Johannes Remmel: „In Nordrhein-Westfalen gelten 45 % der Tiere und Pflanzen als gefährdet“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag für mehr Insektenschutz

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte jetzt ganz weit ausholen. Mit zwei Stichworten will ich das durchaus tun.

Ernst zu nehmende Stimmen gehen im Zusammenhang mit der Frage, wie eigentlich die Pandemie entstanden ist, davon aus, dass das auch etwas damit zu tun hat, dass weltweit Habitate eingeschränkt, eingehegt worden sind, dass wir einen Verlust von Biodiversität und Artenvielfalt zu beobachten haben und dass Lebewesen, die normalerweise ihre Lebensräume haben, diese verloren haben.

Ich könnte auch darauf hinweisen, dass wir nicht nur beim Klimaschutz längst an den planetarischen Grenzen angelangt sind, sondern insbesondere, wenn es um Habitate, genetische Artenvielfalt und Biodiversität geht, diese planetarischen Grenzen offensichtlich schon überschritten haben. Das ist jedenfalls die Meinung ganz vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Auch hier bei uns in Nordrhein-Westfalen gelten 45 % der Tiere und Pflanzen als gefährdet; teilweise sind sie schon ausgestorben.

Dass das Thema hochaktuell ist, zeigt auch die Volksinitiative Artenvielfalt NRW, die schon deutlich vor der Abgabefrist ausreichend Unterschriften gesammelt hat. Das zeigt, genauso wie die erfolgreiche Volksinitiative in Bayern: Den Menschen ist das Thema „Artenvielfalt und Insektenschutz“ ganz wichtig. Sie wollen, dass jetzt gehandelt wird, dass jetzt dem Artensterben etwas entgegengesetzt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nun ist das mit unserem Antrag heute mit Sicherheit nicht der große Wurf; gar keine Frage. Dafür gibt es ja die Volksinitiative, die etwas breiter ausgreift. Aber wir können ein klein bisschen tun. Deshalb bin ich bei uns selbst.

Ich denke, die große Mehrheit dieses Hauses – so jedenfalls die Ausschussdebatte zu diesem Thema, im Zusammenhang mit der Landesbauordnung zum Beispiel – hat deutlich gemacht, dass wir die Entwicklung, die wir in unseren Dörfern und Stadtteilen hin zu Schottergärten erkennen, sehr kritisch sehen. Ich glaube, es gab auch aus den Regierungsfraktionen keinen Widerspruch gegen die Feststellung, dass das eine Fehlentwicklung ist.

Wenn wir das aber bei den Privatleuten kritisch sehen, dann müssen wir doch auch unsere eigenen Vorgärten – und nichts anderes sind die Straßenränder – mit in den Blick nehmen. Was können wir also selber an der Stelle tun, an der wir verantwortlich sind?

Das ist die Idee, die diesem Antrag zugrunde liegt. Dort, wo wir selber etwas für Artenvielfalt und Insektenschutz tun können – entlang von immerhin 17.000 km Straßenrändern, die wir in Nordrhein-Westfalen haben –, sollten wir dies auch machen.

Ich sage an dieser Stelle deutlich: Für den Insektenschutz – hier gibt es eine Diskussion auf Bundesebene sowie einen Gesetzentwurf innerhalb der Bundesregierung – ist nicht nur alleine die Landwirtschaft zuständig. Vielmehr haben wir alle hier eine Gemeinschaftsaufgabe zu bewältigen. Deshalb müssen auch alle gemeinsam anpacken.

Daher finde ich es wichtig, hier nicht nur eine Gruppe, die Flächen in der Breite bewirtschaftet und in der Tat eine hohe Verantwortung hat, in den Fokus zu nehmen, sondern auch das anzupacken, was wir selber tun können.

Entlang unserer Straßen gibt es tatsächlich ein großes Potenzial: Grünstreifen, Hecken, Gehölze. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Die meisten Rückmeldungen, die ich im Frühjahr bekomme, sind kritisch, wenn an unseren Straßen im großen Stil Gehölze auf Stock gesetzt werden und die Menschen sich fragen, was da eigentlich passiert. Hier könnten wir eine Antwort geben – mit einer umfassenden Initiative. Deshalb unser Programm. Wir sind da nicht alleine. Andere haben es uns vorgemacht.

Ich muss leider ein bisschen den Finger in die Wunde legen. Der Ministerpräsident ist nicht hier. In Bayern – Herr Söder hat das offensichtlich erkannt – gibt es schon ein solches Programm, im Übrigen auch in Baden-Württemberg. Was liegt da näher, als in Nordrhein-Westfalen – der Minister ist da und kann gleich nachziehen – zu sagen: „Wir machen es genauso“?

(Beifall von den GRÜNEN)

Praktisch ist Straßenbegleitgrün, wie man so schön sagt, kein großes Hexenwerk. Straßengrün muss ohnehin gepflegt werden. Warum soll es nicht auch ökologisch passieren? Deshalb unser Sonderprogramm.

Wir wollen an dieser Stelle auch die Kommunen nicht außen vor lassen und auch ihnen einen Anreiz bieten, an den vielen Straßenrändern in den Kommunen das zu tun, was andere schon längst machen. Das ist eine Gemeinschaftsanstrengung für Ökologie, für Artenschutz, für die Insekten. Es wäre schön, wenn wir daraus auch eine Gemeinschaftsanstrengung hier im Landtag machen könnten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)