Johannes Remmel: „Eine CO2-Bepreisung ist nur dann zu vermitteln, wenn sie sozial gerecht ist, also aufkommensneutral“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Europäischen Klimapolitik

Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Tagesordnung im Landtag ist gut gestrickt. Von der Kinderbildungspolitik zur Zukunft der europäischen Klimaschutzpolitik ist der Weg, so glaube ich, nicht sehr weit. Ich versuche deshalb – es gibt viele Argumente –, in einer Art Speed Policy sechs Argumente möglichst in fünf Minuten vorzutragen.
Die Argumente der Grünen stehen bei den Koalitionsfraktionen vielleicht nicht ganz oben im Ranking. Mit den Forderungen von „Fridays For Future“ will ich Ihnen jetzt nicht kommen. Ich will Ihnen auch nicht damit kommen, dass eine CO2-Bepreisung in vielen anderen europäischen Ländern – in Schweden, in Finnland, in Großbritannien, in Island, in der Schweiz – schon eingeführt ist.
Ebenso wenig will Ihnen kommen mit Politikerinnen und Politikern, die Ihnen nahestehen, beispielsweise die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein oder vom Saarland. Auch Herr Schäuble fordert eine solche Bepreisung. Ich will Ihnen auch nicht kommen mit verschiedenen Wirtschaftsverbänden, die auf Bundes- und Landesebene eine CO2-Bepreisung fordern. Ich will Ihnen auch nicht kommen mit Zitaten aus der Wissenschaft. Naheliegend wäre, hier Professor Schmidt vom RWI Leibniz-Institut in Essen zu zitieren oder Herrn Ottmar Edenhofer.
Ich will Ihnen aber kommen mit Ihren eigenen Argumenten bzw. den Argumenten Ihrer Landesregierung. Dafür lassen Sie mich bitte aus den Ausführungen der Landesregierung zitieren:
„Für eine Neujustierung der Energiewende benötigen wir ein ganzes Maßnahmenbündel, das die derzeit losen Enden der Energiewende sinnvoll zusammenführt.“
Das soll mit einer neuen Energieversorgungsstrategie geschehen. Hier ist unter anderem erwähnt:
„… stärkere Anreize für eine Sektorenkoppelung und Belebung der Sektoren, die nicht dem EU-weiten Emissionshandel unterliegen, mit einem CO2-Preis, der Teile der bisherigen Abgaben und Steuern ablöst.“
So Minister Pinkwart am 10. Oktober letzten Jahres hier im Landtag.
Ein weiteres Beispiel findet sich im „Kölner Stadt-Anzeiger“: Umweltministerin Ursula Heinen-Esser begrüßt die Überlegungen zur Einführung einer Klimaschutzabgabe. Es ist erfreulich, dass die Debatte um ein Steuer- und Steuerungssystem für einen effektiven Klimaschutz jetzt an Fahrt aufgenommen hat. Eine CO2-Steuer oder ein CO2-Preis könne ein wirksames und wirkungsvolles Instrument sein. – So im „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Ich könnte meine Argumentation daher abkürzen und mache Ihnen das Angebot, sozusagen einen Koalitions-Joker zu ziehen. Lassen Sie uns hier und heute auf dieser Basis eine gemeinsame Entschließung finden. Dann hätten wir eine kurze Debatte, und das wäre ein klares Signal des Landtages.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich sehe eher Skepsis in Ihren Augen. Deshalb muss ich wohl doch weiter argumentieren. (Zurufe von der CDU und der FDP)
Mein zweites Argument ist ein grundsätzliches. Es ist ein uraltes Argument, eine uralte Forderung, nämlich dass die Preise, die am Markt ausgewiesen werden, der ökologischen Wahrheit entsprechen, und das gilt nicht nur für die Energie oder die Energieerzeugung, sondern das gilt auch für Material, und das gilt auch für den Konsum. Am Ende muss stehen: Klimaschutz ist billiger. – Dazu braucht es ein wirkungsvolles Instrument.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte Ihnen noch ein drittes Argument nennen: Wer A sagt, muss auch B sagen. Es reicht nicht aus, in Sonntagsreden oder im Koalitionsvertrag den Pariser Vertrag zu loben und zu sagen: „Das ist die Grundlage unserer Politik“, sondern man muss auch von montags bis freitags erklären, wie das Ganze umgesetzt werden soll.
