vor allem von der Regierung und den Regierungsfraktionen erleben müssen: immer dann nämlich, wenn man ein Problem nicht erkennen will, weil man handeln müsste, wenn man es erkennt und dies zugestehen würde.
(Zurufe von Bodo Löttgen [CDU], Henning Rehbaum [CDU] und Stephen Paul [FDP])
– Offensichtlich habe ich den Punkt getroffen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Über die Problemlage, die bekannt ist und in zwei oder drei Zahlen ausgedrückt werden kann, haben Sie in keiner Weise gesprochen. Niemand hat sich auf die Zahlen bezogen, selbst die Ministerin nicht.
(Zuruf von Stephen Paul [FDP])
Es fing mit dem häufig genannten und beliebten Fokus auf die Vergangenheit an – geschenkt. Der zweite Fokus: Wir tun etwas – vor allem in Köln.
(Guido Déus [CDU]: So einfach ist man mit seiner Verantwortung fertig!)
Der dritte Fokus – bei der Ministerin: Das Problem ist nicht so groß. – Sie hat versucht, es wegzureden.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Das ist genau das, was passiert ist. Beziehen Sie sich doch konkret auf die vorliegenden Zahlen!
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Zahlen liegen vor; sie stehen im Raum. Erstens. 350 Millionen Euro Sanierungsbedarf – wie soll der gedeckt werden?
(Guido Déus [CDU]: Ungeprüft!)
Zweitens. 213 Millionen Euro Investitionsbedarf pro Jahr; das haben Ihnen die Studierendenwerke vorgelegt – wie soll das gedeckt werden?
(Bodo Löttgen [CDU]: Seit Mai 2017!)
Drittens. Wie ertüchtigen wir die Akteure vor Ort, insbesondere die Studierendenwerke, die Investitionen zu tätigen? – Auf alle drei Fragen haben Sie keine Antwort gegeben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Sie ignorieren das Problem; es ist für Sie nicht vorhanden. Das ist angesichts der Problemlage beschämend.
Ich gebe aber zu, dass die Linie, die die Landesregierung ansonsten im Wohnungsmarkt verfolgt – bauen, bauen, bauen –, selbstverständlich unterstützenswert ist. Da, wo wir sie unterstützen können, tun wir das. Das allein reicht aber nicht aus.
(Zuruf von Fabian Schrumpf [CDU])
Herr Paul, um eine Tatsache kommen Sie nicht herum. Sie drücken sich immer davor, darüber zu diskutieren, dass zurzeit im bestehenden Wohnungsmarkt, also bei bestehenden Immobilien, viele Immobilien in den falschen Händen sind.
(Guido Déus [CDU]: Wie meinen Sie das?)
Wir müssen darüber reden, wie das geändert werden kann. (Guido Déus [CDU]: Was meinen Sie damit?)
– Ja, wir haben an der Stelle ein Auge, das bei Ihnen blind ist.
(Zurufe von Stephen Paul [FDP] und Helmut Seifen [AfD])
Wir haben ein Grundgesetz,
(Bodo Löttgen [CDU]: Genau!)
worin die Sozialpflichtigkeit des Eigentums festgehalten ist. Darüber wollen Sie nicht diskutieren.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
Wenn Sie darüber diskutieren wollten, dann müssten Sie bei der Frage danach, wie eine Grundsteuerreform erfolgen soll, sehr viel eindringlicher auftreten. Da könnten Sie deutliche Signale an den Markt geben, wenn die Frage nach der Spekulationsbegrenzung auch durch eine ordentliche Grundsteuerreform geklärt würde. Da sind Sie nicht handlungsfähig.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Guido Déus [CDU])
Sie könnten darüber hinaus deutliche Signale an den Markt senden, indem Sie die gemeinschaftlichen, genossenschaftlichen Akteure im Markt stärken – aber: keine Signale von dieser Landesregierung.
(Zurufe von Fabian Schrumpf [CDU] und Stephen Paul [FDP])
Wir brauchen endlich einen Altschuldenfonds, insbesondere um die Kommunen wieder in die Lage zu versetzen, Akteur am Grundstücksmarkt sein zu können.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich will Ihnen auch noch die Frage vorhalten, was Sie denn auf Bundesebene tun, um beispielsweise im Bereich der Schrottimmobilien voranzukommen. Da müssen Gesetze geändert werden, um die öffentliche Hand zu stärken, um Spekulationen mit solchen Immobilien zu vermeiden und damit auch die kommunale Handlungsfähigkeit zu erweitern.
Nun will ich Ihnen noch drei oder vier Punkte auf Landesebene nennen, an denen deutlich wird, dass Sie das Thema nicht in Gänze angehen. Beispielsweise haben Sie die Mittel für die Sanierung von Brachflächen, von Altlasten zurückgefahren. Wir waren bei 12 Millionen Euro, mittlerweile sind dafür im Haushalt wieder 7 Millionen Euro eingestellt. Sie gehen das Problem nicht an. Wir haben über 80.000 Altlastenverdachtsflächen in diesem Land. Da gäbe es, wenn wir es mit einer konzentrierten Aktion angingen, genug Potenzial, um zusätzliche Flächen zu schaffen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
In der Tat brauchen wir Finanzierungsmodelle – das ist eben schon klar geworden –, um die Akteure vor Ort, insbesondere die Studierendenwerke zu stärken. Da wäre die NRW.BANK zusammen mit einer Absicherung über den Haushalt hilfreich. Tun Sie das!
In der nächsten Haushaltsberatung haben Sie die Chance, genau hier zu agieren. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Dietmar Bell [SPD])