Johannes Remmel: „Die Antwort liegt in vielen Bereichen in Europa“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Rolle der Regionen in Europa

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es kurz. Auch wir können dem Antrag durchaus einiges abgewinnen und werden ihm nach heutigem Stand nach der Debatte im Ausschuss wahrscheinlich auch zustimmen. Er ist jedenfalls zustimmungsfähig.
Warum ist er das? Wesentliche Teile des Antrags basieren auf Positionen, die bereits im Europäischen Parlament und im Ausschuss der Regionen interfraktionell formuliert worden sind. Insofern haben Sie etwas aufgegriffen, woran wir an anderer Stelle, jedenfalls in der Parteienfamilie, schon mitgewirkt haben. Insofern wäre es schizophren, wenn wir dem nicht folgen würden.
In der Tat beginnt das Ganze mit einer Initiative, die zu einer Konferenz zur Zukunft Europas geführt hat. Sie sollte eigentlich schon am 9. Mai 2020 eröffnet werden. Das hat Corona verhindert. Insofern ist es jetzt virtuell. Es geht um die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern unter Abbildung der Vielfalt der hier lebenden Bevölkerung, der Organisationen der Zivilgesellschaft, der Sozialpartner, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, der Vertreterinnen und Vertreter der Regionen und der Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinden an der Arbeit an einem Zukunftsbild Europa. Das ist gut und richtig.
Die Europäische Kommission und das Parlament sind sich einig: Bei der Konferenz zur Zukunft Europas soll die Stimme der Bürgerinnen und Bürger mehr Gewicht bekommen. Dazu gehören selbstverständlich die Stimmen aus den Kommunen und aus den Regionen. Insofern trifft dieser Antrag den Punkt.
Allerdings – das ist ein wenig der Wermutstropfen oder auch die Kritik, die wir vortragen möchten – bleibt der Antrag strukturell. Er betont also Europa ohne große Inhalte. Es sind zwar gerade in den Reden einige Inhalte genannt worden. Aber im Antrag findet sich davon sehr wenig.
Wo sind die zukünftigen Herausforderungen Europas, denen wir uns stellen müssen und worauf das europäische Projekt eine Antwort bietet? Sie liegen quasi auf der Hand. Aber man muss sie dann bitte auch formulieren.
Wir alle als Politikerinnen und Politiker haben die Erfahrung gemacht, dass man nicht für das gewählt wird, was man geleistet hat, sondern für das, was man zukünftig will.
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])
Im Rahmen der Europawahl war es gut und richtig, auf die historischen Leistungen Europas als großes Friedensprojekt zu verweisen. Aber langfristig tragfähig für die Zukunft wird das nur sein, wenn wir auch den Horizont sehen und formulieren, welche Herausforderungen Europa zukünftig zu bewältigen hat.
Die Klimakrise ist genannt worden. Es geht auch um die Frage der Umgestaltung in Richtung Nachhaltigkeit, die Frage, wie wir in Europa Digitalisierung anpacken, und die Frage, wie wir vielleicht ein sozialeres Europa schaffen. Hier lässt die Konferenz zur Zukunft Europas die Tür offen, auch zu Vertragsänderungen zu kommen. Jedenfalls steht das in der Konstitution.
Alles das fehlt in dem Antrag – einschließlich der meines Erachtens bestehenden Notwendigkeit, über eine neue und nachhaltigere Ausrichtung der Handelspolitik nachzudenken; gerade unter den Herausforderungen, die wir in jüngster Vergangenheit haben kennenlernen müssen.
Die Antwort liegt also in vielen Bereichen in Europa. Ich bin mir im Übrigen sicher, dass das Zusammenspiel von Europa und Regionen Antworten auf Fragen liefern würde, die wir zurzeit quälend versuchen, zu beantworten.
Wir als Nordrhein-Westfalen, als Region, könnten meines Erachtens die Frage von Migrations- und Flüchtlingspolitik einfacher beantworten, als sie national beantwortet werden könnte, weil wir als Region vielfältige Erfahrungen mit Integration und Migration haben. Das ist ein Plus der Regionen und rückt den nationalen Filter etwas zur Seite.
Im Grunde ist die Ausrichtung des Antrags strukturell richtig. Aber vielleicht können wir im Ausschuss ja noch den einen oder anderen gemeinsamen inhaltlichen Akzent finden. – In diesem Sinne wünsche ich eine gute Ausschussberatung und einen schönen Abend.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Europa