Johannes Remmel: „Ich begrüße es außerordentlich, dass Sie sich nochmals zum Pariser Abkommen bekennen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Europäischen Grünen Deal

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist, aber als ich auf der heutigen Tagesordnung gesehen habe, dass unter diesem Tagesordnungspunkt gleich vier Punkte zusammengefasst debattiert werden sollen, habe ich mich gefragt: Was zum Teufel hat Sie vonseiten der Koalitionsfraktionen denn da geritten?
(Andreas Keith [AfD]: Das habe ich mich auch gefragt!)
Ich will es nicht ins Lächerliche ziehen, aber spontan kommt mir das Bild von dem dänischen Koch in der Sesamstraße in den Sinn, der sein Publikum mit dem Satz begrüßt: „Smørrebrød, Smørrebrød røm, pøm, pøm, pøm“.
Alles, was auf der europapolitischen Agenda steht, wird hier einmal in die Luft geworfen, um daraus eine Melange zu machen. Herr Kollege Krauß, Herr Kollege Nückel, ich schätze Sie sehr, aber in Ihren Reden spiegelt sich wider, dass Sie nicht genau wissen, was Sie mit Ihren Anträgen wollen. Jedes dieser Themen, die Sie genannt haben, verdiente eigentlich eine eigene ausgiebige Debatte.
Selbstverständlich müssen wir darüber reden – die Enquetekommission tut das schließlich auch –, wie wir unsere Beziehung zu Großbritannien auch nach einem Brexit strukturieren und intensivieren können. Selbstverständlich müssen wir jetzt darüber reden, welche Anforderungen wir an die EU-Ratspräsidentschaft haben. Selbstverständlich macht es Sinn, ausführlich über den mittelfristigen Finanzrahmen zu sprechen. Das ist eine eigene Diskussion. Und natürlich muss es auch um die Frage gehen – und das wäre jedenfalls für mich das Wichtigste –: In welcher Weise gestaltet Nordrhein-Westfalen mittel- und langfristig den European Green Deal, das größte europäische Zukunftsprojekt mit hohen Ambitionen, mit?
Ich sage gleich noch etwas zu den Einzelheiten, kündige aber schon jetzt an, dass es Sinn macht, alle diese Themen, bis auf die EU-Ratspräsidentschaft – das macht wenig Sinn, da man die Anforderungen längst hätte formulieren müssen, was wir inzwischen getan haben –, auch noch im Ausschuss zu diskutieren, auch wenn heute darüber abgestimmt wird. Ich kündige außerdem an, dass wir entsprechende Berichte der Landesregierung erbitten, um die Position der Landesregierung dazu auch in der Breite kennenzulernen.
Die Frage des mittelfristigen Finanzrahmens ist mit Blick auf 2021 in der Tat am interessantesten: Wie wird es in vielen Bereichen weitergehen? Mich würde interessieren, wie die in der Landesregierung Verantwortlichen diese Lage einschätzen. In dieser Hinsicht ist vieles unklar. Wir haben noch nicht einmal das Geld und die Zusagen darüber, wie der Aufbaufonds gestaltet werden soll. Die Frage des Brexits ist ebenfalls nicht geklärt, und die einzelnen Programmierungen haben zudem durch unter Corona gelitten. Ich hoffe, dass die Bestrebungen dahin gehen, Übergangsfristen zu formulieren und Übergangszeiten zu definieren.
Nun aber zu dem aus meiner Sicht wichtigsten Anliegen, nämlich der Frage, welche Rolle Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit dem Green Deal spielen soll. Da muss ich zumindest bei Ihrem Antrag inhaltliche Widersprüche feststellen.
Ich begrüße es außerordentlich, dass Sie sich nochmals zum Pariser Abkommen bekennen. Sie gehen noch darüber hinaus und sagen sogar, Klimaneutralität sei ein Ziel, das Sie hier auch vertreten wollen.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Das habe ich von Ihnen bisher so noch nicht gehört. Es ist neu, dass FDP und CDU das so vertreten. Das unterstreiche ich ausdrücklich; gar keine Frage.
