Johannes Remmel: „Ein gemeinsames systemisches Verständnis gibt es derzeit nicht“

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN im Landtag zum "Aachener Vertrag"

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr, am 22. Januar 2019, waren im Krönungssaal des Aachener Rathauses große Worte zu hören: Freundschaft, mehr Gemeinsamkeit, mehr Zusammenarbeit, mehr Integration, um die Einheit, die Leistungsfähigkeit und den Zusammenhalt Europas zu fördern. Ja, sogar von Konvergenz der Volkswirtschaften und der Sozialmodelle war die Rede.
Von den Kolleginnen und Kollegen ist klar und deutlich zum Ausdruck gebracht worden – ich kann mich dem nur anschließen –: Die enge Partnerschaft mit Frankreich ist und bleibt die Grundlage deutscher Außenpolitik. – Das wurde in Aachen bekräftigt und mit neuen Perspektiven versehen.
Deshalb ist es gut und richtig, dass wir hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen nach einem Jahr an diesen Vertrag erinnern und ihn zum Gegenstand eines gemeinsamen Beschlusses des Landtags machen. Es ist ein deutliches, ein großes Zeichen, dass ein Landesparlament nach einem Jahr einen solchen Beschluss fasst.
Aber – ich zitiere die „Aachener Nachrichten“ von heute–:
„‘Ja, da war doch was …‘ Wer heute über den Aachener Vertrag spricht, schaut eher in fragende als in strahlende Gesichter. Sie müssten strahlen, damit es der Europäischen Union besser geht, damit die internationale Politik vorankommt bei den großen Herausforderungen: Schutz der Demokratie und Menschenrechte, Erhalt von Frieden und Multilateralismus, Klima- und Flüchtlingspolitik. Alle das erfordert enge vertrauensvolle Kooperation zwischen Paris und Berlin. Doch hat sich die deutsch-französische Freundschaft selbst“
– so folgern die „Aachener Nachrichten“ –
„zum Problemfall entwickelt. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht nur auf einer Seite zu suchen. Allerdings liegt ein grundsätzliches Defizit deutscher Politik darin, den deutsch- französischen Zusammenhalt nicht als Wert an sich – unabhängig von unterschiedlichen oder gar gegensätzlichen Zielen – zu würdigen und zu festigen.“
Ein hartes Urteil der „Aachener Nachrichten“, aber wir sollten uns damit beschäftigen.
In der Tat muss man konstatieren, dass es bis heute keine umfassende Antwort von deutscher Seite auf die Vorschläge des französischen Präsidenten zur Stärkung der Zusammenarbeit in Europa gibt. Präsident Macron hat einen Finanzminister, einen gemeinsamen Haushalt, mehr Solidarität, mehr Klimaschutz, eine vertiefte Währungsunion vorgeschlagen. Er hat eine Bankenunion, eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik, Steuer- und Finanztransaktionsanstrengungen, eine länderübergreifende Sozialversicherung usw. vorgeschlagen. Auf diese Vorschläge ist bis heute von deutscher Seite nicht oder wenn, dann nur unzureichend reagiert worden.
Ich will an einem Beispiel deutlich machen, wie wichtig es auch im Interesse des Landes ist, das, was im Aachener Vertrag steht, mit Leben zu füllen. Der Aachener Vertrag formuliert zu Recht, dass wir die Energiewende und den Klimaschutz voranbringen müssen, insbesondere
in den Bereichen Infrastruktur, erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Gerade hier braucht es eine Abstimmung der Systeme. Wer will denn behaupten, dass das, was zurzeit in beiden Ländern national passiert, kompatibel ist? Wir merken das insbesondere in der Auseinandersetzung mit Belgien, wenn es um die Frage der zukünftigen Atompolitik geht.
Ein gemeinsames systemisches Verständnis von Energiepolitik, Förderung der erneuerbaren Energien, Marktgestaltung, Systemgestaltung gibt es derzeit nicht. Das ist ein großes Problem gemeinsamer Anstrengungen in Sachen „Klimaschutzpolitik“.
(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])
Deshalb können der Aachener Vertrag und auch der heutige Beschluss nur die Aufforderung aus Nordrhein-Westfalen sein, gerade im wohlverstandenen Eigeninteresse des Landes, hier zu neuer Initiative und zu einer neuen Belebung dessen, was gut und richtig verabredet worden ist, zu kommen.
Die „Aachener Nachrichten“ haben ihren Artikel überschrieben mit:
„Papier ist geduldig. Europa kann es nicht sein.“
Ich füge an: Die deutsch-französische Freundschaft darf es nicht sein. – Danke schön. (Beifall von der FDP)

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