Der Pariser Vertrag ist eine internationale Vereinbarung, mit der nationale Gaben oder entsprechende Leistungen beschlossen worden sind. Am Ende ist es Mathematik. Mathematik muss beschreiben, wie Menge und Zeit zusammengehen. Die Zeit ist begrenzt, und daher gibt es nicht so viele Instrumente, die so marktwirtschaftlich orientiert sind wie eine CO2-Bepreisung. Klar ist auch: Eine CO2-Bepreisung ist nicht alles, aber wenn man sich die Vorgaben vor Augen hält, dann wird klar: Ohne eine CO2-Bepreisung ist alles nichts.
Nun mag man einwenden – das wird sicherlich auch Teil der weiteren Debatte sein –: Schön und gut, aber ist eine solche Abgabe oder Bepreisung auch sozial ausgewogen? Würden nicht am Ende einkommensschwache Haushalte sowie Menschen im ländlichen Raum die Zeche zahlen?
Unsere Antwort ist klar: Eine CO2-Bepreisung ist nur dann zu vermitteln, wenn sie sozial gerecht ist, also aufkommensneutral. Dazu gibt es viele Beispiele. Wir schlagen die Einführung eines Energiegeldes vor. Hier gilt als Vorbild die Schweiz. Professor Ottmar Edenhofer hat das für Deutschland durchgerechnet. Das Ergebnis ist eindeutig: Am Ende ist eine CO2-Bepreisung sozialer,
(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])
denn wer bei CO2 spart, verdient mit dem Energiegeld beim Klimaschutz. Das muss unser aller Anliegen sein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ein weiterer Einwand wird sein: Macht eine CO2-Abgabe nicht nur dann Sinn, wenn sie europaweit erhoben wird?
(Helmut Seifen [AfD]: Die armen Leute!)
Ja, klar ist, optimal wäre eine solche Einführung. Paris ist ein deutliches Signal, ein großer Erfolg. Aber die EU darf sich auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen. Es müssen weitere Schritte folgen. Es steht auf dem Spiel – auch bei der Wahl am kommenden Sonntag –, dass wir weitere Schritte auf dem Weg zu einer Klimaunion gehen.
(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Prinzip „Alle oder keiner“ ist längst Geschichte
(Helmut Seifen [AfD]: Ach!)
und überholt uns bereits. Finnland hat eine solche Abgabe eingeführt, Schweden, Slowenien und Großbritannien arbeiten seit Längerem damit. Die Frage ist also nicht mehr: „Gehen wir voran?“, sondern die Frage ist: Sind wir dabei? Sind wir auf dem Spielfeld, und spielen wir mit? – Denn wenn wir auf dem Spielfeld sind, können wir auch bei den Bedingungen, wie eine Ausgestaltung erfolgen soll, mitbestimmen. Deshalb müssen wir europäisch auf das Spielfeld aufspringen.
Sechstes und letztes Argument: Warum hat NRW, warum haben wir ein besonderes Interesse an einer CO2-Bepreisung? – Ja, am Ende stehen industrielle Lösungen, die in die Massenanwendung kommen müssen. Aber hier ist Nordrhein-Westfalen und die nordrhein-westfälische Industrie, die an Klimaschutz und Nachhaltigkeit orientiert ist, Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Deshalb brauchen wir auch aus nordrhein-westfälischer Sicht dringend eine solche CO2-Bepreisung,
(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])
um den Markt innovativer zu gestalten. – Vielen Dank. (Beifall von den GRÜNEN)