Johannes Remmel: „Die Zeit läuft uns davon“

Antrag der GRÜNEN zur Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen durch Automobilhersteller

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Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen heute hoffentlich keine Grundsatzdebatte
(Lachen von der CDU)
über Verbrennungsmotoren ja oder nein, über die Dieseltechnologie ja oder nein, über die klimafreundliche Gestaltung des Individualverkehrs
(Marcus Pretzell [AfD]: Was soll das denn dann?)
oder über neue technische Entwicklungen.
(Marcus Pretzell [AfD]: Dann können wir ja jetzt aufhören!)
Nein, das sind Zukunftsdiskussionen, die hier heute möglichst nicht stattfinden sollten.
Es geht um das Hier und Jetzt. Herr Minister Wüst, wir sollten auch keine Spiegelfechtereien betreiben: den Spiegel des Fahrverbots aufstellen und dann einen netten Florettschritt machen, um dagegen anzukämpfen. Nein, niemand – ich vermute, auch die AfD-Fraktion in diesem Landtag nicht – möchte Fahrverbote. Nein, das möchte Nordrhein-Westfalen im Interesse der Autofahrerinnen und Autofahrer, der Verbraucherinnen und Verbraucher eben nicht.
Herr Wüst, ich glaube, es geht auch nicht um die Maßnahmen – die müssen wir sowieso ergreifen –, um die Luft in unseren Städten zu verbessern, nämlich die Taxiflotten so umzustellen, dass sie möglichst emissionsarm fahren, neue Busse in unseren Städten fahren zu lassen, Lieferverkehre so ähnlich zu gestalten, wie es die Post tut, den Fahrradverkehr so zu fördern wie in Kopenhagen oder eine verstärkte Förderung des öffentlichen Verkehrs anzustreben.
Das müssen wir zwar alles machen, aber darum geht es heute nicht. Es geht schlicht und einfach um die Kernfrage: Wer im Hier und Jetzt nicht schnell gegenüber der Automobilindustrie eine wirksame technische Nachrüstung durchsetzt, wird am Ende Fahrverbote verantworten müssen. Das ist die Gretchenfrage. Das ist die Kernfrage, um die es hier und heute geht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dabei gibt es Begrenzungen und klare Ableitungen. Zum einen sind das technische Ableitungen. Das ist jetzt rauf und runter untersucht und diskutiert worden: Nur eine wirksame technische Nachrüstung kann gewährleisten, dass Fahrzeuge der Euro-5 und der Euro-6.Norm die Vorgaben einhalten, die einzuhalten für die saubere Luft in unseren Städten notwendig ist.
Es ist auch mathematisch ableitbar, denn mit Prognosemodellen kann man berechnen, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Anforderungen der Europäischen Kommission, aber auch die gerichtlichen Anforderungen zu erfüllen.
Es ist rechtlich notwendig und ableitbar, weil wir Verwaltungsgerichtsentscheidungen haben, weil wir ein EU-Vertragsverletzungsverfahren haben und weil im Mittelpunkt dieser Entscheidungen ein Grundrecht unserer Verfassung steht: die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit der Menschen. Deshalb muss hier und heute gehandelt werden, und deshalb können wir nicht auf irgendwelche Zukunftsoptionen setzen.
Der Abgasskandal tut ein Übriges. Bei den Menschen entsteht zurzeit der Eindruck, dass man die Großen, die dafür verantwortlich sind – das ist nicht nur VW –, laufen lässt, und die Kleinen sollen dafür büßen, indem sie ihre unter Vertrauensschutz erworbenen Fahrzeuge nicht mehr benutzen sollen.
Deshalb ist es gut und richtig – ich begrüße das außerordentlich –, dass die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen eine entsprechende Resolution verfasst haben. Aber da bleiben Fragen offen. In dem gemeinsamen Positionspapier heißt es, dass man eine „rasche Verbesserung der Flottenwerte bei Diesel-Fahrzeugen durch kostenfreie Nachrüstungen für Kunden von Diesel-Pkw durch Kostenübernahme“ – das ist wichtig – „durch die Automobilindustrie und durch Anreize für den Kauf von Euro-6d-Temp- und EURO-6d-Diesel-Pkw“ fordert.
Das ist gut, aber es bleiben, wie gesagt, entscheidende Fragen offen: Welche Nachrüstung genau soll eingefordert werden – eine, die die Automobilindustrie möchte, oder eine, die für die Luft und für die Gesundheit der Menschen gut ist? Beide Maßnahmen unterscheiden sich erheblich durch die Kosten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Nach Berechnungen von ADAC und anderen, auch von Umweltverbänden, kostet die einfache Billiglösung ungefähr 1,5 bis 2 Milliarden €, und die Kosten für die notwendige technische Nachrüstung werden im zweistelligen Milliardenbereich liegen.
Da geht es dann um die Frage der politischen Durchsetzbarkeit: Wird Nordrhein-Westfalen auf Bundesebene eine Initiative starten, um die Bundesregierung – und gegebenenfalls auch den Bundestag – dazu zu zwingen, diese Nachrüstung gesetzlich einzufordern? Das ist notwendig, denn die Zeit drängt. Es bedarf dann nämlich auch noch einer Typenzulassung beim Kraftfahrzeugbundesamt – das bedeutet eine zeitliche Dimension –, um das am Ende des Tages so wirksam werden zu lassen, dass die anstehenden Gerichtsentscheidungen, beispielsweise die des Bundesverwaltungsgerichts, nicht zu anderen Maßnahmen zwingen.
Die Zeit läuft uns also davon, und deshalb ist es notwendig, dass die Landesregierung bzw. der Landtag hier eine entsprechende Initiative startet und die Notwendigkeit einer Nachrüstung präzisiert und dass im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher auch von Nordrhein-Westfalen aus politischer Druck auf die Bundesregierung, die Automobilindustrie und den Bundestag ausgeübt wird. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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