Johannes Remmel: „Die europäische Handelspolitik braucht einen Neustart“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu fairem Handel

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich auf das Verfahren beziehen, das hier vorgeschlagen wurde. Die Koalitionsfraktionen schlagen direkte Abstimmung vor. Wenn Sie mit einem solchen Gestus, mit dem Sie in Ihren Reden hier auftreten, eine grundsätzliche Positionsbestimmung des Landtags zu künftigen Handelsabkommen und zu fairem und freiem Handel erzielen wollen, hätte ich erwartet, dass Sie auch Raum für eine ordentliche Fachberatung geben.
Das Thema ist es in der Tat wert, dass wir uns länger und ausführlich damit beschäftigen. Die Zeit ist reif, und die Herausforderungen sind groß, uns in einer Welt neu zu positionieren, bei der Sie richtigerweise erkannt haben, dass Nationalismus, Populismus, Protektionismus und neue Zollschranken aufgezogen werden. Aber Sie haben direkte Abstimmung beantragt. Das wird dem Anliegen meines Erachtens nicht gerecht.
Deshalb noch einmal von dieser Stelle der Appell: Wenn Sie wirklich an einer vertieften fachlichen und inhaltlichen Positionierung interessiert sind, lassen Sie uns das in den Fachausschüssen intensiver diskutieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Warum und weshalb, will ich Ihnen auch kurz erläutern. Hier ist das Stichwort „Vorweihnachtszeit“ gefallen. In der Tat; die Bilder passen. Der Inhalt ist einfach nicht stimmig. Sie machen den Kurzschluss, dass Sie schlussfolgern, der bisherige Weg des freien Handels sei automatisch auch ein fairer Weg.
Da gibt es nun beredte Beispiele, die Sie selber erwähnt haben. Sie haben sie allerdings in den positiven Bereich eingeordnet. Diese Beispiele sind aber erkennbar total negativ. Es spricht ja Bände, wenn Sie die kolumbianische Kohle als gutes Beispiel für fairen und freien Handel beschreiben. Die Arbeitsbedingungen in Kolumbien und die Art und Weise, wie dort mit Kohleförderung die Natur zerstört wird, sind doch genau das Gegenteil von fairem Handel. Deshalb passt das nicht zusammen.
Mein Eindruck ist: Sie gießen hier mit der Erwähnung der weltweiten Normen im Bereich der Nachhaltigkeit Zuckerguss sehr fein über Tatbestände, die diskutiert und ziseliert werden müssten. Denn die ILO-Arbeitsnorm ist bisher überhaupt nicht implementiert. Sie ist nicht Gegenstand der von Ihnen so gelobten bilateralen Handelsabkommen. Noch nicht einmal die Nachhaltigkeitsstandards, die jetzt auch Leitlinie für politisches Handeln sind, finden in irgendeiner Weise in den von Ihnen nach vorne gestellten Handelsverträgen Erwähnung.
Im Gegenteil! Die Standards des von Ihnen zitierten JEFTA-Abkommens, das jetzt in Kraft gesetzt werden soll, berücksichtigen Umwelt- und Sozialnormen in keiner Weise. Eher das Gegenteil ist der Fall. Beispielsweise wird in Daseinsvorsorgefragen der Wasserwirtschaft eingegriffen. Wasser ist aber keine Handelsware, sondern gehört zur Daseinsvorsorge und muss ausgenommen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Über dieses Abkommen wird Wasser verramscht. Über die Hintertür wird das eingeführt, was bisher in der Europäischen Union zumindest von den liberalen Kräften nicht durchgesetzt worden ist.
Die europäische Handelspolitik braucht einen Neustart. Handelsabkommen dürfen in Zukunft nicht mehr exklusiv geschlossen werden. Sie müssen inklusiv geschlossen werden, also multilateral. Das ist die Devise, die nach vorne geht und die Abgrenzung zu dem hinbekommt, was in Amerika passiert.
Dann gibt es ein paar neue Herausforderungen, die in ihren Redebeiträgen überhaupt nicht vorkommen, die aber angegangen werden müssen. Eine Welt, die auf Digitalisierung umstellt und in der der Kapitalismus in Plattformen global funktioniert, braucht auch in der Handelspolitik entsprechende Leitplanken, die genau diese Fragen regeln. Wenn eine asiatische Nation wie China Handelspolitik dadurch betreibt, dass Infrastrukturfinanzierung weltweit den Zugang zu Rohstoffmärkten sichert, kommen Sie auch nicht mit Handelsverträgen mit Japan zurecht, sondern müssen andere multilaterale Initiativen ergreifen, um diesen Zugang zu sichern.
Deshalb wirbt meine Fraktion hier noch einmal für intensive fachliche Beratung und keine direkte Abstimmung.
Wenn Sie uns allerdings zu einer direkten Abstimmung zwingen, müssen wir Ihren Antrag leider ablehnen. – Vielen Dank.
(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Verena Schäffer [GRÜNE]) 

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