An anderer Stelle formulieren Sie dann aber, der Klimaschutz dürfe nicht so weit gehen, dass er in irgendeiner Weise die Wirtschaft beeinträchtige. Das müssen Sie schon klären.
Das ist eine rein mathematische Ableitung: Wir haben noch ein gewisses Budget; das ist aber begrenzt. Danach können wir nicht mehr emittieren, weil wir ansonsten die internationalen Verträge nicht einhalten.
Im Übrigen hat die EU auch einige Subtexte formuliert, zu denen Sie bisher noch gar keine Stellung genommen haben und die Nordrhein-Westfalen extrem betreffen.
Die Frage der Kreislaufwirtschaft gehört dazu. Das ist keine rein auf den Abfall bezogene Kreislaufwirtschaft, wie wir sie verstehen, sondern Circular Economy. Das heißt, alle Wirtschaftsbereiche sollen im Kreislauf geführt werden.
Man muss sich mal vorstellen, was das für Nordrhein-Westfalen heißt, die Chemieindustrie, was die Rohstoffe angeht, im Kreislauf zu führen. Input, Output – alles wird im Kreislauf geführt.
Wie soll das gehen? Haben Sie eine Antwort darauf? – Das ist für uns existenziell, weil die Chemieindustrie bei uns mit der größte Industriebereich ist. Sich darüber zu unterhalten, macht in der Tat Sinn.
Wie orientiert sich unsere Industrie im internationalen Handel – Stichwort: Kompatibilität der Emissionshandelssysteme?
Dann geht es um Farm to Fork, ein Unterkonzept im Bereich der Landwirtschaft. Dazu ist eine ausführliche Diskussion notwendig: Was bedeutet es für unsere Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen, und wie müssen wir uns möglicherweise in dieser Konzeptionierung orientieren? – Zu all dem gibt es bei Ihnen nichts.
Wir haben zumindest Annäherungen versucht. Wir haben auch keine Patentlösungen, aber das ist eine völlige Umgestaltung unseres kompletten Wirtschaftssystems innerhalb von 20 bis 25 Jahren. Das kann man nicht mit ganz schnellen Abstimmungen behandeln; darüber muss man ausführlicher diskutieren. Ich würde mir wünschen, dass wir dazu kommen.
Noch eine ganz banale Frage am Ende: Das eine ist, das Geld für den Aufbaufonds zu bekommen. Das andere ist die Frage, wie das Geld verteilt werden soll. Haben Sie darauf eine Antwort, Herr Pinkwart, Herr Minister Holthoff-Pförtner?
Wird der Aufbaufonds der europäischen Mittel ein Add-on sein? Wird also zusätzlich zu den bereits im Haushalt vorhandenen Mitteln etwas kommen, oder wird die Bundesregierung das unter der Überschrift „Wir geben ja sonst so viel für den Wiederaufbau nach Corona, also behalten wir das Geld ein“ einkassieren?
Das ist eine wichtige Frage bei der Gestaltung der Programme und der Mittel, die kofinanziert werden müssen. All das ist offen. In der Tat bin ich sehr gespannt, was die Landesregierung formuliert. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Als nächster Redner hat Herr Kollege Remmel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Johannes Remmel (GRÜNE): Dass wir mehr Diskussionsbedarf haben, haben Sie ja nun schon festgestellt. Ich frage mich, warum Ihre Anträge dann nicht an die Ausschüsse überwiesen werden, damit wir mehr diskutieren können. Ich habe schon angekündigt, dass wir das Thema auch im Ausschuss behandeln wollen.
Vielleicht kann es der Minister auch hier schon klären. Es wäre schön, wenn Sie mal ein Mengengerüst für Nordrhein-Westfalen darstellen könnten, was Klimaneutralität der EU bezogen auf Nordrhein-Westfalen im Jahr 2030, im Jahr 2050 heißt. Wie kommen wir dahin, vor allem mit eigener Produktion? Es wäre schön, wenn die Landesregierung endlich mal ein Mengengerüst nennen würde.
Dann wollen Sie zusätzlich auch noch Wasserstoff. Es wäre schön, zu wissen, wo der herkommen soll.
Ich kündige Sie ja nur an. Sie erklären uns gleich, wie das gehen soll. Darauf bin ich gespannt. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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