Johannes Remmel: „Ich muss vermuten, dass es keine Position der Landesregierung gibt“

Antrag der SPD-Fraktion

###NEWS_VIDEO_1###
Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei Ihnen, Herr Kollege Weiß, habe ich das Bemühen festgestellt, das mich auch umtreibt, nämlich eine klare Position der Landesregierung und der regierungstragenden Fraktionen zur zukünftigen Finanzierung der EU zu bekommen. Wir haben sie bis heute nicht. Das ist das große Dilemma. Deshalb ist auch der Versuch, mit Ihrem Antrag etwas mehr Klarheit zu schaffen, irgendwie nicht gelungen. Das müssen wir jedenfalls heute feststellen.
Ich finde aber, dass das Parlament in Nordrhein-Westfalen einen Anspruch darauf hätte, eine Position zu bekommen und kein Versteckspiel hinter irgendwelchen Büschen: Bundesregierung, Zeitläufe. Was ist Ihre Position zu bestimmten Fragen?
Wenn man länger darüber nachdenkt und vielleicht auch in die eine oder andere Pressemitteilung der Landesregierung schaut, wird vielleicht ein Grund dafür erkennbar. Insofern bedauere ich, dass der Finanzminister heute nicht da ist.
Ich frage mich: Wer ist eigentlich – es tut mir leid, Herr Minister, dass ich an dieser Stelle kritisch werden muss – für die Europapolitik zuständig? Man könnte vielleicht meinen, dass Sie sozusagen als graue Eminenz im Hintergrund die Fäden ziehen und andere dann die Arbeit machen lassen. Das war heute Morgen schon der Fall. Sie sind ja eigentlich zuständig für die Organisation der Ruhrkonferenz. Aber da durften Sie auch nicht reden oder sollten nicht reden oder mussten nicht reden oder brauchten nicht zu reden; ich weiß es nicht.
Vor zwei Tagen hat der Finanzminister eine Veranstaltung in Brüssel durchgeführt unter dem Motto „CDU diskutiert mit CDU“; dort war keine andere politische Farbe eingeladen. Der in den Medien bekannte Herr Selmayr sollte etwas zur Finanzierung der europäischen Haushalte sagen, die Abgeordnete Lange, auch CDU, und der Finanzminister aus Nordrhein-Westfalen sollten etwas sagen.
Aber warum nimmt er dann heute an der Debatte nicht teil, frage ich mich. Wenn er in Brüssel einen großen Aufschlag macht, hätte ich es gut gefunden, er hätte heute auch mit dem Parlament diskutiert und hier dargelegt, was die Position der Landesregierung ist.
Aber ich muss vermuten, dass es keine Position der Landesregierung gibt. Es gibt keine Position beispielsweise zu der Frage, ob eine Finanzierung mit eigenen Mitteln erfolgen soll. Es gibt keine Position dazu, ob die Bundesrepublik nach dem Brexit mehr Geld nach Brüssel geben soll oder nicht.
Und es gibt – das habe ich Ihnen von der Regierungsseite schon mehrfach vorgehalten – auch keine Position Ihrer Fraktion zu dem wichtigen Teil des EU-Haushalts, nämlich der Agrarfinanzierung. Sie tragen an allen Stellen das Hohelied der Agrarpolitik vor sich her. Aber was ist mit der Sicherstellung der Finanzierung? Immerhin mehr als 30 % des EU-Haushalts das ist der Kern des EU-Haushalts – gehen in die Agrarfinanzierung, letztlich in die Finanzierung unserer ländlichen Räume. Wenn es weniger Geld gibt, dann bedeutet das auch weniger Geld für die Agrarfinanzierung. – Keine Position zu Prioritäten an dieser Stelle.
Wenn wir etwas näher über Nordrhein-Westfalen nachdenken, dann liegt es schon auf der Hand, hier eine Forderung aufzustellen, die sich mit dem Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Wir erleben nicht nur gerade einen Strukturwandel und versuchen, ihn zu bewältigen, sondern wir haben auch einen Strukturwandel vor uns.
Nun mag man über zeitliche Dimensionen streiten, ob das zehn Jahre früher oder später der Fall sein wird. Aber dass ein Strukturwandel kommt, insbesondere im Rheinischen Revier und insbesondere im Bereich der Energieversorgung und der Klimapolitik, ist nicht von der Hand zu weisen. Insofern macht es Sinn, hier klare Prioritäten zu setzen und auch Forderungen aus Nordrhein-Westfalen zu entwickeln.
Aber leider – das tut mir leid – fehlt uns hier der Diskussionspartner. Wir vermissen aufseiten der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen die Bereitschaft, hier klare Positionen nach vorne zu entwickeln, leider zum Schaden der Menschen in Nordrhein-Westfalen.
Zum SPD-Antrag als solchem: Die grundsätzliche Forderung, dass das Geld nicht weniger werden soll, können wir natürlich unterstützen, gar keine Frage. Aber auch hier gibt es die eine oder andere Leerstelle, wenn es darum geht, wo die Finanzierung zukünftig gesichert werden soll, wenn es darum geht, die Abgrenzung Richtung Agrarpolitik vorzunehmen, und wenn es darum geht, die Herausforderungen der Zukunft – die Digitalisierung sowie die Energiepolitik und die Klimapolitik habe ich schon genannt – für Nordrhein-Westfalen stärker zu beschreiben. Deshalb werden wir uns an dieser Stelle der Stimme enthalten. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Europa