Johannes Remmel: „Es ist ein Verfassungsauftrag zum konkreten politischen Handeln“

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN zum Europabezug in der Landesverfassung

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es kommt selten vor – jedenfalls kam es in meinem bisherigen parlamentarischen Leben selten vor –, dass eine Debatte oder eine Rede einem das Herz förmlich zum Überlaufen bringt.
Ich will das hier auch zum Ausdruck bringen und aus meinem Herzen keine Mördergrube machen: Ich freue mich heute wirklich sehr. Ich freue mich, dass es 70 Jahre nach der Beschlussfassung über unsere Verfassung heute einen Auftrag dazu gibt, den Europabezug aufzunehmen und der „Ode an die Freude“ einen Platz in unserer Verfassung zu geben.
Das ist gelebte Verfassungswirklichkeit, die jetzt sozusagen in Schriftform in die Verfassung aufgenommen wird. Nordrhein-Westfalen ist aus meiner Sicht, ohne zu übertreiben, das europäischste Bundesland. Ohne in Konkurrenz mit anderen treten zu wollen: Wir leben Europa hier in unserem Land.
Deshalb gab es auch kein politisches Zerren mit anderen Fraktionen – SPD, CDU und FDP – darum, diese Verfassungswirklichkeit jetzt auch in Worte zu fassen und so in die Verfassung aufzunehmen. Dafür herzlichen Dank.
Ich freue und bedanke mich aber auch, dass die Initiative, die wir im Parlament aufgegriffen haben, aus der Zivilgesellschaft von Bürgerinnen und Bürgern kam, die sich für Europa einsetzen. Herzlichen Dank.
Gleichzeitig ist das natürlich Auftrag an uns alle – auch an die Bürgerinnen Bürger –, genau daran weiterzuarbeiten. Das ist auch der Grund, warum wir es in die Verfassung aufnehmen: Es ist ein Verfassungsauftrag zum konkreten politischen Handeln.
Die Geschichte macht mehr als deutlich, dass es gut und richtig ist, hier nachzuvollziehen, was die Gründungsväter und -mütter in die Präambel des Grundgesetzes geschrieben haben: „in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“.
Das Ergebnis, dass wir in Frieden und Freiheit in Europa in einem vereinten Deutschland leben können, ist der Ausgangspunkt gewesen. Es geht eben nicht nur darum, sich alleine zurückzunehmen und zu sagen, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen solle, sondern auch darum, es mit dem politischen Auftrag zu verbinden, dies in einem vereinten Europa möglich zu machen. Genau das ist Wirklichkeit geworden.
Allerdings ist es vielleicht notwendig, weil genau das, was gerade in schwierigen Zeiten gelebt wird, etwa dass Nordrhein-Westfalen die Grenzen zu seinen Nachbarn nicht geschlossen hat, vielfach infrage gestellt wird.
Auf populistische Weise wird versucht, Gift in Debatten zu mischen, um Menschen auseinanderzubringen, die zusammengewachsen sind. Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind nicht geringer als in der Vergangenheit. Gerade in dieser Ecke – Sie werden es gleich vortragen –
(Sven Werner Tritschler [AfD]: Worauf Sie sich verlassen können!)
ist das Rezept eng darauf begrenzt, nationale Lösungen zu finden.
Aber keine der Herausforderungen, vor denen wir stehen – sei es der Klimaschutz, sei es die digitale Transformation, sei es die Frage, wie wir mit Migration umgehen, sei es die Frage, wie wir mit zukünftigen und aktuellen Krisen bzw. Pandemien umgehen –, werden national gelöst werden können.
Deshalb liegt es auch in unserem puren Eigeninteresse, europäisch zu denken und für Europa zu arbeiten.
(Sven Werner Tritschler [AfD]: Jo!)
Die Verfassung nimmt die Wirklichkeit auf und will zukünftige Wirklichkeiten und Herausforderungen bewältigen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

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