Johannes Remmel: „Es sind vor allem diese Vielfalt und die Qualität künstlerischen Schaffens, die es zu fördern und zu unterstützen gilt“

Antrag der SPD-Fraktion zur kulturellen Zusammenarbeit in Europa

 Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gerade wieder ein beredtes Schauspiel mitbekommen, wie europäische Politik zerredet werden kann: zum einen ein meines Erachtens guter Antrag, in dem nichts Falsches steht, dem man zustimmen kann – das werden wir als Fraktion auch tun –, zum anderen die Regierungsparteien, die auf ihr konkretes Handeln verweisen, in der eigentlichen Frage aber, was der Kern europäischer Kulturpolitik ist, keinen wirklich wegweisenden Vorschlag machen, wie wir zu mehr Gemeinsamkeit und zu mehr Initiativen kommen.
Ich darf das Votum des Bundesrates vom 21. September zitieren:
Kultureller Reichtum und kulturelle Vielfalt definieren Europa. Interkultureller Austausch und Dialog zwischen den Gesellschaften sind sowohl alltägliche Selbstverständlichkeit als auch weiter förderwürdige Ziele. Gerade in Zeiten neu aufkommender Nationalismen müssen Europas Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützt werden, kulturelle Unterschiede als etwas Bereicherndes und nicht als etwas Trennendes wahrzunehmen sowie die Vielfalt der Kulturen in Europa schätzen zu lernen. Es sind vor allem diese Vielfalt und die Qualität künstlerischen Schaffens, die es zu fördern und zu unterstützen gilt.
Das ist eine Stellungnahme, die wir nur unterschreiben können. Wenn wir uns auf diese Gemeinsamkeit verständigen könnten, wäre viel gewonnen.
In der Tat geht es bei europäischer Kulturpflege nicht darum, nur über Förderung zu sprechen, nicht darum, beispielsweise Urheberrechte zu schützen – was sinnvollerweise passiert –, nicht nur darum, ökonomische Fragen der Kultur- und Medienpolitik zu klären oder sich über das Arbeitsrecht zu unterhalten. Nein, ich finde, europäische Kulturpolitik ist sehr viel mehr und für mich ein Schlüssel, zu einer vertieften europäischen Verständigung zu kommen.
Wir in Europa haben miteinander ein zentrales Problem: Wir haben keine gemeinsame Sprache, aber sehr wohl gemeinsame kulturelle Wurzeln. Wir haben keine Leitkultur – wollen wir auch gar nicht –, aber wir haben vielfältigen kulturellen Reichtum in unserem Europa.
Es wäre aller Mühen wert, sich im Dialog darüber zu unterhalten, wie wir das Miteinander verbinden und am besten gestalten, und zu überlegen, was wir pflegen wollen – das ist der eigentliche Kern von Kultur: Pflege – und was wir nicht pflegen wollen.
Wir müssen in den Blick nehmen, dass wir in Europa keine Kommunikationsplattform haben, auf der wir miteinander in Kommunikation über Kultur und über das treten können, was wir pflegen wollen. Was weiß ich von Menschen, die im Südosten von Rumänien kulturell unterwegs sind, oder von deren kulturellen Wurzeln? Manchmal weiß ich auch nicht, was in Spanien passiert, weil wir eben keine gemeinsame Sprache haben.
Da bin ich bei einer Frage, die für mich jedenfalls von entscheidender Bedeutung für europäische Kulturpolitik und für den kulturellen Austausch in Europa ist: Wie schaffen wir eine Plattform, um über kulturellen Austausch und Austausch überhaupt zu reden?
Ich bin darauf durch ein Ereignis der jüngeren Vergangenheit gestoßen. In der Schweiz hat es eine Volksabstimmung über die Frage gegeben, ob es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben soll. Das entscheidende Argument, das die Schweizer Bevölkerung offensichtlich überzeugt hat, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Schweiz zu stimmen, war: Wenn es diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Plattform der Kommunikation in der Schweiz nicht geben würde, dann würde es wahrscheinlich die Schweiz nicht geben. Denn in der Schweiz leben Menschen zusammen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, und können sich austauschen.
Deshalb ist für mich entscheidend, als Schlüssel für die europäische Kulturpolitik eine öffentlich-rechtliche Plattform des Austausches zu haben, um über das zu sprechen, was wir pflegen wollen. Das ist der Kern von Kulturpolitik.
Es würde mich freuen, wenn wir in dieser Frage weiterhin gut miteinander unterwegs wären.
–  Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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